Erpressung ist das richtige Wort. Es wird von vielen in den Mund genommen, damit zitieren lassen will sich aber keiner. Zu brisant ist der Konflikt. EU-Kommissions-Präsident Jean-Claude Juncker hat die Anerkennung der Schweizer Börse mit den Fortschritten im Rahmenabkommen verknüpft. Am 21. Dezember läuft diese Börsenäquivalenz aus. Wird die Schweizer Börse von der EU nicht als gleichwertig anerkannt, dürfen europäische Wertpapierhändler Aktien nicht mehr an Schweizer Börsen handeln.

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Theoretisch lösen sich vor allem bei der SIX dann substanzielle Teile der Handelsumsätze von jährlich rund 1000 Milliarden Franken auf. Beim bedeutendsten Schweizer Börsenbetreiber entfällt der grösste Teil der Handelsumsätze auf Blue Chips. Über die Hälfte der Aufträge für diese grosskapitalisierten Werte stammt aus der Europäischen Union, wiederum mehr als die Hälfte davon aus Grossbritannien.

Ueli Maurer warnt vor drastischem Einbruch

Schweizer Politiker wie Ueli Maurer malen den Teufel an die Wand. Er warnt bei einem Verlust der Börsenäquivalenz vor einem Einbruch des Handelsvolumens von 70 bis 80 Prozent und einer Gefährdung der Existenz. «Wenn ich SIX-Chef wäre, wäre mir schon etwas mulmig zumute. Aber von einer Existenzgefährdung ist man weit weg», sagt Richard Meier, Uni-Dozent und ehemaliger Chef der Zürcher Börse. Tatsächlich ist die SIX Group breit diversifiziert. Die Swiss Exchange sorgt für rund zehn Prozent des Betriebsertrages.

Beim Börsenbetreiber gibt man sich auch erstaunlich ruhig. Für nach aussen getragene Gelassenheit sorgt der sogenannte Plan B. Dieser Schutzplan wird aktiviert, falls die Börsenäquivalenz nicht verlängert wird. Die Schweiz führt dann für ausländische Börsen, die Schweizer Aktien handeln wollen, eine Anerkennungspflicht ein. Die europäischen Handelsplätze würden sie als Retourkutsche nicht erhalten.

Six

SIX-Chef Jos Dijsselhof: Er vertraut auf den Plan B des Bundesrats.

Quelle: Keystone .

Der Handel mit Schweizer Aktien wäre in der EU dann verboten. Da in der Folge kein signifikanter Handel mit Schweizer Titeln mehr stattfände, wäre keine Börsenäquivalenz mehr notwendig. Der Weg über die Schweizer Börse wäre für europäische Wertpapierhändler wieder frei.

Verlagerung in die Schweiz

Geht es nach der SIX, könnte der Schutzplan sogar zu einer Verlagerung von Handelsvolumen in die Schweiz führen. «30 Prozent der Schweizer Blue Chips werden heute im Ausland gehandelt. Ein Teil davon könnte sich theoretisch auf unsere Plattform verschieben», sagt SIX-Sprecher Julian Chan.

Offiziell tritt die Schutzmassnahme am 1. Dezember in Kraft. Lichten sich die Wolken am Verhandlungstisch, könne sich der Start laut Insidern aber um zwei, drei Wochen verzögern.

Dem Schutzplan liegt die Hoffnung zugrunde, dass sich die EU gegen die Schweizer Abwehrmassnahme nicht mit einer Verordnung oder Richtlinie wehrt. Laut Experten ist die Hoffnung berechtigt. Eine Anpassung der europäischen Finanzmarktverordnung MiFIR gilt als viel zu aufwendig.

Erich Gerbl
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