Ein Presswerk für die Blechteile, das in der Autoindustrie zu den modernsten überhaupt gehört, und zwei Fertigungsstrassen – diese bilden das Werk Mlada Boleslav, zirka 70 Kilometer nordöstlich von Tschechiens Hauptstadt Prag. Neben dem Werksgelände, durch eine Strasse getrennt, liegt ein schmuckloses Bürogebäude, das die Arbeiter nur «Pentagon» nennen: Weil hier die Chefs sitzen; fünfeckig ist allerdings gar nichts. CEO Bernhard Maier, sein Kommunikationschef und seine Assistentin sind alle Deutsche – insofern wird hier auf der Teppichetage viel Deutsch gesprochen.

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BILANZ: Herr Maier, Skoda hat in der Schweiz im ersten Halbjahr 1077 grosse Superb verkauft, plus 6119 Octavia – VW im selben Zeitraum nur 2176 Passat. Wie beliebt sind Sie in Wolfsburg?
Bernhard Maier*: Ich denke, die Marke hat in den letzten Jahren eine enorme Entwicklung genommen. Wir hatten ja gerade die Feier zum 25-Jahr-Jubiläum der Übernahme durch Volkswagen. Neben den Spitzen der tschechischen Regierung waren auch der CEO der Volkswagen AG, Matthias Müller, und der Aufsichtsratschef des Konzerns, Hans Dieter Pötsch, zugegen. Der Erfolg jeder einzelnen Marke ist Teil des Konzernerfolgs. Deshalb profitieren alle – und gemeinsam sind wir stärker.

Aber Sie nehmen der Kernmarke schon Marktanteile weg.
Das sehe ich differenzierter. Über die letzten Jahre ist Volkswagen auf den Weltmärkten kontinuierlich gewachsen, und auch Skoda hat zugelegt – in Summe sind beide Marken gewachsen. Dass es an einigen Stellen Überschneidungen gibt, ist das Wesen eines Mehrmarkenkonzerns.

Konkurrenzprodukte aus dem eigenen Haus.
Es gibt immer Zu- und Abwanderungen, die Anzahl ist aber gering – und uns ist es zweifelsfrei lieber, wenn ein abwandernder Kunde bei einer unserer anderen Konzernmarken fündig wird. Das Thema der internen Substitution wird von aussen überbewertet. Wir wollen als Konzern für uns gesamthaft Marktanteile gewinnen. Sehen Sie es so: Wenn Sie zwölf Kinder haben, dann würden Sie niemals auf die Idee kommen, sechs künstlich unter Wasser zu drücken, damit die anderen schwimmen können.

Das heisst?
Jede einzelne Marke muss zum Erfolg beitragen.

Der Einstiegspreis für den Superb-Kombi liegt bei knapp 30'000 Franken, für den Passat-Kombi bei 32'250. Als Resultat der Erfolge kann Skoda es sich leisten, preislich nahe an den Passat zu rücken.
Sagen wir mal so: Skoda bewegt sich sicher in sehr preissensitiven Regionen. Und rund zehn Prozent Preisabstand würde ich schon als substanziell beschreiben. Zudem ist die Positionierung unserer Marke bei den Zielgruppen unterschiedlich.

Ist es nicht immer Value for Money?
Unsere Markenwerte sind seit jeher von Rationalität geprägt – im Vordergrund stehen ein überlegenes Raumangebot, Funktionalität und ein überzeugendes Preis-Wert-Verhältnis. Und mit vielen cleveren Ideen immer wieder zu überraschen. Hinzu kommt jetzt noch ein verstärkter Fokus auf das Thema Emotionalität. Bei einem Auto gehts immer mehr um die Frage, ob und wie das Produkt gefällt.

Apropos Emotionalität: Mit dem Kodiaq bringt Skoda jetzt einen SUV. Aber wäre auch ein Spassmobil vorstellbar, ein Sportwagen oder Cabrio?
Wir haben heute mit sechs Modellreihen eine sehr gute, breite Modellpalette; der Kodiaq wird die siebte. Beim Ausbau unserer Modellpalette geht es zunächst um die wesentlichen Segmente, die wir abdecken wollen. Da stehen die SUVs in erster Reihe. Aber natürlich gibt es viele weitere Ideen.

Was heisst das konkret?
Zunächst konzentrieren wir uns auf die technologischen Umwälzungen in unserer Branche. Das Automobil und die individuelle Mobilität werden sich in den kommenden Jahren wesentlich verändern.

Sie meinen autonomes Fahren und die unterschiedlichen Antriebstechnologien.
Ja. Aber klar ist auch: Wir wollen wachsen. Und wir wollen das Wachstum auch beherrschen, also nachhaltig und profitabel bleiben. Und mit dem neuen Kodiaq starten wir eine SUV-Offensive, die es in sich hat. Da kommen Schlag auf Schlag jedes Jahr im Schnitt zwei neue Autos.

Auch ein Imageträger, wie ihn etwa Opel baut mit der Neuauflage des legendären GT?
Wir haben einen Imageträger, das ist der Octavia mit allen typischen Skoda-Qualitäten. Das ist das Herz der Marke. Der wird jetzt gekrönt durch den Superb, der sich hervorragend verkauft. Und dank der Rückmeldungen auf unsere Studie Vision S sind wir sicher, dass der Kodiaq an diesen Erfolg nahtlos anschliessen wird. Und dann ...

... kommt etwas Neues?
Wir schauen uns genau an, wie sich das Thema «individuelle Mobilität» verändert, welche Technologien wann von unseren Kunden angenommen werden – das wird die Entwicklung zukünftiger Modelle definieren. Klar ist, dass auch Skoda die Elektromobilität vorantreiben wird.

Wie lange wird die Umstellung dauern?
Unsere Glaskugel ist ja auch nicht grösser als die der anderen. Wenn man den Experten glauben darf, dann wird 2025 jedes vierte Auto mit E-Motor vom Band laufen. Wir teilen diese Einschätzung – und weisen zugleich darauf hin, dass dann 75 Prozent noch immer konventionell angetrieben sind. Dann haben wir eine bipolare Welt. In den Megacities wird elektrifiziert, in ländlichen Gegenden wird der Verbrennungsmotor noch lange leben. In der Übergangszeit setzen wir zudem auf Plug-in-Hybride.

Was ist der Antrieb der Zukunft?
Auf Basis der heute verfügbaren Technologien und infrastrukturellen Voraussetzungen glaube ich, die Elektromobilität wird der Primärantrieb sein.

Sie haben für 2019 einen Hybrid-Superb angekündigt, für 2020 einen reinen Stromer. Der Elektromotor wird sicher in ein kleineres Fahrzeug verbaut – vielleicht in den Fabia?
Der Skoda Superb wird 2019 mit Plug-in-Hybrid-Technologie kommen. Kurz darauf ein reines Elektrofahrzeug. Mit Details dazu halten wir uns noch ein bisschen zurück. Wir reden erst dann, wenn die Projekte reif für den Einsatz sind.

Wann nehmen Sie denn nun den Markteintritt in den USA in Angriff?
Ein Unternehmen wie Skoda kann einen Markt, der für 25 Prozent des Volumens und 30 Prozent der Profite steht, nicht ausblenden. Deshalb prüfen wir im Rahmen unserer Strategie 2025 auch einen Einsatz in Nordamerika. Wohlgemerkt: Wir prüfen – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Sie haben dort kürzlich die Namen Ihrer Fahrzeugmodelle schützen lassen.
Wir hatten schlicht festgestellt, dass wir nicht überall auf der Welt unsere Produktnamen geschützt hatten, und haben dies nachgeholt. Das ist irgendwem aufgefallen, und so entstanden Spekulationen. Aber selbst wenn wir für Nordamerika etwas beschliessen würden: Den Fuss in einen solchen Riesenmarkt zu setzen, wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Das lässt sich nicht innert eines Jahres bewerkstelligen.

Skoda hat 2015 mehr als 1,05 Millionen Autos verkauft. Zufrieden?
Na ja, «zufrieden» hört sich für mich im beruflichen Umfeld eher passiv an.

Eher nach einem guten Job.
Die Mannschaft hat wirklich sehr gute Arbeit geleistet. Grosses Kompliment! Wir sind auch in dieses Jahr sehr gut gestartet, liegen deutlich über Vorjahr und auch leicht über unseren eigenen gesteckten Zielen. Das motiviert uns alle. Gut ist, dass wir mit jeder Modellreihe über unseren eigenen Planungen liegen.

Auf 1,5 Millionen Autos wollen Sie erst ab 2020 kommen. Haben Sie keinen grösseren Ehrgeiz?
Ich war noch nie ausschliesslich volumengetrieben. Volumen ist eine Resultante aller Aktivitäten der Firma. Das Wachstum muss nachhaltig sein und Beschäftigung sichern. Das generiert Zuversicht und Stärke, und aus einer Position der Stärke heraus können wir viel unternehmerischer handeln.

Dennoch wirkt diese Prognose übervorsichtig.
Ob es jetzt 1,5 Millionen oder mehr sind, hängt davon ab, wie wir auf den Weltmärkten und mit den neuen Technologien unterwegs sind. Wir haben uns vorgenommen, im Strategiezeitraum bis 2025 in Summe unsere Geschäftsbasis zu verdoppeln.

Geschäftsbasis heisst ...
... wir weiten uns aus in neue Segmente, neue Märkte, neue Geschäftsfelder. Es geht dabei nicht nur um den Bau und Verkauf von Autos, sondern um die Entwicklung eines zusätzlichen umfassenden Mobilitätsangebots. Und das halte ich für ein durchaus ambitioniertes Ziel.

In der Schweiz war der Octavia im ersten Halbjahr das meistverkaufte Modell. Und Skoda hat hier fast sieben Prozent Marktanteil. Also müsste doch auch weltweit mehr gehen!
Die Schweiz ist sicher ein ausgesprochener Erfolgsmarkt für Skoda. Wir sind in Europa der grösste Anbieter allradgetriebener Kombis, und die Schweiz ist da für unsere Autos geografisch prädestiniert. Ausserdem verkörpern wir eben für viele Kunden «Value for Money» und ein gewisses Understatement. Und mit dieser Wertevorstellung werden wir unser Geschäft auch in Zukunft ausbauen.

Wer ist Ihre Konkurrenz? Unten Kia und Dacia distanzieren, mittig gegen Franzosen, Hyundai und Fiat kämpfen, von oben her grüsst VW?
Das ist von Markt zu Markt ein bisschen unterschiedlich. Zusammenfassend: Wir bewegen uns in einem sehr umkämpften Marktsegment. Dacia würde ich hier nicht als strategischen Wettbewerber dazuzählen; diese Marke bedient eher den Bereich Budget Car; wir und unsere Kunden haben einen höheren Anspruch für Skoda.

In welchem Umfeld?
Der Wettbewerb kommt sicherlich von Herstellern französischer, koreanischer und japanischer Couleur, und wir zählen auch Ford und Opel zur Konkurrenz. In diesem Umfeld sehen wir, dass unsere Fahrzeuge die Kunden überzeugen können. Und wenn wir uns in grossen Vergleichstests gegen vermeintlich höher positionierte Fahrzeuge durchsetzen, zeigt das das Potenzial unserer Marke.

Punkto Profitabilität ist Skoda hinter Porsche zweitstärkste Kraft im Konzern.
Wir haben im ersten Halbjahr eine Umsatzrendite von 9,6 Prozent erzielt. Wir profitieren hier von unserer guten Auftragslage, dem Wunsch unserer Kunden nach hochwertiger Ausstattung und unserer wettbewerbsfähigen Kostensituation. Über den Jahresverlauf streben wir acht Prozent an; wir stemmen ja auch hohe Investitionen in Entwicklung, Produktionsanlagen und Systeme.

Der Airline Swiss geht es gut, Konzernmutter Lufthansa schlägt in der Schweiz aber weiter Skepsis entgegen. Was sagen Tschechen zu VW?
Klar ist, dass Skoda erfolgreich ist – gerade weil wir Teil des Volkswagen-Konzerns sind. Wir können alle Vorteile des Konzernverbunds nutzen. Gleichzeitig weiss unsere Mannschaft, dass sie gute Arbeit macht. Skoda ist das Beispiel einer sehr gelungenen Privatisierungsstrategie der Tschechischen Republik, die Ende der achtziger Jahre begonnen hat. Wir sind das grösste Unternehmen des Landes, stehen für 4,5 Prozent des Sozialprodukts und 8 Prozent des Exports.

Sie sind ausgebildeter Kraftfahrzeugmeister – vermutlich der einzige Autoboss, der Vergaser einstellen kann.
Zumindest einen, der nicht gerade der neuesten Provenienz entspricht (lacht), da hat sich ja Gewaltiges getan. Das Grundverständnis dafür ist jedenfalls vorhanden.

Wie lebt es sich in Tschechien?
Es ist ein unglaublich dynamisches, aufstrebendes Land mit sehr freundlichen Menschen. Das Erfindertum und die vitale Handwerkskunst, die diese Region seit Jahrhunderten prägen, spürt und erlebt man hier jeden Tag aufs Neue. Tschechien hat im Verbund der EU-28-Länder die geringste Arbeitslosigkeit. Wir sind also auf einem sehr guten Weg.

Und Sie persönlich, nachdem Sie aus den Metropolen München und Stuttgart hierhergekommen sind?
Prag ist eine wunderbare Stadt und einer der europäischen Tourismusmagnete schlechthin. Die Stadt hat 1,2 Millionen Einwohner und vibriert dermassen, dass man denken könnte, es seien vier Millionen. In dieser Umgebung lebt und arbeitet man gut. Also, ich fühle mich wohl.

Wohnen Sie direkt in Prag?
Ich habe hier eine Wohnung. Meine Familie ist noch in Stuttgart, daher pendeln wir am Wochenende zwischen Prag und Stuttgart. Mal in die eine, mal in die andere Richtung.

Ans Werk nach Mlada Boleslav ziehen Sie nicht?
Nein, Prag bietet sich für mich und viele Kollegen als Wohnort an. Ich bin sehr häufig unterwegs. Wir haben weltweit 14 Produktionsstandorte und sind auf über 100 Märkten präsent – da ist für mich die Nähe zum Flughafen wichtig.

Vermissen Sie nicht Ihre früheren Stuttgarter Dienstwagen?
Erst mal: Skoda baut hervorragende Autos für alle Lebenslagen – und das Gute ist, dass sich Porsche und Skoda nicht in die Quere kommen. Deshalb kann ich schon zugeben, dass ich noch einen 911 in der Garage stehen habe – den ich ab und zu bewege. In Tschechien fahre ich nur Skoda, und das mit grosser Begeisterung.

Den Porsche nur am Wochenende?
Und nach Sonnenuntergang (lacht).

*Bernhard Maier (56) kommt aus Schwäbisch Gmünd, einer 60'000-Einwohner-Stadt östlich von Stuttgart. Er lernte Kraftfahrzeugmechaniker, bildete sich zum Kfz-Meister weiter und studierte Betriebswirtschaft, später besuchte er die Harvard Business School. 1984 startete er die Karriere bei Nixdorf Computer, von 1988 bis 2000 hatte er diverse Leitungsfunktionen bei BMW inne. 2001 wurde er Deutschland-Chef von Porsche, 2010 bei Porsche Vorstand für Vertrieb und Marketing, seit November 2015 ist er CEO von Skoda. Maier ist verheiratet, hat fünf Kinder, Hobbys sind Laufen, Radfahren und Kochen.

Dirk Ruschmann
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