Warum Gold jetzt eine grosse Chance für Anleger bietet

In Zeiten des neuen Aktienbooms und des Tech-Kults scheint Gold wie aus der Zeit gefallen. Und auch in der Weltwirtschaft stehen alle Zeichen auf Wachstum, Wachstum, Wachstum. Da scheint eine fundamentale Absicherung derzeit nicht angesagt. So wundert es nicht, dass der Kurs des gelben Metalls im Jahr 2021 vor sich hin dümpelt. Wenn die Geldflut der Notenbanken zu einer «Allesblase» geführt hat, die die Preise von allem aufbläht, was einen Preis hat, dann scheint Gold davon nichts mitbekommen zu haben. Aktuell notiert der Preis des Edelmetalls bei knapp 1800 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) ungefähr fünf Prozent niedriger als vor einem Jahr. In den vergangenen zwölf Monaten sind die Goldnotierungen unter dem Strich also leicht abgebröckelt. Ganz anders Immobilienpreise und Aktienkurse. Wohneigentum hat sich in Deutschland auf Jahressicht um 13 Prozent verteuert, die Börse steht, gemessen am Weltaktienindex MSCI World, sogar ein Drittel höher als vor zwölf Monaten. Das hat aber einen interessanten Effekt: Wer Gold als eine Art Versicherung gegen die Unbilden der Geldpolitik und der Kapitalmärkte versteht, wird finden, dass diese Absicherung derzeit sehr günstig ist. Der Goldpreis notiert zwar nur rund ein Achtel unter seinem Rekordhoch aus dem Herbst, dadurch dass sich aber fast alles andere verteuert hat, wirkt Gold geradezu billig. Beispiel Aktien. Im langjährigen Mittel kostete eine Unze des gelben Metalls rund 13,8 Prozent des Dow-Jones-Indexstandes, heute sind es kaum mehr als fünf Prozent. Zugleich gibt es Indizien dafür, dass die Krisenabsicherung Gold bald wieder stärker gefragt sein könnte. Denn viele Sparer laufen Gefahr, den Wettlauf mit der Inflation zu verlieren. Der allgemeine Preisauftrieb hat sich letztens mit aller Macht zurückgemeldet. In den USA haben sich Güter des täglichen Bedarfs im Sommer so schnell verteuert wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Betrachtet man die sogenannte Kerninflation, die preisvolatile Güter ausklammert, war es der stärkste Anstieg seit 1991. Die Kapitalmärkte haben diese krasse Zahl beinahe ungerührt zur Kenntnis genommen, gehen sie doch davon aus, dass der Teuerungsschub bald an Wucht verliert. Sicher ist das jedoch nicht. Doch selbst wenn die Inflation einmal nicht weiter steigt und bald wieder etwas zurückfallen sollte, sind die Wohlstandsverluste der Sparer enorm. Bei einer Preissteigerung von zwei Prozent pro Jahr (da liegt das neue offizielle Inflationsziel der EZB) sind schon nach fünf Jahren zehn Prozent der Kaufkraft weg. Die Wiederkehr von Guthabenzinsen, die diesen Kaufkraftverlust ausgleichen könnten, ist auf absehbare Zeit illusorisch. Im Gegenteil: In Deutschland und anderen Euro-Ländern zehren Negativzinsen am Sparkapital. Hierzulande ist die Nachfrage nach Münzen und Barren daher zuletzt wieder angezogen. „Bei uns war die Nachfrage im ersten Halbjahr 2021 konstant hoch“, berichtet Benjamin Summa vom Edelmetall-Handelshaus Proaurum. Neun von zehn Kunden stünden auf der Käuferseite, sie würden physisches Gold unter anderem deshalb kaufen, um nicht noch mit ihrem Ersparten Verluste einzufahren. Die aktuellen Gold-Bestseller bei Proaurum sind nach seinen Angaben Goldbarren im Gewicht von einer Unze bis zu 250 Gramm sowie die Krügerrand-, Maple-Leaf- und Philharmoniker-Münzen im Gewicht von einer Unze. „Das zentrale Motiv für Edelmetallkäufe ist seit Monaten die Angst vor steigender Inflation“, sagt Summa. Seine Kunden würden schon seit geraumer Zeit eine höhere Preisentwicklung wahrnehmen als von offizieller Seite ausgewiesen: „Sie wollen sich vor fortschreitender Geldentwertung bestmöglich schützen.“ Die Negativzinsen und die Nullzinspolitik der Zentralbank seien ein Thema, das deutsche Goldkäufer enorm umtreibe, bestätigt auch Louise Street vom World Gold Council (WGC). Im Auftrag der Goldminenbetreiber analysiert der World Gold Council regelmäßig den Edelmetall-Markt. In der jetzt vorgelegten Studie über das erste Halbjahr zeigt sich ganz deutlich, dass die Nachfrage nach physischem Gold wieder deutlich zugenommen hat – auch, aber nicht nur in Deutschland. Nach ihren Berechnungen wurden allein zwischen Januar und Juni Münzen und Barren für rund 34 Milliarden Dollar nachgefragt. Damit war das erste Halbjahr 2021 das stärkste Halbjahr seit 2013, als die Europäer noch unter dem Eindruck der Euro-Krise standen. Doch selbst der World Gold Council, eine Art Lobbyorganisation der Edelmetallproduzenten, kommt nicht umhin zuzugeben, dass derzeit nicht alles rosig ist am Goldmarkt. So brachte die Pandemie auch eine bedenkliche Entwicklung, die die Gewichte zwischen Angebot und Nachfrage zuungunsten der Anbieter verschob. Während in Europa physisches Gold, Gold-ETFs und andere Investmentprodukte marktbestimmend sind, gibt in Asien die Schmuckindustrie den Takt vor. Gerade in Indien, aber auch in China ist Goldschmuck eine Mischung aus Goldanlage und Luxus. In Zeiten der Unsicherheit steht aber weniger Menschen der Sinn nach derlei Investments. So brach dort der Absatz während der Corona-Krise ein und hat sich bis heute nicht vollständig erholt. Die ausbleibende Nachfrage aus Fernost lastet bis heute auf dem Goldpreis, der sein Hoch Anfang August 2020 bei 2073 Dollar markiert hatte. Zwischenzeitlich sah es so aus, als sei Gold gleichsam aus dem eigenen Lager ein mächtiger Feind erwachsen, der Bitcoin. Mit vielen ähnlichen Eigenschaften wie das gelbe Metall ausgestattet, schien die Kryptowährung sich als „Wertaufbewahrungsmittel“ oder „Inflationsschutz“ des 21. Jahrhunderts anzubieten. Es ist wohl mehr als ein Zufall, dass Gold-ETFs just im ersten Quartal starke Abflüsse verzeichneten, als der Bitcoin immer neue Rekordstände markierte. Doch ob ein digitaler Vermögenswert wie der Bitcoin, der 2009 erfunden wurde und der viele Fragen aufwirft, einem Wertaufbewahrungsmittel wie Gold mit 5000-jähriger Tradition Konkurrenz machen kann, ist vollkommen offen. Jedenfalls erlebten die Gold-ETFs bereits im zweiten Vierteljahr wieder Zuflüsse. Gemeinsam ist Bitcoin und Gold, dass sich Anleger nicht auf eine garantierte Rückzahlung verlassen können, wenn sie ihre Versicherung gegen Inflation und Finanzkrise auflösen wollen. Allerdings hat der Unzenpreis in der Vergangenheit viel weniger geschwankt als die Notierungen von Kryptowerten, deren Kurse teilweise zweistellige Prozentausschläge am Tag zeigen. „Gold spielt eine wichtige Rolle in der Diversifikation von Vermögen, und es hat als solches einzigartige Eigenschaften“, sagt Louise Street. Eine mächtige Gruppe, die offenbar an diese Eigenschaften von Gold glaubt, sind die Zentralbanken. Im ersten Halbjahr haben viele Institutionen ihre Bestände wieder deutlich aufgestockt. Im ersten Halbjahr haben Währungshüter insgesamt 333 Tonnen des gelben Metalls gekauft. Ganz vorne stand die Zentralbank von Thailand. Neben Brasilien und Indien schlug aber auch das EU-Land Ungarn zu. Von Währungshütern eines Industrielandes, die Bitcoin zu ihren Reserven hinzufügten, ist dagegen bisher nichts bekannt – trotz Tech-Kult. Dieser Artikel erschien zuerst im Bezahlangebot der «Welt» unter dem Titel: Günstig wie lange nicht – deshalb ist Gold jetzt eine grosse Chance für Anleger