Wie würden Sie das vergangene M&A-Jahr in der Schweiz umschreiben?
Hanspeter Gehrer*: Dank der positiven Wirtschaftsentwicklung ist das Investorenvertrauen zurückgekehrt, sodass auch die M&A-Aktivitäten 2017 wieder ein normales Level erreichten. Das ist nicht selbstverständlich. Erst vor drei Jahren kam es mit der Aufhebung der Euro-Untergrenze zum Frankenschock, der zu einer Verunsicherung bei Investoren und Unternehmen geführt hat. Da man nicht wusste, wie sich die Umsätze und die Margen entwickeln werden, wurden weniger Deals abgeschlossen. Im folgenden Jahr ist es zu einer Normalisierung gekommen. Die aufgeschobenen Investitionen wurden 2016 abgebaut. So gesehen war 2017, was das Volumen und die Zahl der Transaktionen betrifft, ein normales Jahr.

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Inwieweit unterscheidet sich die globale Entwicklung von jener in der Schweiz?
Die globalen M&A-Volumina und die Zahl der Transaktionen sind 2017 leicht zurückgegangen. Doch das Bild unterscheidet sich stark von Land zu Land. In Deutschland beispielsweise wurde das grösste Transaktionsvolumen seit 2013 verzeichnet. Der Schweizer Markt ist sehr heterogen, es gibt einige grosskapitalisierte Firmen, sehr viele kleinere und mittelgrosse Privatunternehmen und keine dominierenden Industrien. Entsprechend lässt sich kaum eine allgemeingültige Aussage machen. In der Schweiz ist jedes Jahr durch einzelne Ereignisse geprägt.

Welche Trends bestimmen den Markt?
Es gibt Treiber, die den Markt schon heute beeinflussen und auch in Zukunft prägen werden. So zum Beispiel die Digitalisierung, die sehr schnell voranschreitet und sämtliche Industrien betrifft. Da die Zeit drängt, werden die Unternehmen lieber Zukäufe tätigen, als selber Innovationen auszutüfteln. Es zeichnet sich ab, dass innovative Firmen, welche die Digitalisierung voranbringen, neue Technologien entwickeln oder im Bereich der künstlichen Intelligenz tätig sind, zukünftig vermehrt akquiriert werden.

Wie ist die Schweiz hier aufgestellt?
Grundsätzlich sehr gut. Das Land zählt zu den führenden Ländern, was innovative Technologien betrifft. Dies hängt einerseits mit den etablierten Unternehmen zusammen, die viel Geld in Forschung und Entwicklung investieren. Anderseits verfügen wir über exzellent ausgebildete Arbeitskräfte, nicht zuletzt wegen der sehr guten Bildungsstätten respektive Universitäten.

Wie attraktiv sind entsprechend Schweizer Unternehmen als Zielobjekte?
Es gibt in der Schweiz viele interessante Firmen aus den Bereichen Technologie, Robotik, Bio- und Medtech oder Fintech, alles Branchen, die verstärkt gesucht sein werden. Vor allem, nachdem die hiesigen Betriebe die Krise nach dem Frankenschock gut überstanden haben und über eine starke Marktposition verfügen. Hinzu kommen noch gewisse Standortvorteile. Und nicht zuletzt ist «Swiss Quality» weltweit nach wie vor ein angesehenes Qualitätsmerkmal.

Wie aktiv waren die Schweizer Unternehmen auf der anderen Seite mit Akquisitionen im Ausland?
Dies hängt von der Branche ab. Nach dem Frankenschock wurden aufgrund von Konsolidierungen oder relativen Standortvorteilen vermehrt Akquisitionen im Ausland getätigt. Dieser Trend hat inzwischen wieder nachgelassen.

Welches war für Sie das Highlight im M&A-Jahr 2017?
Das war klar Actelion. Diese Transaktion, die wir begleiten durften, gehörte zu den grössten weltweit. Sie hatte sich schon lange abgezeichnet. Am Ende gab es eine Lösung mit einer stattlichen Übernahmeprämie, von der die Aktionäre profitierten. Interessant war auch, dass der Spin-off Idorsia aus dem Deal hervorgegangen ist, was die Komplexität der Transaktion erhöhte. Dennoch hat alles ohne Zwischenfälle geklappt.

Und was war der Flop des Jahres?
Hier würde ich die gescheiterte Fusion von Clariant und Huntsman nennen. Das Ganze war für alle Beteiligten bisher eine unglückliche Story. Clariant wird seine Strategie revidieren müssen. Ich schliesse nicht aus, dass es trotzdem noch zu einer Fusion oder einer Übernahme kommt, vielleicht sogar mit Clariant als Käufer. Denn die Branche befindet sich in einer Konsolidierungsphase.

Auch andere angekündigte Deals (Unilever/ Kraft, T-mobile/Sprint) sind am Ende gescheitert. Worauf führen Sie dies zurück?
Das ist jeweils sehr fallspezifisch. Sehr oft sind es Corporate-Governance- oder Due-Diligence-Fragen, die vorgängig ungenügend geklärt wurden, unterschiedliche Preisvorstellungen oder Interventionen von Wettbewerbskommissionen, die zu einem Scheitern führen. Schon immer sind aber zahlreiche Transaktionen gescheitert, ohne dass die Öffentlichkeit davon Wind bekommen hat. Möglicherweise ist heute einfach die Visibilität bezüglich geplatzter Transaktionen höher.

Auffallend war, dass die chinesischen Investoren 2017 zurückhaltender waren als noch im Vorjahr. Ist die chinesische Einkaufslust bereits verflogen?
Die Situation in China ist paradox. Einerseits will der Staat, dass sich die Unternehmen globaler aufstellen und expandieren, und die Regierung unterstützt sie dabei. Parallel dazu läuft das Programm «Made in China». Dort geht es darum, Schlüsselbranchen wie Technologie, Healthcare oder Aerospace im Land zu fördern und Know-how zu importieren. Anderseits haben gewisse Akteure in der Vergangenheit bezüglich Auslandinvestitionen etwas über die Stränge geschlagen. HNA ist hier das bekannteste Beispiel. Der Käufer von Gategroup, SR Technics und Swissport muss bereits wieder gewisse Assets verkaufen. Das ist einer der Gründe, weshalb die chinesische Regierung heute verstärkt die Kapitalflüsse ins Ausland kontrolliert. Das hat dazu geführt, dass chinesische Investoren zwangsläufig konservativer wurden.

Auch sind chinesische Investoren nicht überall willkommen...
Wir beobachten einen verstärkten Trend zum Protektionismus. In Deutschland beispielsweise werden chinesische Akquisitionen sehr genau verfolgt. Es gibt Vorstösse, dass Nicht-EU-Akqiusitionen mit einer gewissen strategischen Bedeutung zumindest der Regierung gemeldet werden müssen. In der Schweiz soll es ähnliche Bestrebungen geben.

Was halten Sie davon?
Die Schweiz sollte keine Präferenzen haben, wer welche Übernahmen tätigt oder Fusionen eingeht. Ich bin aber generell der Auffassung, dass es Objekte gibt, bei denen es prüfenswert ist, ob diese in fremde Hände gelangen sollten oder nicht.

Woran denken Sie?
Beispielsweise an die Energiebranche, die Rüstungsindustrie oder Industrien, die über schützenswerte Daten verfügen.

Wie wirkt sich der verschärfte Protektionismus, vor allem in den USA, auf die M&A-Aktivitäten aus?
Generell bremst jeder Protektionismus die M&A-Aktivitäten. Die USA versuchen derzeit vor allem die lokale Wirtschaft zu stützen. Das hindert US-Firmen aber nicht daran, im Ausland zu akquirieren. Die Steuerreform, die jüngst beschlossen wurde, dürfte sich zudem positiv auf die amerikanische Wirtschaft auswirken und die M&A-Aktivitäten eher ankurbeln.

Bereits heute vermelden die weltweit führenden Volkswirtschaften einen robusten Aufschwung.
Derzeit ist global ein harmonisches Wachstum zu beobachten – sei dies in den USA, Europa oder Asien. In den wichtigsten Ländern sind die Zinsen relativ tief, es gibt kaum Inflation oder Lohndruck, die Umsätze der Firmen steigen mit erfreulichen Gewinnmargen. Das aktuelle Umfeld begünstigt für M&A-Transaktionen.

Die langfristigen Zinsen allerdings steigen wieder, angeführt von den USA.
Tendenziell werden die Zinsen weltweit wieder ansteigen. Ich erwarte 2018 noch zwei weitere moderate Zinserhöhungen in den USA. Auf der anderen Seite besteht weiterhin ein Anlagenotstand: Die Cash-Bestände in den Bilanzen sind hoch, und zwar nicht nur bei den Unternehmen, sondern auch bei Private-Equity-Investoren. Entsprechend werden wir weiterhin einen Kampf um attraktive Übernahmeobjekte sehen. Dies wird die Preise weiter in die Höhe treiben, was die M&A-Aktivitäten dämpfen könnte.

Sind Börsengänge eine Alternative?
Dies ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Die meisten Verkaufsprozesse in der Schweiz wurden in den letzten Jahren ohnehin zweigleisig geführt: Es wurde sowohl ein IPO als auch ein Verkauf vorbereitet. Voraussetzung für einen solchen «Dual track»-Verkaufsprozess ist natürlich die grundsätzliche Bereitschaft der Eigentümer, das entsprechende Unternehmen gesamthaft zu verkaufen.

Welche Erwartungen haben Sie an das M&A-Jahr 2018?
Wenn es zu keinen geopolitischen Erschütterungen oder zu Zinsschocks kommt, dürften wir nochmals ein sehr gutes M&A-Jahr haben. Dies gilt übrigens auch für Börsengänge.

Diesbezüglich war 2017 hierzulande nicht allzu viel los.
Das würde ich nicht sagen, der Trend zeigt eher wieder nach oben. Somit haben sich jüngst attraktive Firmen wie Galenica Santé, Landis+Gyr, Idorsia und Zur Rose dem Publikum geöffnet.

Wie sieht die IPO-Pipeline für 2018 aus?
Ich erwarte zwischen fünf und sieben Börsengänge an der SIX. Wir wissen von vier Unternehmen, die 2018 an die Börse gehen werden. Zudem gibt es immer wieder Überraschungskandidaten.

*Hanspeter Gehrer ist Leiter Corporate Finance bei der Bank Vontobel. In seiner Funktion betreut er Unternehmen bei einem Börsengang.