Während einige hundert Meter weiter ganz Bern im Marzilibad die Seele baumeln lässt, herrscht in den Büros der eidgenössischen Finanzmarktaufsicht im Kirchenfeldquartier emsiges Treiben. Die Spezialisten arbeiten mit Hochdruck an der revidierten Fassung des Rundschreibens zu den Eigenmittelpuffern und der Kapitalplanung der Banken. Das Papier soll dieser Tage veröffentlicht werden. Es beinhaltet die neuesten Weisungen, wie sich Geldinstitute künftig gegen Krisen zu wappnen haben.

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Die Forderungen der Finma reihen sich ein in eine steigende Anzahl von Vorschriften rund um die Einführung der Bankregeln von Basel III – und es werden nicht die letzten bleiben. Die Schweizerische Nationalbank etwa hat seit Anfang Juli die Möglichkeit, zusätzliche Eigenkapitalpuffer von den Banken zu fordern, um den steigenden Risiken am hiesigen Immobilienmarkt zu begegnen. In dem Fall würden die Eigenmittelanforderungen für die Banken nochmals um maximal 2,5 Prozent steigen.

«Kommt nicht in Frage»

Das hat Folgen auch für Investoren. Denn die zusätzlichen Mittel beschafften sich die Banken bisher vorzugsweise am Kapitalmarkt. Das bewahrheitet sich erneut bei der Credit Suisse. Die Bank machte am 18. Juli anlässlich ihres Halbjahresabschlusses publik, ihre Eigenkapitalbasis mit weiteren 15,3 Milliarden Franken zu stärken. Dazu will die Grossbank einerseits Anleihen ausgeben, die im März 2013 in Aktien gewandelt werden. Zudem ist die Lancierung sogenannter Tier-1-Genussscheine geplant. Die Credit Suisse war schon zuvor Pionierin bei der Vergabe sogenannter Pflichtwandelanleihen und wurde darin in den letzten Monaten von verschiedenen Schweizer Banken nachgeahmt. Konkurrentin UBS, aber auch Institute wie Raiffeisen, die Zürcher oder St. Galler Kantonalbank gelangten mit nachrangigen Anleihen an die Investoren. Diese Vehikel werden nach einem bestimmten Zeitplan − oder wenn es die Not gebietet − in Eigenkapital gewandelt, um die Kapitalbasis der Bank zu stärken. Für ihr Engagement wird den Investoren meist ein ansehnlicher Coupon geboten. Im Falle der UBS-Emission sind dies ganze 7,25 Prozent, beim Papier der Zürcher Kantonalbank 3,5 Prozent.

Das trifft bei vielen Anlegern einen Nerv. Angesichts negativer Renditen auf Schweizer Staatsanleihen mit Laufzeiten bis zu fünf Jahren sind sie verzweifelt auf der Suche nach Erträgen. Nicht von ungefähr waren solche Papiere bei ihrer Lancierung teils überzeichnet. Doch der fette Köder ist mit Risiken verbunden, die nicht alle Marktteilnehmer schlucken wollen. Die Anleger müssen ihren Einsatz in nachrangigen Anleihen ganz oder schrittweise abschreiben, wenn die Eigenmittelquote der Banken unter Druck gerät. Das gilt auch für die Vehikel der Kantonalbanken – nachrangiges Kapital fällt nicht unter die Staatsgarantie. «Nachrangige Anleihen sind an sich ein Eigenkapitalsurrogat und bergen deshalb ein absolutes Ausfallrisiko», sagt Stephan Kuhnke, Leiter Portfoliomanagement bei der Bank Bantleon. «Für unsere Strategie, die den Kapitalerhalt obenan stellt, kommen solche Papiere nicht in Frage.»

Ratingagentur warnt

Um Sicherheit und Rendite einigermassen in Einklang zu bringen, empfiehlt Kuhnke deshalb unter anderem die «gewöhnlichen» Anleihen von Staatsbanken. «Dank der soliden Kapitalisierung der Kantonalbanken und ihrer in der Regel konservativen Kreditvergabe sehen wir keine grossen Risiken», so der Bantleon-Banker. Doch ganz sorgenfrei lässt sich auch dort nicht mehr investieren. Anfang Juli hat die gewichtige Ratingagentur Standard & Poor’s den Bonitätsausblick verschiedener Schweizer Institute von stabil auf negativ umgeschrieben, darunter auch jenen von Kantonalbanken. Dirk Heise, Experte von Standard & Poor’s für Schweizer Banken, hatte dabei vorab die Risiken am Immobilienmarkt im Auge. «Wir rechnen auch für 2012 mit einer Fortsetzung der Preissteigerungen, wie wir sie bereits in den letzten drei Jahren beobachtet haben», sagt Heise. «Wenn sich das Szenario verdeutlichen sollte, würde es allenfalls zu Ratingaktionen kommen», warnt Heise. «Wir bleiben wachsam.» Höhere Risiken stossen also auf möglicherweise wertvermindernde Urteile der Bonitätswächter: Ein potenziell giftiger Sommercocktail für Anleger. Immerhin sucht man bei der Finma in Bern zu beschwichtigen. «Im revidierten Rundschreiben sind gegenüber dem Anhörungsentwurf keine weiteren Verschärfungen vorgesehen.»

 

Kantonalbanken: Sensible Kennzahlen

Signalwirkung
Die Kapitalisierung der Banken steht im Rampenlicht: Die Credit Suisse steigert ihr Eigenkapital nochmals. Bis Ende Jahr will sie eine Kapitalquote von 10,8 Prozent erreichen. Die Grossbank reagiert damit auf den Druck der Aufsichtsbehörden − aber auch auf jenen der Investoren. Denn diesen gelten die Eigenmittelwerte immer mehr als verlässliche Wegweiser beim Anlageentscheid.

Annäherung
Nicht minder sensibel ist daher die Frage nach den Eigenmitteln der Kantonalbanken − auch wenn diese zu den bestkapitalisierten Instituten am Finanzplatz zählen. In der «Handelszeitung» vom 12. Juli wurde der Versuch unternommen, die Kapitalisierung der Staatsinstitute anhand einer Annäherung an die Leverage Ratio aufzuzeigen. Dazu wurden die Gewinnreserven und das Gesellschaftskapital mit den gesamten Aktiven verglichen. Eine fixe Formel für Schweizer Institute im Rahmen von Basel III ist gemäss Banken noch nicht abschliessend festgelegt.

Hohe Reserven
Doch manche Kantonalbank hat viel Kapital im Bereich Reserven für allgemeine Bankrisiken geäufnet. Die oft historisch gewachsene Position kann dem Kernkapital uneingeschränkt angerechnet werden, löst aber auch Fragen aus. «Aus Anlegersicht ist der verstärkte Aufbau der Position nicht immer nachvollziehbar », sagt Christian Fischer von Independent Credit View. Unter Einbezug jener Reserve, des Gewinnvortrags und weiterer dem Kernkapital anrechenbarer Positionen liegt die Leverage Ratio Ende 2011, nach heutigem Wissensstand, für alle Kantonalbanken deutlich über 6 Prozent. Die Zuger Kantonalbank veranschlagt eine Leverage Ratio von 9,05, die Schwyzer Kantonalbank eine von 10,1, die Urner über 8 Prozent. Die Thurgauer Kantonalbank berechnet eine Ratio von 9,7, das Basellandschaftliche und das Aargauer Staatsinstitut eine von 8,7 bzw. 8,5 Prozent. Die Graubündner Staatsbank weist eine ungewichtete Eigenkapitalquote von 11,3 Prozent aus.