Die Hoffnung stirbt zuletzt, heisst es oft – gerade an den Finanzmärkten. Entsprechend gehen derzeit viele Experten davon aus, dass auf die jüngsten negativen Nachrichten zur konjunkturellen Entwicklung in der Eurozone wieder bessere Zahlen folgen. Und tatsächlich konnte der steile Abwärtstrend im Einkaufsmanagerindex der Währungsunion im Juni endlich unterbrochen werden. Ausschlaggebend hierfür war die deutliche Aufhellung der Lage bei den Dienstleistern, die damit in einem Aufwasch die beiden Rückgänge im April und Mai wettmachen konnten.
Aber diese gute Nachricht war nicht ungetrübt: Die vorausschauende Erwartungskomponente hat sich nur leicht erholt, weshalb eine baldige Rückkehr zur euphorischen Stimmung vom Jahresbeginn im Dienstleistungsgewerbe nicht zu erwarten ist. Zudem – das ist entscheidend – setzte der Industrie-Einkaufsmanagerindex anders als die Service-Komponente in der Eurozone den steilen Abwärtstrend im Juni fort. Das EUR-Barometer sank dabei zum sechsten Mal in Folge und ist jetzt auf dem tiefsten Stand seit Dezember 2016.
Keine Besserung in Sicht
Leider ist nicht von einer raschen Besserung auszugehen. Unsere eigenen Frühindikatoren, die mittlerweile bis in die Jahresmitte 2019 blicken, geben keinen Hinweis darauf, dass die Abkühlung bald von der nächsten Aufschwungswelle abgelöst wird. Im Gegenteil: Der zyklische Tiefpunkt dürfte erst im 1. Halbjahr 2019 erreicht werden.
Auch die robuste US-Wirtschaft zeigt im neunten Aufschwungjahr erste Ermüdungserscheinungen. So wird die Bauwirtschaft vor allem von den gestiegenen Hypothekenzinsen gebremst. Im Vergleich zum zyklischen Tiefststand im Herbst 2016 sind beispielsweise die Zinsen für 30-jährige Hypotheken von 3,60 Prozent auf über 4,80 Prozent geklettert und haben damit einen 7-jährigen Höchststand erreicht. Neben den zinssensitiven Wohnbauinvestitionen rechnen wir in den kommenden Quartalen auch bei den Unternehmensinvestitionen mit einem nachlassenden Schwung.
Wie unsere weit vorauslaufenden Frühindikatoren für die USA zeigen, werden die markant gestiegenen Zinsen nicht nur die Nachfrage nach Wohnhäusern, sondern auch die Nachfrage der Unternehmen nach Kapitalgütern immer mehr bremsen. Hat sich doch die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen seit ihrem historischen Tiefstand im Sommer 2016 inzwischen verdoppelt. Und bei 2-jährigen US-Treasuries ist die Rendite sogar um den Faktor 5 gestiegen.
Folgen eines möglichen Handelskriegs
Deshalb dürfte sich der Investitionsaufschwung, der noch der wichtigste Treiber der US-Wirtschaft ist, in den kommenden Quartalen schrittweise abschwächen. Entsprechend sollte auch die BIP-Wachstumsrate, die im 2. Quartal über 4,0 Prozent gestiegen sein dürfte, wieder nachgeben.
Noch nicht eingepreist sind hier die Folgen einer möglichen Eskalation des Handelskrieges. Der Ton zwischen Washington, Peking und Brüssel bleibt aggressiv – die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft sind nicht abzuschätzen. Und die politischen Störfeuer aus Italien lassen zumindest die Finanzmärkte in der Eurozone immer wieder zusammenzucken.
Sichere Häfen ansteuern
Was ist zu tun? Anstatt angesichts dieser unkalkulierbaren Risiken in Schockstarre zu verfallen, sollten Anleger nüchtern die Chancen und Risiken an den Finanzmärkten abwägen. Wegen der global abflauenden Konjunkturdynamik sind die gegenwärtigen Bewertungen der Aktien- und Corporate-Bond-Märkte unverändert zu hoch und dürften schon bald spürbar fallen. Zweistellige Kursverluste wären dann keine Überraschung – wegen der Abhängigkeit des Schweizer Aktienmarktes von DAX und Eurostoxx50 auch beim SMI.
Von dem konjunkturellen Gegenwind sollten die sicheren Häfen profitieren. Zwar sind Schweizer Eidgenossen und deutsche Bundesanleihen langer Laufzeiten mit ihren tiefen Coupons keine Schnäppchen, aber ihre grosse Knappheit im Verbund mit den schwächeren Konjunkturaussichten rechtfertigt noch höhere Kurse. Damit sind sie eine gute Absicherung in einem diversifizierten Portfolio.
*Harald Preissler ist Chefanlagestratege der Bantleon Bank AG, Zug