08.00 Uhr Bei seiner Ankunft im Büro überprüft Pierre Delaly, Manager des Infology Fund von Lombard Odier, gewohnheitsmässig die Kursentwicklung der Titel in seinem Portfolio. Mit einem verwalteten Vermögen von vier Milliarden Schweizerfranken ist der Infology Fund einer der grössten Informationstechnologiefonds in Europa. Es kann vorkommen, dass eine Unternehmenspräsentation Delalys Tag eröffnet, wie das heute der Fall ist, denn ein amerikanisches Unternehmen hat zu einer Information eingeladen. Grund ist eine Neuemission von Aktien nach der Bekanntgabe der Geschäftsergebnisse. Das Interesse von Pierre ist geweckt. In seinen Augen könnte es sich trotz der Komplexität von Datenspeichernetzen, dem Tätigkeitsbereich des Unternehmens, um eine interessante Anlage handeln. Trotzdem zögert er, denn das Management des Unternehmens vermag ihn nicht vollständig zu überzeugen.

09.00 Uhr Nach der Präsentation überquert er die Rhone und eilt in sein geräumiges Büro mit Cheminée zurück. Noch bevor er sich setzt, stellt er fest, dass der Wert des von ihm verwalteten Fonds erneut abgesackt ist. Jetzt sind es schon 23 Prozent seit Anfang September und 8 Prozent seit Anfang Jahr. «Auch solche Tage gibt es! Aber wir halten an unserem Ziel fest, den Benchmark von Goldman Sachs zu schlagen.» Kurzfristig gesehen ist Delaly übrigens nicht sehr optimistisch. Seiner Meinung nach muss die Branche erst die Kurskorrekturen verdauen. «Schon möglich, dass der Nasdaq noch etwas fällt, aber ich nehme an, dass er sich dann schnell erholen wird. Noch immer sind die führenden Unternehmen, gemessen an den Gewinnerwartungen, teuer. Auf jeden Fall gestaltet sich die Branche auf Grund der hohen Volatilität recht schwierig. Zudem schiessen überall neue Unternehmen wie Pilze aus dem Boden.»

10.00 Uhr Kaum hat er die rund 100 E-Mails, die täglich bei ihm eingehen und seine Hauptinformationsquelle darstellen, gelesen, klingelt schon das Telefon: Die Hotelreservation in Tokio für seine nächste Reise nach Asien wird bestätigt. Da er den asiatischen Markt noch nicht besonders gut abdeckt, möchte sich Delaly anlässlich eines Besuches mehrerer Unternehmen ein Bild über deren Potenzial machen. Ein Manager eines Fonds dieser Grösse ist ständig unterwegs. Allein in den nächsten Wochen werden ihn seine Reisen nach Boston, Sevilla, Hongkong, Taipei, Tokio und schliesslich nach Frankfurt führen. «Ach, hier ist endlich die Mail, auf die ich gewartet habe.» Es ist die Bestätigung für die Eröffnung eines Swiss House Advance Research, eines helvetischen Wissenszentrums in Boston, an dessen Finanzierung sich auch Lombard Odier beteiligt. «Ich werde versuchen, auf dieser Reise auch verschiedene Unternehmen zu besuchen.» Zurück zu den Finanzanalysen. Ihn interessieren die Ergebnisse eines amerikanischen Informatikunternehmens, die zwar am Vortag angekündigt worden waren, zu denen aber noch keine Kommentare publiziert wurden. «New York schläft noch.»

11.45 Uhr Wie jeden Tag, heute allerdings etwas später, findet ein informelles Treffen der Analysten zur Besprechung ihrer Anlagestrategien statt. Einem jungen englischen Analysten, der erst seit einer Woche dabei ist, erklärt Delaly den Anlageprozess. Er beginnt bei den Anlagethemen (Kupfer, Kabel, TV, Glasfaser, drahtlos, Satelliten, Stromleitungen), erläutert dann die übergeordneten Tendenzen und schliesslich die Anwendung der so genannten S-Kurven-Methode. Bei dieser Methode werden in der Entwicklung eines Unternehmens drei Phasen unterschieden: Während einer ersten Phase ist die Marktdurchdringung des Unternehmens noch sehr schwach (15 Prozent des Infology-Fund-Vermögens). In einer zweiten Phase können die Unternehmen ihren Marktanteil dank starkem Wachstum steigern, wie das heute bei Nokia oder Cisco (35 Prozent) der Fall ist. Und schliesslich folgt eine dritte Phase, wie sie derzeit IBM erlebt, während deren ein bedeutender Cashflow generiert wird (50 Prozent). Dank der hohen Liquidität der Unternehmen in dieser dritten Phase kann die Volatilität des Fonds gedämpft werden.

13.00 Uhr Nach dem Meeting folgt das gemeinsame Mittagessen der Analysten. Für ein reichhaltiges Mahl bleibt bei dieser Gelegenheit keine Zeit. Offizielle Geschäftsessen sind vielmehr bei den Unternehmenspräsentationen angesagt, bei denen eigens nach Genf angereiste Firmenvertreter ihr Unternehmen den Analysten und Fondsmanagern vorstellen. Heute reicht es gerade für einen kleinen Salat und ein Mineralwasser. Eigentlich würde Pierre gern öfters entlang der Rhone joggen, nicht zuletzt um fit zu bleiben, doch reicht die Zeit einfach nie. Während der Mittagspause gehen die Gespräche über das rein Finanzielle hinaus; Sport und Ferien sind die bevorzugten Themen.

14.00 Uhr Wieder zurück in seinem Büro, startet Pierre sofort seinen Laptop und öffnet das kleine Fenster von CNBC, dem wichtigsten Finanzinformationssender der Welt. Er prüft die Futures, die noch vor Handelsbeginn an der Börse auf die Entwicklung des Nasdaq schliessen lassen. Sie sind leicht, aber nicht signifikant gestiegen. Weiter geht es zu den Empfangsräumen in dem auf der anderen Strassenseite gelegenen Teil der Bank. Zwei amerikanische Analysten präsentieren dort die von ihnen zum Verkauf angebotenen hoch spezialisierten Research-Ergebnisse über Branchen, die für den Fonds wichtig sein könnten. Pierre befragt die beiden über das am Vormittag vorgestellte Unternehmen, bevor der Analyst eine unheimlich fachspezifische Präsentation hält.

16.00 Uhr Dritte Präsentation des Tages, diesmal von einem Analysten, der in der Branche der Halbleiter den Ruf eines Stars geniesst. Solche Kontakte ermöglichen es Delaly, sich auch bezüglich dieses komplexen Sektors ständig auf dem neusten Stand zu halten. Sehr schnell kommt die Sprache auf Texas Instruments. Pierre ist der Ansicht, dass das Management Schwierigkeiten hat, «mich wundert es wirklich, dass dieses Unternehmen ein Lieblingskind der Wall Street ist, ich habe meine Position längst reduziert».

17.00 Uhr Wieder in seinem Büro, kontrolliert er wie jeden Tag die Faxeingänge mit den Angaben über Käufe und Verkäufe von Fondsanteilen. Beide halten sich etwa die Waage und belaufen sich auf rund 500 Millionen Franken: «Nichts Aussergewöhnliches.» Eine Anlageberaterin ruft an, um seine Meinung über die Branche zu erfahren und fragt ihn nach Empfehlungen für einzelne Titel. Sie nutzt die Gelegenheit auch gleich, um ein Treffen zwischen Delaly und ihrem Kunden, einem Grosskunden, der den Fondsmanager unbedingt kennen lernen will, zu vereinbaren.

18.00 Uhr Feierabend. Es war ein ruhiger Tag, denn entgegen ihren sonstigen Gewohnheiten haben ihn die Broker nicht mit Telefonanrufen bombardiert. Zudem haben, was eher selten ist, keine neuen Transaktionen stattgefunden. Bevor Pierre Delaly das Büro verlässt, lädt er noch schnell die neusten Finanzinformationen auf seinen Palm, damit er sie im Zug nach Lausanne in aller Ruhe lesen kann. Die letzte Möglichkeit für ihn, sich zu informieren, weil seine Verlobte ihm verboten hat, zu Hause über Finanzen zu sprechen.
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