Dem Land geht es so gut wie noch nie. Doch Russland hat ein grosses Problem: Es leidet an der «holländischen Krankheit». Sie wird diagnostiziert, wenn der Erfolg eines Landes auf einigen wenigen Rohstoffen basiert. Wie in Holland, das in den sechziger Jahren zu stark von den Erdgaspreisen abhing. Heute trifft dies auf Russland zu.

Tatsächlich verdankt dieses Land seinen gewaltigen Aufschwung seit dem Katastrophenjahr 1998, als das Land sich für bankrott erklärte, fast ausschliesslich seinen Reserven an Erdöl und Erdgas. Die Erdölpreise haben sich allein im neuen Jahrtausend vervierfacht. Beim Erdgas verfügt Russland in Europa faktisch sogar über ein Monopol. Der Preis für Erdgas folgt demjenigen für Erdöl mit einem halben Jahr Verzögerung.

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Krankhaft an dieser Situation ist, dass dank einer sprudelnden Geldquelle andere Wirtschaftsbereiche vernachlässigt werden. Zudem haben die Öl- und Gasexporte zu einer Aufwertung des Rubels geführt, was die Konkurrenzfähigkeit anderer Produkte auf den internationalen Märkten zusätzlich mindert.

Die holländische Krankheit zeigt sich auch auf Russlands Aktienmarkt. Hier dominiert der Rohstoffsektor klar. Das wichtigste russische Börsenbarometer für ausländische Investoren, der RTS Dollar Index, wird zu mehr als 15 Prozent von Gazprom dominiert, dem bekanntesten Konzern des Landes. Dessen einstiger VR-Präsident Dmitri Medwedew ist eben zum Nachfolger von Staatspräsident Wladimir Putin gewählt worden.

Gazprom ist in vielerlei Hinsicht typisch für die Wirtschaft und den Kapitalmarkt in Russland: Generell spielt hier die Musik bei sehr grossen Unternehmen, und generell ist bei diesen der Anteil des Staates sehr gross. Auch stehen sie kaum unter Wettbewerbsdruck. Viele haben eine Monopolposition – wie Gazprom in der europäischen Gasversorgung – oder eine dominierende Macht in ihren Märkten.

Für Investoren hat dies Vorteile: «Gazprom hat ihren Börsenwert innert bloss acht Jahren verdreissigfacht», schwärmt Günter Schwabl, Fondsmanager der Ersten Sparinvest. Die operative Marge dieses Unternehmens liegt bei 37 Prozent. Seit einem Jahr hat die Aktie um mehr als 30 Prozent zugelegt, während Investoren weltweit sonst meist Verluste beklagen.

Neben Gas und Öl – mit den Giganten Lukoil und Rosneft – spielt aber auch der Stahlsektor in Russland eine grosse Rolle. Im Unterschied zu Konkurrenten im Ausland müssen sich russische Stahlproduzenten keine Sorge um die Rohstoffversorgung machen: «Sie befinden sich im Land, und die Lieferanten sind vertikal in die Stahlunternehmen integriert», sagt Zina Psiola, Fondsmanagerin bei Clariden Leu. Ein unterentwickelter Wettbewerb sorgt zudem auch hier für ansehnliche Margen. Besonderer Beliebtheit unter Analysten erfreut sich in diesem Bereich Novatec. Das nur im Inland tätige Unternehmen ist weniger abhängig von der Weltkonjunktur und profitiert vom geplanten Ausbau der russischen Infrastruktur, insbesondere des Bahnwesens.

Interessant sind letztlich aber auch in Russland die Banken, allen voran die Sberbank. Auch hier profitieren diese vom Wachstum der Einkommen und von der deutlich ansteigenden Nachfrage nach
Finanzdienstleistungen.

Markus Diem Meier
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