BILANZ: Herr Reithofer, BMW wirbt mit «Freude am Fahren». Wie viel Freude wird das Fahren noch machen, wenn unter der Haube ein Elektroantrieb summt?

Norbert Reithofer: Sie können sicher sein, dass auch ein BMW mit Elektroantrieb Freude am Fahren bieten wird. Doch wir werden noch eine Weile mit Verbrennungsmotoren fahren.

Benzin und Diesel? Wie lange noch?

Sicher mindestens noch 15, 20 Jahre.

Dann ist der Spass zu Ende?

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Sicher nicht. Bei BMW haben wir mit unserem Programm Efficient Dynamics erreicht, dass unsere Fahrzeuge sparsamer und zugleich leistungsfähiger als die unserer Wettbewerber sind. Der Mini E zeigt bereits heute, dass auch das Fahren mit Elektroantrieb viel Spass machen kann. Er erfüllt die typischen Markenwerte des Mini: dynamisches, Gokart-ähnliches Fahrverhalten.

Auch wenn die Motoren der Zukunft wie eine Nähmaschine klingen?

Wir sind gerade dabei, für das Thema eine Lösung zu suchen. Das beschäftigt auch andere, nicht nur BMW.

Sie treiben BMW in Richtung Umweltschutz und haben das Formel-1-Engagement beendet. Gefährden Sie damit nicht den Kern Ihrer Marke – Sportlichkeit und Dynamik?

Nein, wir werden auch in Zukunft wie kein anderer Hersteller für Freude am Fahren stehen. Zugleich steht die Marke BMW jedoch dank Efficient Dynamics auch für Effizienz, unsere Kunden können also Dynamik weiterhin mit einem guten Gewissen geniessen. Wir haben die Markenwerte erweitert, denn Premium wird künftig immer stärker über Nachhaltigkeit definiert.

Weil vor allem jüngere Leute das Auto zunehmend als
reines Fortbewegungsmittel betrachten und die Rolle als Statussymbol an Bedeutung verliert?

Premiumfahrzeuge werden auch in Zukunft gefragt sein, aber zu veränderten Bedingungen. Das ist ein Punkt, über den wir uns Gedanken machen. Die Marke BMW steht nicht mehr ausschliesslich für Dynamik. Damit ist sie auch für neue Kunden offen. Wir sind hier bereits auf einem guten Weg. So wurde die BMW Group 2009 im fünften aufeinanderfolgenden Jahr im Dow Jones Sustainability Index zum nachhaltigsten Automobilhersteller der Welt gekürt.

Ist das nicht eine Gefahr für Sie als Premiumhersteller, der mit grossen Autos die grössten Gewinnmargen einfährt?

Premium ist nicht von der Grösse abhängig, wie wir mit dem Mini gezeigt haben, mit dem wir auch gutes Geld verdienen. Der Konzern will zudem zukünftig nicht nur in den kleineren, sondern auch in den grösseren Fahrzeugklassen weiterwachsen.

Die automobile Zukunft trägt bei BMW den Namen «Project i». Wie sieht Ihre Vision aus?

Wir wollen vor dem Jahr 2015 ein von Grund auf neu konstruiertes Fahrzeug auf den Markt bringen. Es wird deutlich leichter als herkömmliche Fahrzeuge sein und Nachhaltigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette sicherstellen.

Sie sprechen Ihr Megacity Vehicle an. Wie wird es aussehen?

Ein rein elektrisch betriebenes Fahrzeug mit Lithium-Ionen-Batterien als Energiespeicher. Dabei wird in bislang nicht gekanntem Mass kohlefaserverstärkter Kunststoff eingesetzt.

Aber wird die Optik an ein Auto erinnern?

Keine Sorge, es wird Ihnen gefallen.

Was ist dran an den Spekulationen, dass Sie eine weitere Marke unterhalb der Kernmarke BMW gründen wollen?

Wir haben ja eine Submarke von BMW, die heisst M. Die steht genau für das Attribut, das wir diskutiert haben: sehr sportliche Fahrzeuge. Das Megacity Vehicle werden wir ebenfalls unter einer Submarke von BMW anbieten. Diese neue Submarke steht für Fahrzeuge, die mit elektrischem Antrieb fahren und den Aspekt der Nachhaltigkeit betonen.

Gibt es schon einen Namen für diese Submarke?

Nein, den haben wir noch nicht.

Wäre umgekehrt ein BMW M3 mit Elektromotor vorstellbar?

Wir hatten am Autosalon Genf einen M3 mit automatischer Start-Stopp-Funktion stehen. Aber rein elektrisch, das sehe ich nicht. Vielleicht könnte es künftig einen M3 geben, der einen Elektromotor zur Unterstützung der Beschleunigung hat.

Ihr bayrischer Wettbewerber Audi hat als Ziel ausgegeben, BMW zu überholen. Lassen Sie sich überholen?

Wir sehen das gelassen und haben auch nicht vor, uns überholen zu lassen! Wie sehen die Fakten aus? Wir gehen davon aus, dass wir im Jahr 2012 weltweit 1,6 Millionen Autos verkaufen.

Audi hat in Genf den neuen kleinen A1 vorgestellt. Der könnte Ihrem Mini viel Volumen abgraben.

Wir haben mit Mini im Jahr 2001 das erste Premiumangebot im Kleinwagensegment etabliert. Seither ist der Mini sehr erfolgreich, im vergangenen Jahr haben wir über 200 000 Fahrzeuge verkauft. Nun bringen wir den neuen Mini Countryman auf den Markt, einen Crossover mit vier Türen. Damit sind wir aber noch nicht am Ende mit unseren Ideen. Wir haben ja bereits zwei Concept Cars gezeigt, ein zweisitziges Coupé und einen zweisitzigen Roadster. Und auch die werden nicht die letzten Modellvarianten sein. Mini bleibt also auf der Erfolgsspur. Deshalb ist es wenig verwunderlich, dass andere versuchen, nachzuziehen.

Der neue 5er steht vor der Tür, der bringt BMW gut die Hälfte des Deckungsbeitrags. Ein Schicksalsmodell?

Richtig ist, dass der neue BMW 5er für uns ein sehr wichtiges und volumenstarkes Modell ist und überproportional zum Deckungsbeitrag unseres Portfolios beiträgt. Er ist der schönste und beste 5er, den wir je gebaut haben, der Auftragseingang ist hervorragend.

Skaleneffekte werden immer wichtiger. BMW kommt nicht auf Stückzahlen wie VW oder Fiat. Sie behelfen sich mit Kooperationen, etwa mit Peugeot. Funktioniert das partnerschaftlich?

Ja, wir sind mit der Kooperation sehr zufrieden. Kürzlich haben wir beschlossen, den gemeinsamen Motor weiterzuentwickeln.

Der Motor arbeitet im Mini. Aber würden Kunden im 5er oder 7er einen Motor akzeptieren, der nicht aus München kommt?

Das steht gar nicht zur Debatte. Man muss wissen: Der angesprochene Motor wurde von uns entwickelt. Was wir zusammen machen, ist die mechanische Fertigung, und wir kaufen gemeinsam Teile ein. Die Montage machen wir getrennt. Das ist für mich ein Musterbeispiel einer gelungenen Kooperation. Die Frage, ob die BMW Group allein gross genug ist, wird mir übrigens immer wieder gestellt.

Auch heute. Und was antworten Sie?

Eindeutig ja. Natürlich werden wir auch in Zukunft auf Kooperationen setzen, um Skaleneffekte zu heben. Grösse allein ist aber kein Erfolgsgarant, das hat sich gerade in den vergangenen Monaten und Jahren gezeigt.

Sie sprechen von Toyota und General Motors?

Grösse heisst auch grössere Komplexität, da kommt man irgendwann an eine Grenze.

Muss man nicht möglichst gross sein, um genügend Economies of Scale zu haben?

Zukünftig werden wir das Baukastensystem stärker über alle Modellreihen hinweg nutzen und auch dadurch Skaleneffekte erzielen. Eberhard von Kuenheim …

… der langjährige, legendäre BMW-Chef …

… ist schon vor 20 Jahren gefragt worden: Ist BMW die nächsten fünf Jahre allein überlebensfähig? Und seine Antwort war: Selbstverständlich! Wie gesagt, das ist jetzt 20 Jahre her.

Und gilt für Sie weiterhin?

Ja. Bei vielen Standardteilen für Autos gibt es mittlerweile Industriebaukästen, auf die mehrere Hersteller zurückgreifen. Auch über diese kann man, für nicht markenprägende Komponenten, Synergien erschliessen. Und eines dürfen Sie nicht vergessen: Unser Baukasten für den neuen 3er und den 1er ist der zweitgrösste in Europa. Wir sprechen dabei von einem Einkaufsvolumen über den ganzen Lebenszyklus einer Autogeneration hinweg – also etwa sieben Jahre – von hundert Milliarden Euro!

Das klingt umfangreich.

Sie sehen, wir sind auch hier in einer sehr guten Position, um Economies of Scale zu erzielen. Noch etwas zum Thema Baukästen: Unsere Modelle 5er, 5er Touring, 5er GT, 6er und 7er basieren auf einem Premiumbaukasten. Und im Gegensatz zum einen oder anderen Wettbewerber …

… das müsste Audi sein …

… der immer mehr Teile von seiner massenproduzierenden Konzernmutter einsetzt, findet so etwas bei unserem Baukasten nicht statt. Wir legen nach wie vor Wert auf einen hohen Individualisierungsgrad unserer Modelle und sind überzeugt, dass das ein wesentliches Merkmal für Premium ist.

BMW hat mit der Familie Quandt einen stabilen Grossaktionär. Schafft das im Unternehmen eine spezielle Kultur?

Dieser Grossaktionär gibt uns die Möglichkeit, nicht nur in Quartalen, sondern langfristig zu denken, was der Zukunftsentwicklung von BMW zugute kommt.

Nach Joachim Milberg sind Sie der zweite CEO, der aus der Produktion kommt. Bei anderen Autobauern werden Produktionsleute selten CEO. BMW macht damit gute Erfahrungen.

Ja, das scheint so zu sein (lacht).

Warum bei BMW?

Über die Bestellung zum Vorstand entscheidet der Aufsichtsrat – das vorweg. Was man in der Produktion insbesondere lernt, ist der Umgang mit Menschen. Ich war 34 Jahre alt, da hatte ich 2300 Mitarbeiter im Karosseriebau. Später bekommen Sie ein Werk anvertraut, da tragen Sie viel Verantwortung und müssen die unterschiedlichsten Menschen überzeugen, dass der Weg richtig ist, den Sie einschlagen wollen. Das ist vor allem wichtig, wenn man einen Konzern voranbringen und verändern will.

Wie mit dem Rückzug aus der Formel 1.

Ja. Ich war übrigens nicht der Erste, der das gemacht hat. Eberhard von Kuenheim hat diesen Schritt auch schon einmal getan.

Sauber und BMW haben sich im Unfrieden getrennt. Was ist da schiefgelaufen?

Von einer Trennung im Unfrieden kann gar keine Rede sein. Unseren Ausstieg aus der Formel 1 haben wir zusammen mit Peter Sauber partnerschaftlich und zu fairen Bedingungen vollzogen.

War es im Nachhinein falsch, in die Formel 1 zu gehen?

Nein, zum damaligen Zeitpunkt war es richtig einzusteigen. Und jetzt war es wiederum richtig, dass wir uns verabschiedet haben. Wobei wir ja nicht mit dem Motorsport aufhören. Sondern wir wollen seriennäheren Motorsport betreiben.

Also Tourenwagen-Rennen.

Genaues haben wir noch nicht festgelegt.

Seit Herbst 2006 ist Norbert Reithofer (53) Chef des BMW-Konzerns. Zuvor leitete er sechs Jahre lang das Ressort Produktion, davor das US-Werk in Spartanburg, South Carolina. 1987 war er als Leiter der Instandhaltung eingestiegen. Der Diplom-Ingenieur studierte an der TU München und war dort drei Jahre lang Mitarbeiter von Professor Joachim Milberg, seinem Vorvorgänger als BMW-Chef.

Dirk Ruschmann
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