BILANZ: Ihr Büromobiliar wäre die perfekte Kulisse für einen Film aus den achtziger Jahren.
Bernhard Burgener:
Eher siebziger. Pult, Stühle, Schrank ersteigerte ich vor 29 Jahren aus einer Konkursmasse.

Die braune Cord-Polstergruppe war sicher auch im Los?
Alles für 1800 Franken. Und es tut seinen Zweck bis heute. Gut, beim Ablageschrank muss ich ab und zu mit dem Fuss nachhelfen, damit er schliesst, und das Pult liess ich einmal abschleifen.

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Ihr Erfolgsrezept: schleifen statt ersetzen?
Wenn Sie sagen wollen, Kostenbewusstsein sei mir wichtig, widerspreche ich nicht. Wenn Sie sagen wollen, wir seien geizig, liegen Sie falsch. Ich könnte ihnen locker ein paar Beispiele nennen, wofür wir sehr viel Geld ausgeben.

Ein Beispiel?
Wir zahlen sehr gute Löhne, weil ich der Meinung bin, qualifizierte und engagierte Mitarbeiter seien zentral.

Das sagt jeder Unternehmer.
Wer sich bei mir bewährt, bleibt. Wir haben fast keine Fluktuation in der Highlight-Gruppe, die meisten unserer Kaderleute haben sich intern hochgearbeitet. Nehmen Sie Franz Woodtli, der eben ins Büro kam: Er begann vor 25 Jahren bei uns, heute ist er Vorstandskollege in der Constantin Film und visioniert mit uns Filme, die wir auf den Markt bringen.

Also Kostenbewusstsein und interne Karrieren?
Ich habe weitere Prinzipien: hohe Qualität beim Produkt, technologisch an der Spitze sein, schlanke Strukturen. Ich führe über Profit Centers, gebe den Chefs viel Verantwortung. Mich sehe ich in der Rolle der Feuerwehr, ich greife dort ein, wo es nicht rund läuft. Ich sage meinen Leuten immer: Wenn es optimal läuft, könnt ihr mir das später sagen. Wenn es irgendwo harzt, will ich es sofort wissen. Dann wird Gegensteuer gegeben.

Ihre in Frankfurt kotierte Highlight-Gruppe floriert, doch der Aktienkurs bewegt sich seitwärts. Wie geben Sie Gegensteuer?
Ihre Analyse trifft nicht zu. Wenn man den Aktienkurs unserer Firmengruppe mit Indizes in Deutschland vergleicht, sind wir gut unterwegs. Wir outperfomen seit rund acht Jahren auch die grossen US-Filmstudios wie Viacom mit Paramount oder News Corp. mit Fox. Auch Blue Chips wie Siemens oder Novartis liegen hinter uns. Die Fundamentals stimmen: In den letzten sieben Jahren steigerten wir den Gewinn laufend.

Offenbar ist das zu wenig Fantasie für Investoren. Wären Akquisitionen ein Kurstreiber?
Vielleicht, aber meine Devise lautet: Man muss standhaft sein, auch wenn man Geld verdient. Seit dem Börsengang der Highlight-Gruppe vor elf Jahren haben wir mehr als 150 Übernahmeobjekte geprüft, aber nur vier gekauft: Team, Constantin Film, Constantin Entertainment und Kontraproduktion. Mit Team sind wir weltweiter Vermarkter der Fussballwettbewerbe Uefa Champions League und Europa League. Mit Constantin haben wir Tradition eingekauft und eine Verlustfirma rentabel gemacht. Die Firma legte in den letzten acht Jahren tolle Leistungen hin: Von den erfolgreichsten 30 in Deutschland produzierten Filmen stammen 16 von uns. Und: Jedes zweite verkaufte Kinoticket für eine lokale Produktion in Deutschland betrifft einen Constantin-Film. Mit Filmen wie «Die Päpstin», «Das Parfum» oder «Der Untergang» erzielten wir internationale Erfolge. Bei allen Zukäufen glückte die Integration, alle Firmenteile performen.

Sie begannen mit einem Bankkredit über 100  000 Franken.
Das Geld stammte von der Credit Suisse. 1982 baute ich mit zwei Partnern in Allschwil eine Videothek auf. Damals waren «Gandhi», «Tootsie» und «Rambo» die Kassenschlager. Ohne die CS sässe ich heute nicht hier, auch der UBS habe ich einiges zu verdanken. Ich habe das KV-Diplom gemacht und wollte möglichst schnell selbständig sein. Dank den Banken konnte ich über all die Jahre expandieren.

Ein glücklicher Bankkunde?
Mehr noch. Ich bin stolz auf unsere beiden Grossbanken, sie haben mich über 29 Jahre begleitet, auch in schwierigen Zeiten. Ich habe auch Erfahrungen mit Banken in Deutschland gemacht, da sind Finanzierungen ungleich schwieriger und komplizierter.

Ihre Constantin Film hat «Sennentuntschi», der am Zürcher Filmfestival Premiere feiert, finanziert. Was dachten Sie, als Sie die überschuldete Buchhaltung der «Sennentuntschi»-Produktionsfirma Kontraproduktion sahen – «Irrsinn»?
Ende November 2009 kam «Sennentuntschi»-Regisseur Michael Steiner in mein Büro. Mir gefiel, wie er auftrat, er legte alle Probleme auf den Tisch, machte eine ungeschminkte Auslegeordnung. Und er war gewillt, sich selber aus dem Loch herauszukämpfen. Eine Woche später unterzeichneten wir eine Absichtserklärung. Dann hatte er mein Regiebuch abzuarbeiten, das ihm 16 Aufgaben für die folgenden zwei Monate gab.

Die Rede war von Callgirls, Drogen, Missmanagement bei Kontraproduktion.
Der Betreibungsregisterauszug der Firma war sechs Seiten lang. Auf weitere Details möchte ich nicht eingehen.

Wie kam es zur Bruchlandung von Regisseur Steiner?
Im August 2008 zog er mit seiner Truppe auf eine Alp für den Dreh, in jenen Wochen passierten Fehler, die Finanzierung brach zusammen, dann wurden Leute ersetzt. Aber das ist Vergangenheit.

Wie brachten Sie den Film wieder auf Kurs?
Ich sagte von Anfang an: Entweder werden sämtliche Gehälter der Kreativen und Handwerker bezahlt, inklusive AHV, Suva, Pensionskasse – oder wir beenden das Gespräch. Und dann musste es auch eine Opfersymmetrie geben: Wenn wir mit Constantin Film Schweiz tief in die Tasche greifen, um den Film ins Kino zu bringen, sollten uns auch die staatliche Filmförderung und private Geldgeber entgegenkommen.

Sie investierten 3,5 Millionen ins Projekt?
Das war zum Teil der Finanzierungsbedarf, um den Film überhaupt fertig zu stellen, aber daraus werden Einnahmen generiert. Wir kauften ja auch die Produktionsfirma Kontraproduktion.

Diese soll sieben Millionen gekostet haben.
Es waren exakt elf Franken, so steht es in unserem Geschäftsbericht. Aber wir übernahmen damit auch beträchtliche Verpflichtungen. Doch im Gegenzug erhielten wir Filmrechte und -ideen von Michael Steiner. Allein wegen «Sennentuntschi» wären wir nicht eingestiegen. Ich sehe den Film vielmehr als Startschuss für eine Filmproduktionsfirma in der Schweiz. Deshalb gründeten wir die Tochterfirma Constantin Film Schweiz. Mittelfristig wollen wir jährlich einen Schweizer Film produzieren.

Wie viele Zuschauer braucht der Film, um den Break-even zu erreichen? 200  000?
In diesem Fall rechnen wir anders. 100  000 und mehr wären ein Erfolg, das Ziel sind 150  000.

Weshalb sind Schweizer Filme nicht massentauglich und scheitern oft, wie «Max & Co.», «Räuberinnen», «Pepperminta»?
Das sehe ich nicht so. Die Schweiz hat eine grosse Filmtradition.

Tradition ja, aber die Gegenwart ist ziemlich düster.
Mit Michael Steiner engagierten wir ein Ausnahmetalent, er weiss, wie man Geschichten erzählt. Mit «Mein Name ist Eugen» und «Grounding» realisierte er zwei erstklassige Filme, der eine hatte 380  000, der andere 580  000 Zuschauer. Auf der Bestenliste der letzten 15 Jahre bedeutet dies die Plätze zwei und fünf. Genau deshalb wollen wir mit Steiner weiterarbeiten.

«Sennentuntschi» gibt es – im Gegensatz zu «Avatar» – nicht in 3-D-Qualität. Weshalb?
«Sennentuntschi» wurde 2008 gedreht. Da stellte sich diese Frage noch nicht. Der Durchbruch von 3-D erfolgte im Dezember 2009 mit «Avatar». Bei Constantin Film beschlossen wir früh, mit 3-D-Filmen dabei zu sein. Dieses Jahr bringen wir gleich drei in die Kinos. Mit «Step Up 3» belegten wir zwei Wochen lang den ersten Platz der deutschen Charts. Mit «Resident Evil: Afterlife» waren wir erstmals in der Geschichte der Constantin Film und des deutschen Films weltweit die Nummer eins am Startwochenende und erzielten ein Box-Office-Resultat von 74 Millionen Dollar.

Setzt sich 3-D in der Filmindustrie durch?
Die Zukunft ist dreidimensional. Am 17.  Dezember 2009 stiess Regisseur James Cameron mit «Avatar» eine Türe auf. Drei 3-D-Filme sind bereits unter den erfolgreichsten Filmen aller Zeiten: «Avatar» ist der erfolgreichste Film, er spielte bisher weltweit rund 2,77 Milliarden Dollar ein. Es folgen «Alice im Wunderland» und «Toy Story», nach bloss sechs Wochen der erfolgreichste Zeichentrickfilm aller Zeiten und auf Rang fünf der Alltime-Bestenliste. Dies zeigt eindrücklich die Wucht der 3-D-Welle. Die Kinos rüsten nun um, aber auch andere ziehen mit: Die Bundesliga gibt es voraussichtlich bald in 3-D, es gibt 3-D-TV-Geräte und 3-D-DVD. Kurzum: 3-D erreicht jetzt auch die Wohnstube. Es wird einen Qualitäts-Quantensprung geben.

Was kommt nach 3-D?
S-3-D ist im Kommen, die stereoskopische 3-D-Technologie mit Brille. Doch das Ziel ist autostereoskopische 3-D ohne Brille. Da gibt es bereits erste Versuche. Auch die holografische 3-D ist in Entwicklung, ähnlich wie man es in «Minority Report» sah.

Im Südtirol sind Sie auch im Marmorhandel tätig. Weshalb?
Mehr ein Hobby. Als meine Frau und ich unser Haus bauten, suchten wir einen passenden Stein. Dabei stiess ich auf den Laaser Marmor, er ist weiss, hart, wetterbeständig. Es gibt übrigens Parallelen zum Film: Mich interessieren grosse Namen und gute Storys. Auch beim Marmor begeistert mich die Geschichte.

Wie lautet die Marmor-Story?
Der Laaser Marmor war der Stein der grossen Monarchien Europas um 1900. Überall wurde der weisse Marmor verwendet: für die Statue von Pallas Athene in Wien, von Königin Victoria vor dem Buckingham Palace, das Schiller-Denkmal in Dresden, das Löwendenkmal in München, das Grab von Pius IX., den Supreme Court in New York. In Steven Spielbergs Film «Saving Private Ryan» schwenkte die Kamera minutenlang über einen Soldatenfriedhof mit weissen Steinkreuzen – Laaser Marmor.

Eine gute Geschichte, aber ist es auch ein gutes Geschäft?
Noch nicht, aber wir haben den schönsten Marmor der Welt, den höchsten Steinbruch Europas im Nationalpark Stilfserjoch, dazu eine funktionierende Förderbahn aus dem Jahr 1928. Irgendwann wird Laaser Marmor wieder rentabel sein. Seit 1991 bin ich als Miteigentümer engagiert. Das zeigt ein weiteres Prinzip von mir: Ich bin hartnäckig, wenn ich ein Ziel verfolge.

Wie viele Filme haben Sie in Ihrem Leben schon gesehen?
Tausende. Das erste Mal sass ich 1963 im Kino: «Winnetou» mit Pierre Brice und Lex Barker. Ich war sieben Jahre alt und total fasziniert. Nun bin ich seit 29 Jahren im Geschäft, gehe immer noch gerne ins Kino und freue mich über eine gute Story.

Zu Hause schauen Sie nie?
Doch, ich habe eine Sammlung von 7000 DVD und 1100 Blu-Rays, alle säuberlich in Apothekerschränken verstaut. Zudem habe ich mir kürzlich einen 65-Zoll-TV-Apparat in 3-D zugelegt.

Schauen Sie auch unterwegs Filme?
Nein, im Auto telefoniere ich, im Flieger lese ich.

 

Bernhard Burgener (53) ist eine Grösse im internationalen Filmgeschäft. Mit 25 Jahren gründete er in Allschwil BL eine Videothek. Später baute er die börsenkotierte Highlight-Gruppe auf, zu der die Produktionsfirma Constantin Film gehört. Highlight-VR-Vize ist Martin Wagner, der VR-Mitglied der BILANZ-Herausgeberin Axel Springer Schweiz ist. Mit der Highlight-Tochter Team vermarktet Burgener die Champions League, die Europa League, die Wiener Philharmoniker. Mit 3,5 Millionen Franken rettete er den Schweizer Film «Sennentuntschi», der am Zürcher Filmfestival Premiere feierte.