Generalagenturen (GA) spielen im schweizerischen Versicherungsmarkt eine äusserst wichtige Rolle: Gemäss einer Erhebung der Beratungsfirma PwC vom Sommer 2018 erwirtschaften allein die Top 5 in der Schweiz (Axa, Swiss Life, Helvetia, Baloise und Zurich) ein Prämienvolumen von kumuliert 34 Milliarden Franken. Klassische Generalagenturen erwirtschaften zwischen 20 und 40 Millionen Franken Prämieneinnahmen pro Jahr. Grössere Versicherungen haben schweizweit zwischen 40 und 50 solcher Agenturen.

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An Relevanz verloren

Der GA-Kanal ist gleichzeitig unter Druck: Die meisten Versicherungen sehen diesen zwar im Rahmen des Omni-Channel-Ansatzes auch zukünftig als Kern für das beratungsintensive Geschäft, sie erwarten aber auch, dass die Generalagenturen als reiner Offline-Kanal an Relevanz einbüssen werden. Die grössten Herausforderungen sind hier gemäss der Umfrage das veränderte Kundenverhalten sowie die Tatsache, dass Versicherungen die Digitalisierung als primäres Element zur Verbesserung des Kundenerlebnisses betrachten.

«Generalagenturen sind weiterhin der wichtigste Vertriebskanal im Schweizer Versicherungsmarkt», sagt Patrick Mäder, zuständig für den Financial-Service-Bereich bei PwC Strategy in der Schweiz. Im Schweizer Markt sind sowohl selbstständige als auch angestellte GA tätig. Bei den selbstständigen Generalagenturen bestehen sowohl Unternehmer-Generalagenturen mit geringen oder Franchise-Generalagenturen mit umfangreicheren Vorgaben durch den Versicherer. Beide Modelle kommen jetzt unter Druck.

Eine erste Herausforderung ist die Konkurrenz durch Versicherungsbroker. Diese argumentieren mit ihrer Unabhängigkeit und mit dem Vorteil der Neutralität. Schweizerische Kunden werden darüber hinaus zunehmend preissensibel und Vergleichs-Services werden dementsprechend immer wichtiger. Preissensible Kunden erfordern von Seiten einer Versicherung ein einheitliches, transparentes und kompetitives Pricing über alle Vertriebskanäle hinweg. Anspruchsvolle Kunden schliesslich erwarten eine holistische Beratung und gut vernetzte und in der digitalen Welt lebende Kunden erwarten übergangslos funktionierende und intuitiv verständliche Vertriebskanäle.
 

Wichtige Herausforderungen

Gemäss Gero Matouschek, bei PwC Financial Service-Experte, gibt es deshalb für die GA gleich eine Reihe von Herausforderungen:

Nr. 1: Die erwähnten Veränderungen des Kundenverhaltens. Kunden erwarten ein übergangsloses Zusammenspiel zwischen den Kommunikationskanälen (insbesondere persönliche Interaktion, digitale Interaktion über Apps, Websites); sie erwarten eine individualisierte Beratung und sind generell gut informiert und preissensibel.
Nr. 2: Steigender Kostendruck in einem härter werdenden Verdrängungswettbewerb, vor allem im zunehmend standardisierten Retail-Geschäft, bei gleichzeitig begrenztem (Markt-)Wachstum. Immer mehr standardisierte Angebote werden auf Online-Plattformen vergleichbar. Für Generalagenturen (und Versicherungen) steigt entsprechend der Druck, die Prozesse zu standardisieren und zu automatisieren.
Nr. 3: Digitalisierung. Die Digitalisierung spielt hier eine Rolle bei der «Unterstützung» der Arbeit des Kundenberaters, bei Data Analytics und bei Trigger-based-CRM-Systemen, mit denen Versicherungen ihre Kundenbeziehungen verwalten und mit denen sie die Kundendaten verstärkt nutzen.
• Zu den weiteren, etwas weniger im Vordergrund stehenden Herausforderungen zählen die Rekrutierung beziehungsweise Qualifizierung von neuen Vermittlern, eine aktivere Bearbeitung des Kundenbestandes, regulatorische Themen, der Konsumentenschutz sowie Veränderungen beim angebotenen Produktspektrum.

 

Kritische Erfolgsmessung

Auch bei den Entschädigungsmodellen bestehen drei Herausforderungen, wie Mäder erklärt. Zunächst ist das die Messung des Verkaufsbeitrags im «Omni-Kanal»: Bestehende «Omni-Kanal»-Ansätze stehen der Herausforderung gegenüber, wie über mehrere Kanäle abgewickelte Verkäufe – beispielsweise als Kombination von Onlinekanal und Generalagentur – entschädigt werden sollen. Typische Fragen sind: Wie wird der Beitrag unterschiedlicher Kanäle gemessen? Wie findet die Zuordnung eines Kunden statt? Wer ist denn für Up-/Cross-Sellings verantwortlich?

Dann bestehen offene Fragen um die Ausgestaltung der strategischen Anreizsysteme. «Die Entschädigung für einen Generalagenten sowie für seine Angestellten ist meistens weiterhin Volumen-/Abschluss- beziehungsweise Bestandes-orientiert», sagt Mäder. Für die konsequente Weiterentwicklung des Generalagenturkanals sei eine Verknüpfung strategischer Ziele (hierzu gehören insbesondere die Kundenorientierung, Beratungsqualität, Zielkundenfokus oder auch Profitabilität) zu prüfen. Der dritte Punkt betrifft die Steuerung der Vertriebsaktivitäten: Vor allem in puristischen Unternehmer-Generalagenturen ist eine Fokussierung der Vertriebsaktivitäten auf bestimmte Zielkunden/Produkttypen eine Herausforderung. «Die Anreize über das Entschädigungssystem sind hier noch kritischer als bei Franchiseagenturen», beobachtet Mäder.

 

Versicherung als Einheit

Eine besondere Betrachtung verdient die Digitalisierung. Laut Gero Matouschek nimmt der Kunde die Versicherung als Einheit wahr und setzt reibungslose Übergänge zwischen unterschiedlichen Kanälen voraus. Dies erfordert eine versicherungsseitige Ausrichtung auf einen Omni-Kanal-Ansatz. «Die unterschiedlichen Vertriebskanäle und hierbei vor allem die Generalagenturen und Online-Kanäle stehen heute teilweise im Wettbewerb zueinander», erklärt Matouschek. «Diese Konkurrenz zwischen den Vertriebskanälen geht auf Kosten der Kunden und muss verhindert werden, denn die Top-10-Versicherer erwarten die GA hierbei zukünftig in der wichtigen Rolle «beim Kunden vor Ort» mit teilweise orchestrierender Rolle.»

Die Digitalisierung verstärkt laut Patrick Mäder den Kostendruck und macht vor allem das Nicht-Leben Geschäft im Privatkunden-Bereich zunehmend zu einer Commodity. «Der USP von Generalagenturen in der Zukunft liegt im beratungsintensiveren Geschäft, beispielsweise im Firmenkunden- und Lebengeschäft», so Mäder. «Zudem sind wir überzeugt, dass Digitalisierung die Effizienz und auch die Beratungsqualität weiter stärken und dadurch auch die Kundenbeziehung insgesamt weiter festigen kann.»

 

Service-Point vs. Vertriebseinheit

Das kann zukünftig auch im Firmenkundengeschäft eine wichtigere Rolle spielen. GA könnten bei diesen Kunden für eine bessere Betreuung der Firmenkunden sorgen. Bei Versicherungen dominiert die Auffassung, dass das Kerngeschäft der Generalagenturen die Beratung und der Vertrieb sind. Sie können auch eine Rolle als «Rundum-Betreuer» spielen. Und GA könnten zentralisiert als Vertriebseinheiten spielen, die von Versicherungen die Aufgaben möglichst kostengünstig übernehmen. Alternativ dazu gibt es das Modell der dezentral arbeitenden Service-Punkte, welche die kundennahen Aktivitäten von Versicherungen übernehmen.

Gemäss Mäder müssten die Generalagenturen zukünftig drei Kriterien erfüllen, wenn sie sich längerfristig behaupten möchten:

1. Sie sind eingebettet im Omni-Kanal-Ansatz: Die Generalagentur-Landschaft der Zukunft arbeitet übergangslos mit anderen Vertriebskanälen zusammen. Dabei können die Kanäle unterschiedliche Rollen wahrnehmen, beispielsweise als die auf die Neukundengewinnung spezialisierten «Hunter» und/oder als die auf Bestandskundenpflege ausgerichteten «Farmer»-Modelle.

2. Sie arbeiten kundenorientiert: Der 360-Grad-Beratungsansatz wird umfassend zur Basis in der Praxis und wird durchgehend bei Kunden angewendet. Er bildet auch die Grundlage für die Orchestrierung der Kanäle entlang des Sales Funnels. «Preissysteme sind konsistent und transparent», so Mäder, «und auch kundenspezifische Informationen sind jederzeit kanalübergreifend verfügbar.»

3. Und sie arbeiten voll digital: Prozesse werden zunehmend zentral automatisiert, die Produktivität des Aussendienstes wird erhöht und der Innendienst verschlankt. CRM-Systeme werden zunehmend verbessert und effektiver genutzt.