Zwei Frontscheinwerfer vor schwarzem Hintergrund, die wie eine Raubkatze mit bösem Blick aus der Dunkelheit starren, dazu ein Schriftzug in knallroten Grossbuchstaben: «Das Kartell». So titelte das deutsche Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» vor einer Woche. Im Heftinneren enthüllte das Magazin, dass die deutsche Autoindustrie sich seit den Neunzigerjahren in geheimen Arbeitskreisen über Technik, Kosten, Zulieferer und die Abgasreinigung ihrer Dieselfahrzeuge abgesprochen hatte.

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Beteiligt waren demnach alle grossen Namen der deutschen Autoindustrie: Volkswagen, Audi, Porsche, BMW und Daimler. Unterfüttert wurden die Vorwürfe durch umfangreiche Offenlegungen des Volkswagen-Konzerns bei den Kartellbehörden.

Aktienkurse auf Talfahrt

Die «Spiegel»-Geschichte über das Kartell war ein Paukenschlag. Der Dieselskandal um manipulierte Abgaswerte ist noch nicht ausgestanden, schon stecken die selbsternannten Premium-Autobauer wieder im Dilemma. Anleger reagierten prompt und schickten die Aktienkurse der am Kartell beteiligten Unternehmen auf Talfahrt.

Den grössten Verlust musste Volkswagen hinnehmen: Nach Bekanntwerden der Absprachen verlor die Aktie in nicht einmal zwei Handelstagen 3,89 Milliarden Euro an Marktkapitalisierung. Zum letzten Wochenstart ging es weiter abwärts. Volkswagen, BMW, und Daimler verloren am Montag jeweils zwischen 3,7 und 2,8 Prozent. Die einst so stolzen Autobauer gehören zu den grössten Verlierern im deutschen Leitindex Dax.

Schaden in Milliardenhöhe

In der Vergangenheit haben die Aktien deutscher Autoherstellern Anlegern oft Freude bereitet. Das könnte sich in den kommenden Monaten ändern. Anlegern, die direkt oder über einen Fonds in Aktien deutscher Autohersteller investiert sind, müssen mit Verlusten rechnen.

Die gesamte Branche steht wegen der Manipulation von Abgaswerten ohnehin unter Druck, der Kartell-Skandal könnte nun weitere Strafzahlungen nach sich ziehen. «Zusammen mit möglichen Schadenersatzforderungen von Automobilzulieferern und Autokäufern und inklusive des Imageschadens könnte der Schaden für die Autoproduzenten den Wert von zehn Milliarden Euro übersteigen», sagt Frank Schwope, Analyst der Nord LB.

Nichts für schwache Nerven

Strafen und Schadensersatzforderungen dürften die Konzerne finanziell wegstecken. Schwerer wiegt der erneute Imageschaden. Stefan Bratzel vom Center Of Automotive Management spricht von einem «Super-Gau für die Glaubwürdigkeit». Andere Marktbeobachter äusserten sich ähnlich. Die Valoren der deutschen Autohersteller haben schon seit Monaten Probleme: Seit Jahresbeginn beträgt der Kursverlust bei Daimler fast 14 Prozent, bei BMW steht ein Minus von 11,5 Prozent. Lediglich Volkswagen konnte ein kleines Plus von 0,6 Prozent erzielen. 

Manche Analysten trauen Volkswagen, BMW und Daimler zu, dass sie die erneute Krise überstehen. Sie empfehlen die Valoren zum Kauf. Bei Warburg Research stehen BMW und Daimler auf der Kaufen-Liste, BNP Paribas stuft den Volkswagen-Valor als aussichtsreich ein, ebenso Analyst Schwope von der Nord LB. Aktuell ist indes noch höchst unsicher, wie es weitergeht – und welche Blessuren die deutschen Autobauer davontragen werden. Nur sehr optimistische und nervenstarke Investoren sollten bei den Titeln jetzt zugreifen. Für Daimler spricht, dass die Stuttgarter als erste Selbstanzeiger womöglich straffrei aus dem Skandal herauskommen könnten.

Hersteller aus Übersee profitieren

Weniger zuversichtliche Anleger greifen besser zu Alternativen, beispielsweise zu Valoren ausländischer Fahrzeughersteller. In den vergangenen Wochen konnten nur wenige Branchenvertreter ein Plus erzielen – darunter die Hersteller Mitsubishi, Volvo und Tesla. Auch hier ist allerdings Vorsicht geboten: Denn der Kartell-Skandal um die deutschen Autobauer hat das Potenzial, die gesamte Branche in Mitleidenschaft zu ziehen und Automobilaktien in der Breite in die Tiefe zu reissen.

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