Der Jahreswechsel bietet stets Zeit für einen Ausblick auf das, was vielleicht kommt. Dieses Mal hat sich die «Handelszeitung» in die Welt der Reichen und Superreichen begeben, die dank ihren Vermögen, die zuletzt auf unglaubliche 89'000 Milliarden Dollar gestiegen sind, das Geschehen an den Märkten stark beeinflussen können. Gemäss dem «Billionaires Report 2018» der UBS ist der Club der Superreichen weltweit auf mittlerweile 2158 Personen angestiegen. Vor allem dank der Zunahme in China. Dort zählten die UBS-Analysten im vergangenen Jahr 373 Personen, deren Vermögen 1 Milliarde Dollar und mehr beträgt. Im Jahr zuvor waren es noch 313. In der Schweiz leben dagegen immerhin 36 Milliardäre.

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Von optimistisch bis gedämpft

Da es erfahrungsgemäss schwierig ist, die verschwiegenen Milliardäre zu erwischen, hat die «Handelszeitung» mit denen geredet, die mit dieser Zielgruppe viel zu tun haben. So berichtet Christie’s-Präsident Dirk Boll, dass sich mit einer Verlangsamung der Konjunktur am Kunstmarkt der Spreu vom Weizen trenne. Doch wer mit dem Kunstvirus infiziert sei, lasse sich so schnell nicht entmutigen.

Andreas Arni, der das Privatkundengeschäft für Unternehmer und Führungskräfte bei der Credit Suisse leitet, beobachtet eine eher gedämpfte Stimmung bei seinen Kunden, die sich Sorgen um ihre Nachfolgeplanung und aufgrund der anstehenden Unternehmenssteuerreform in der Schweiz machen. Der vielfach ausgezeichnete Zwei-Sterne-Koch Rico Zandonella aus Küsnacht wiederum ist eindeutig optimistisch. Seine langjährige Erfahrung hat ihn gelehrt, dass selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie zuletzt während der Finanzkrise die Gäste nicht ausbleiben.

«Einzig die Spesenrechnungen werden etwas weniger»

Rico Zandonella, «Rico's», Küsnacht

Küsnacht, 7.10.2016, Rico Zandonella wurde vom «Gault Millau» als Schweizer «Koch des Jahres 2017» ausgezeichnet. Restaurant Rico's in Küsnacht,   @Sabina Bobst/Lunax

Rico Zandonella: Er rechnet damit, das Rekordjahr 2018 wiederholen zu können.

Quelle: Sabina Bobst / Lunax

Rico Zandonella ist sehr zuversichtlich: «2019 wird es so weitergehen wie im Vorjahr.» Das Gute an seiner Prognose: Der Zwei-Sterne-Koch aus Küsnacht blickt auf ein sehr erfolgreiches 2018 zurück. Der Ausnahmesommer beflügelte die Laune seiner Gäste, von April bis September konnte auf der Terrasse hinter dem Restaurant aufgedeckt werden und es war immer gut gebucht. Damit liegt die Messlatte für 2019 hoch, doch Zandonella war noch nie ein Pessimist, er blickt gerne nach vorn. Seine Gäste, die von überallher kommen, kennt er lange und gut. Da sind zum einen die vielen Stammkunden aus der Schweiz, die während unseres Besuchs im «Rico’s» im November meist ins warme Mauritius oder auf die Malediven ausgewichen sind und nun gut erholt zurückkommen werden, wie Zandonella aus Erfahrung weiss. Man kennt sich. Seine Stammgäste schätzen es sehr, dass Zandonella jeden Abend selbst in der Küche steht und einen herzlichen, aber stets professionellen Kontakt zu ihnen pflegt. Viele von ihnen sind über den Business-Lunch erstmals ins «Rico’s» gekommen und haben dem Tessiner dann auch zum Abend-Dinner die Treue gehalten.

Zum anderen ist das «Rico’s» auch die erste Anlaufstelle für Gourmets aus aller Welt, die kulinarisch etwas erleben möchten. «Wir haben viele Kunden, die aus New York einfliegen und schon Wochen vorher anrufen und wissen möchten, was auf der Karte steht, und dann reservieren. Auch aus China kommen Anfragen am Telefon», erzählt Zandonella. Diese internationale Klientel gab es immer schon im «Rico’s». Auch zu der Zeit, als sein Lehrmeister Horst Petermann noch die Kunststuben im selben Haus an der Seestrasse 160 betrieb. Zandonella, der das Restaurant 2010 mit viel Mut zum finanziellen Risiko übernahm und neugestaltete, steht jetzt 36 Jahre im Beruf. Er hat vieles in dieser Zeit erlebt, wie die goldenen 1980er Jahre, und er glaubt nicht, dass seine Gäste weniger werden. Eine Zwei-Sterne-Küche ist einfach etwas Besonderes und lockt Feinschmecker auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten an.

Kuwait-Krise leerte das Restaurant

Nur einmal, erinnert er sich, wurde es brenzlig. «In den neunziger Jahren, als nach der Kuwait-Krise Soldaten im Irak einmarschierten, da war es plötzlich leer im Restaurant. Die Leute waren stark verunsichert und kamen eine ganze Weile nicht mehr», berichtet er. Die Finanzkrise hingegen habe sich im Restaurantbetrieb nicht bemerkbar gemacht. «Einzig merkt man, dass die Spesenrechnungen etwas weniger werden», fügt Zandonella noch an.
Auch nach so vielen Jahren als Koch bereitet sich Zandonella jeden Abend auf seine Gäste intensiv vor. «Disziplin, Kreativität und Ehrlichkeit sind in meinem Beruf entscheidend», sagt er und es schwingt viel Bescheidenheit dabei mit. Wenn er einen Wunsch für 2019 äussern könnte, was wäre dies? «Ich wollte schon lange in neues Besteck investieren. Gerade erst haben wir es bestellt», schmunzelt er.

«Tiefe Zinsen waren gut für den Kunstmarkt»

Dirk Boll, Co-Präsident Christie's

Dirk Boll

Dirk Boll: Er sieht die Globalisierung im Kunstmarkt als abgeschlossen an.

Quelle: Foto © Gerry Nitsch

Dirk Boll, Jurist, Professor und einer von drei Präsidenten von Christie’s, zuständig für Europa, den Mittleren Osten, Russland und Indien, sieht folgende Trends im Kunstmarkt: Nach abgeschlossener Globalisierung ändere sich nun das Käuferverhalten in Richtung «replacement and sophistication», also Richtung Austausch und Verfeinerung der Sammlung.

In den vergangenen 15, 20 Jahren sei es so gewesen, dass immer dann, wenn ein neuer, aufstrebender Wirtschaftsraum in der Blüte stand, ein weiterer hinzukam. Diese Entwicklung habe das Wachstum bis heute angetrieben. Denn bei den lokalen Sammlern gab es einen enormen Bedarf an einer «Grundausstattung» an Kunstwerken. Die jeweilige obere Mittel- und Oberschicht habe sich dabei zuerst für das Schaffen des eigenen Kulturkreises interessiert. Später hätten sich die gewichtigen Sammler auf die internationale Entwicklung konzentriert, sprich auf das Geschehen in London, New York, Los Angeles, Mumbai, Dubai und Hongkong geblickt. Es bildete sich eine kleine Klasse hochkarätiger Sammler, die sehr einflussreich wurde, auch weil sie sehr hohe Preise bezahlen konnte. Doch nun sei ein Hochplateau erreicht.

Kunstmarkt wird stärker von der Konjunktur beeinflusst

Das bedeutet, dass der Kunstmarkt wieder mehr so wie andere Märkte für Luxus- und Investitionsgüter funktioniere und stärker von den ökonomischen Rahmenbedingungen beeinflusst werde. Das erinnere an die achtziger und neunziger Jahre, erklärt Boll. Als Folge sollte sich der Nachholkonsum in den Schwellenländern verlangsamen, wobei er anmerkt, dass die Rede von Konsum im Zusammenhang mit Kunst immer etwas seltsam anmute. Positiv an dieser Entwicklung sei indes, dass viele Marktteilnehmer respektive Sammler nun über höhere fachliche Kenntnis als früher verfügten.

Auf die Frage, ob der schlechtere Konjunkturausblick den Kunstmarkt in Mitleidenschaft ziehen werde, meint der Kunstmanager, dass sich nun der Spreu vom Weizen trenne. Wer sich mit dem Kunstvirus infiziert habe, der lasse sich wohl nicht so schnell entmutigen. Des Weiteren gebe es Käufer, die durch die Auseinandersetzung mit Kunst in andere gesellschaftliche Sphären aufgestiegen seien, und diese dürften alles daransetzen, den so erlangten Status so lange wie möglich aufrechtzuerhalten.

Anlageorientierte Kunstsammler wiederum haben seit je stark auf bekannte Namen gesetzt. Boll hofft, dass diese nach dem Erwerb einer Kernsammlung an Blue-Chip-Werken individuelle Vorlieben entdecken. Ökonomisch sei diese Entwicklung für die Marktteilnehmer möglicherweise zwiespältig, der Qualität des Kunstmarktes insgesamt wäre sie aber zuträglich.

In der Vergangenheit war es so, dass niedrige Zinsen gut für den Kunstmarkt waren und umgekehrt. Die steigenden Zinsen in den USA sind ein weiteres Indiz für die voranschreitende Saturierung des internationalen Kunstgeschäfts.

 

«Das Gefühl geht um, dass an den Märkten bald etwas passiert»

Andreas Arni, Managing Director, Credit Suisse

Andreas Arni

Andreas Arni: Er sieht vier Problemzonen für 2019.

Quelle: 13 Photo

Andreas Arni, der für das Privatkundensegment Unternehmer und Führungskräfte bei der Credit Suisse zuständig ist, fallen gleich vier Problemzonen ein, wenn er an 2019 denkt. Da ist zunächst die Unternehmenssteuerreform, über die in der Schweiz dieses Jahr abgestimmt wird, was kurz- und mittelfristig viel Unsicherheit generiert. Gleiches gilt für die Aktienrechtsreform, die viele Unternehmen und deren Inhaber beschäftigt. Auf privater Ebene machen sich seine Kunden vermehrt Gedanken über ihre eigene Vorsorge sowie über die Nachfolgeplanung in den Betrieben. Letzteres sei ein Megatrend. «Wir haben in der Schweiz etwa 300 000 kleinst- und mittelständische Unternehmen. Ungefähr jedes dritte davon ist in den nächsten Jahren von dem Nachfolgethema betroffen», schätzt Arni.

Im Bereich Vorsorge sei den Unternehmern und Führungskräften, die er betreut, vor allem eines klar: In der Schweiz ist vieles ungelöst. Die Rentenversprechen zu erfüllen, werde immer schwieriger. Wegen der tiefen Zinsen haben Pensionskassen und die AHV Mühe, das Geld gewinnbringend anzulegen. Das verschärfe die Rentenlücke, die bereits wegen der Alterung der Bevölkerung entstehe. Antworten auf diese Vorsorgeproblematik gebe es bisher kaum. Das belaste die Stimmung bei vielen Unternehmern und Führungskräften, so Arni. Zusätzlich zur eigenen Situation sehen sie auch, dass die betrieblichen Vorsorgeverpflichtungen die Bilanzen ihrer eigenen oder der ihnen anvertrauten Unternehmen langfristig belasten. So gesehen bezeichnet Arni die Erwartungen an 2019, die er bei seinen Kunden heraushört, als «gedämpft».

Risikobewusste Unternehmer

Doch was folgt daraus im Anlageverhalten der Unternehmer, die ihr Leben lang ihr Vermögen selbst erwirtschaftet haben? «Die meisten meiner Kunden gehen unternehmerisch hohe Risiken ein. Das macht sie in anderen Bereichen durchaus risikobewusster», erklärt Arni. Kommt hinzu, dass die Vermögensstrukturen vieler Unternehmer und Führungskräfte sehr komplex und zu einem grossen Teil illiquide seien. «Die meisten meiner Kunden verfügen über langjährige Erfahrung im Geschäft und sind global bestens vernetzt. Sie erkennen jetzt, dass wir in einer Spätphase des Zyklus angekommen sind», berichtet er. «Das Gefühl geht um, dass an den Märkten bald etwas passiert», meint Arni. Er wurde in diesem Zusammenhang auch schon angefragt, die Aktienquote in einigen Depots zu reduzieren.

Arni und sein Team, zu dem schweizweit 140 Mitarbeitende gehören, sind auch in der Startup-Szene beratend tätig. Hier sei die Stimmung noch relativ gut. «Das Geld ist günstig im Moment. Da ist es einfacher, Finanzierungen zu stemmen», erzählt Arni. Falls die Konjunktur jedoch komplett dreht, dürfte es schwieriger werden. «Dann sehen wir zwei bis drei Jahre deutlich weniger neue Startups in der Schweiz», so seine Warnung.