Das Einkommen ist gut, aber der Druck ist hoch. Das gilt 
vor allem für ältere Arbeitnehmer. Kein Wunder, wünschen sich drei von vier Berufstätigen den vorzeitigen Ausstieg aus der Arbeitswelt. So auch Evi und Rolf Strobel aus Birmensdorf ZH. Mit dem 
Gedanken hatten sie sich schon länger 
getragen.

Die beiden Kinder waren längst ausgeflogen, die Höhe der finanziellen Verpflichtungen entsprechend gesunken. Und an Rolf Strobels Arbeitsplatz war die Stimmung wegen der ungenügenden Auftragslage alles andere als gut. «Es war an einem gemütlichen Abend am Comersee, als wir das Thema endlich ansprachen», erzählt Evi Strobel. «Uns war klar, dass wir auf den einen oder anderen Luxus verzichten müssten, wenn wir unser Pensum reduzieren oder frühzeitig in Pension gehen wollten», erinnert sich der heute 67-jährige Rolf Strobel. «Aber wir wussten sofort, dass wir dies wollen und es auch schaffen.»

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Jder Fünfte nur aus freien Stücken

Die Auflistung der Lebenshaltungskosten zeigte zwar, dass es allein mit der Rente eng werden könnte. Aber die damals 63-jährige Evi Strobel wollte ohnehin berufstätig bleiben, wenn auch in reduziertem Ausmass. Der Entscheid war also rasch gefällt: Rolf Strobel, von Beruf Sanitärmonteur und damals 64-jährig, gab seinen Job auf. Seine Frau Evi halbierte ihr Pensum von 80 auf 40 Prozent.

Zu ähnlichen Entschlüssen kommen sehr viele Schweizerinnen und Schweizer, wenn sie sich dem Rentenalter nähern: Ein Jahr vor dem ordentlichen Pensionsalter (Frauen 64, Männer 65) sind jeder zweite Mann und drei von vier Frauen nicht mehr erwerbstätig. Die meisten allerdings nicht freiwillig, sondern aus Gesundheitsgründen oder weil sie kurz vor der Pensionierung noch ihre Stelle verlieren. Lediglich etwa jeder Fünfte leistet sich die Frühpensionierung wirklich aus freien Stücken, wie verschiedene Altersstudien zeigen. Der Hauptgrund dafür, dass es nicht mehr sind: Eine Frühpensionierung ist teuer.

So viel kostet die Frühpension

Schon bei einem moderaten Einkommen kostet der vorzeitige Rückzug aus dem Erwerbsleben über 100'000 Franken. Denn das wegfallende Einkommen fehlt bei der Berechnung der AHV- und der Pensionskassen-Rente. Zusätzlich fallen die Renten tiefer aus, weil das Kapital für mehr Jahre reichen muss. Pro Vorbezugsjahr sinken die AHV-Renten um 6,8 Prozent. Bei der Pensionskasse ist es ähnlich viel.

Gleichzeitig entstehen Mehrkosten, weil die AHV-Beitragspflicht erst mit Erreichen des ordentlichen Pensionierungsalters endet. Bis dahin sind AHV-Beiträge für Nichterwerbstätige auf Basis ihres Vermögens und des 20fachen ihres Renteneinkommens fällig. Bei einem jährlichen Einkommen aus AHV, Pensionskasse und privaten Renten von 100'000 Franken und einem Vermögen von 1 Million Franken – rechnerisch also 3 Millionen Franken – sind es 7330 Franken jährlich.

Das Maximum wird mit 23'900 Franken bei einer Vermögensbasis von 8,4 Millionen Franken erreicht – pro Person. Ein wohlhabendes Frührentnerpaar muss also AHV-Beiträge von bis zu 57'800 Franken jährlich abliefern. Das würde den AHV-Beiträgen bei einem Erwerbseinkommen von über einer halben Million Franken entsprechen. Unschön daran: Obwohl die AHV-Ersatzabgabe für Nichterwerbstätige sehr hoch ausfallen kann, wirkt sie nicht mehr rentenbildend, sondern ist eine reine Solidaritätsabgabe.

Bescheidenes Steuerersparnis

Die Steuerersparnis wegen des tieferen Einkommens und des AHV-Abzugs fällt dagegen bescheiden aus. Dass die Steuerrechnung weniger zurückgeht, als manche Frührentner annehmen, liegt auch daran, dass viele Steuerabzüge wegfallen. So etwa der Abzug für die Wegkosten, auswärtige Verpflegung oder die Pauschale für Berufsauslagen.

Und auch die Lebenshaltungskosten sinken oft weniger stark als erwartet. Denn schliesslich will man die neu gewonnene Freiheit auch auskosten. Die meist noch fitten Golden Ager wollen in ferne Länder reisen, gutes Essen geniessen und vielleicht auch ein schnittiges Auto fahren. Und wenn sich das Alter irgendwann bemerkbar macht, steigen die Gesundheitskosten.

Sparanstrengungen erforderlich

Wer sich den Luxus einer Frühpensionierung dennoch leisten will, muss auf zusätzliches Vermögen zurückgreifen können. Das erfordert frühzeitige Planung. Liegt die Einkommenslücke, also die Differenz zwischen künftigen Einnahmen und Ausgaben, beispielsweise bei 2000 Franken monatlich, braucht es bei einer einigermassen sicher erzielbaren Rendite von einem Prozent und einer Restlebenserwartung von 20 Jahren ein Kapital von 435'000 Franken. Wer dieses Sparziel über zehn Jahre erreichen will, muss bei ebenfalls einem Prozent Rendite monatlich 3446 Franken beiseitelegen – zu viel für die meisten.

Dabei ist eine möglicherweise wieder anziehende Inflation noch nicht einmal einberechnet. Denn nur gerade die AHV ist durch einen Mischindex aus Teuerung und Lohnentwicklung einigermassen vor Kaufkraftverlust geschützt. Bei den meisten Pensionskassen gibt es einen Teuerungsausgleich bestenfalls auf freiwilliger Basis, wenn die Kasse Überschüsse erzielt. Privatrenten sind vor Inflation überhaupt nicht geschützt.

Die Einkommenslücke zu füllen, erfordert frühen Sparwillen und einiges an Disziplin. Basis dazu sind jährliche Einlagen in die steuerbegünstigte Säule 3a. Vorsorgesparer mit Pensionskasse dürfen bis zu 6768 Franken pro Jahr einzahlen und den vollen Betrag von ihrem steuerbaren Einkommen abziehen. Für 3a-Sparer ohne Pensionskasse – meist Selbständigerwerbende – sind es gar 20 Prozent ihres Nettoerwerbseinkommens, maximal aber 33'840 Franken (alle Beträge gemäss Stand 2016).

Gestaffelter Bezug der Säule 3a

Es lohnt sich, mehrere 3a-Konten einzurichten, weil die Auszahlung in Abhängigkeit von der Höhe des Kapitals progressiv besteuert wird. Sinnvoll sind demnach bis zu fünf 3a-Konten oder Vorsorgepolicen, die man ab Alter 59 (Frauen) bzw. 60 (Männer) gestaffelt über fünf Jahre auflösen kann, um seine Einkommenslücke zu stopfen. Auf diesem Weg spart man leicht Tausende von Franken an Steuern.

Auch freiwillige Einzahlungen in die Pensionskasse können eine sinnvolle Option sein. Die Einzahlungen dürfen direkt vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden. Das Vorsorgekapital selbst sowie die Erträge darauf bleiben während der Sparphase steuerfrei. Beim Bezug hat man dagegen die Wahl zwischen einer einmaligen Kapitalleistung und einer lebenslänglichen Rente. Der Kapitalbezug wird analog zur Säule 3a einmalig zu einem Vorzugssatz besteuert. Die Rente dagegen ist zu 100 Prozent zusammen mit dem übrigen Einkommen steuerpflichtig. Ob Rente oder Kapital die bessere Option ist, hängt von den persönlichen Bedürfnissen ab. Oft ist eine Kombination aus beiden die beste Lösung.

Darüber hinaus kann sich ein Fondssparplan mit einem Mix aus Aktien und Obligationen eignen, um das langfristige Sparziel zu erreichen. Wegen ihrer tiefen Gebühren eignen sich speziell börsenkotierte Indexfonds (ETFs), die statistisch gesehen eher besser rentieren als aktiv verwaltete Fonds.

Teil- statt Vollpensionierung

Doch auch mit eiserner Spardisziplin gelingt es den meisten Menschen nicht, die nötigen Reserven zu sparen, um sich eine Frühpensionierung leisten zu können. In solchen Fällen bietet sich statt der Voll- die Teilpensionierung an.

Sie kann flexibel in einem oder mehreren Schritten erfolgen und bringt gleich mehrere Vorteile mit sich: Eine Halbierung des Arbeitspensums beispielsweise reduziert die Frühpensionierungskosten überproportional, weil das halbe Einkommen normalerweise immer noch ausreicht, um die AHV-Beitragspflicht zu erfüllen. Zudem erübrigt sich meist der teure AHV-Vorbezug. Denn das Arbeitseinkommen und die Rente aus der Pensionskasse zusammen reichen meistens aus, um den Lebensunterhalt zu finanzieren.

Know-how an Jüngere weitergeben

Vor allem aber: «Der abrupte Ausstieg aus dem Arbeitsleben entspricht häufig nicht den Bedürfnissen der Menschen», wie Altersforscher François Höpflinger festgestellt hat. Vielmehr möchten sie vorerst einmal etwas kürzertreten. Gleichzeitig lieben sie ihren Beruf, finden Struktur und Anerkennung darin und wissen natürlich auch das Einkommen daraus zu schätzen.

Dafür sind viele von ihnen gerne bereit, auch über das ordentliche Pensionierungsalter hinaus aktiv zu bleiben. Sie geben ihr Know-how an jüngere Kollegen weiter oder engagieren sich in gemeinnützigen Organisationen.

Früher Teilzeit, aber länger arbeiten

Das Modell scheint auch aus Sicht der Unternehmen attraktiv zu sein: Bereits im Lebensabschnitt vor der Pensionierung gibt es eine Bewegung Richtung Teilzeit. So arbeiten ab dem 55. Altersjahr fast 13 Prozent der Männer und rund 70 Prozent der Frauen Teilzeit – jeweils 4 Prozentpunkte mehr als zwischen 40 und 54. Anderseits sind immer noch 18 Prozent der Männer und 8 Prozent der Frauen mit über 65 Jahren berufstätig.

Einige Firmen haben gar spezielle Programme für Mitarbeiter rund um das ordentliche Pensionierungsalter eingerichtet. Dazu gehören beispielsweise ABB, Novartis, die SBB und Swiss Life. Viele weitere wie etwa Coop und Migros, die Post oder auch die Bundesverwaltung ermöglichen eine Weiterbeschäftigung bis zum 70. Altersjahr. Davon profitieren allein bei der Post derzeit rund 900 ältere Mitarbeiter.

Bewerber ab Mitte 50 oft ohne Chancen

Allerdings ist auch das umgekehrte Phänomen noch immer nicht ausgerottet. Vor allem Banken stehen im Ruf, ältere Mitarbeiter loswerden zu wollen und Bewerber ab Mitte 50 kaum mehr zu berücksichtigen. Beweisen lässt sich das 
selten, denn Diskriminierung aufgrund des Alters ist verboten und nicht zuletzt imageschädigend. Stelleninserate mit Angabe eines Höchstalters sind darum weitgehend aus den Jobportalen und Stellenanzeigern verschwunden.

Ob das «Umdenken», wie es sich Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt wünscht, tatsächlich erfolgt ist, bleibt fraglich. Paul Rechsteiner, SP-Ständerat und Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, sieht jedenfalls ein «weit verbreitetes Mobbing an älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern».

Teilpensionierung auch für mittlere Einkommen

Dennoch: Eine Teilpensionierung ist auch für mittlere Einkommen in Reichweite, wenn der nötige Sparwille da ist. Bei einem durchschnittlichen Verdienst in den letzten Jahren vor dem regulären Pensionsalter von knapp über 7000 Franken können Frühpensionäre auf ein 50-Prozent-Pensum reduzieren. Das zusätzliche Einkommen aus BVG-Rente und AHV reicht, um gut über die Runden zu kommen.

Insgesamt muss nach dem regulären Pensionsalter mit einem etwas tieferen Einkommen gerechnet werden. Die Pro-Kopf-Einkommen fallen im Durchschnitt von 57'439 auf 48'639 Franken.

Jeder Zweite kann es sich leisten

Trotzdem geben nur etwa 7 Prozent aller Senioren an, dass sie mit dem Einkommen im Rentenalter nur schwer über die Runden kommen. Fast 40 Prozent können nach der Pensionierung sogar noch Geld auf die Seite legen. Für vier von zehn angehenden Rentnern ist die Frühpensionierung finanziell also eine echte Option. Rechnet man das Einkommen aus einer Teilpensionierung hinzu, ist es wohl mehr als die Hälfte, die sich einen vorzeitigen Rückzug aus dem Arbeitsleben leisten kann.

Wie das funktionieren kann, zeigt das Beispiel von Evi und Rolf Strobel. Das Einkommen aus dem 40-Prozent-Pensum von Evi Strobel reicht den beiden zusammen mit der Rente aus Pensionskasse und AHV bestens, um sich weiterhin 
regelmässig Ferienreisen im eigenen 
Caravan und ein Häuschen mit Garten zu leisten. Die Hypothek ist weitgehend abbezahlt, das kleine Erbe von den Eltern bleibt unangetastet und soll dereinst an die nächste Generation gehen.

«Wir geniessen die viele Freizeit, aber ich möchte auch weiterarbeiten, solange es geht», sagt die kaufmännische Fachkraft, die in einer Immobilienverwaltung arbeitet. «Nicht nur wegen des Geldes, sondern weil es mir Spass macht.»