Seit 1990 reise ich jedes zweite Jahr mehrere Wochen lang durch Japan, besuche Freunde und Verwandte. Nach viel Bier und noch mehr Sake, die in Nippon nun einmal zur Geselligkeit gehören, wird heftig diskutiert, vor allem über den wirtschaftlichen Zustand des Landes. Interessant sind dabei die Stimmungswechsel über all die Jahre; diesen Sommer zeigen sich meine Gesprächspartner überraschend optimistisch. Zwar steckt auch Japan tief im Schuldensumpf, doch sind über 90 Prozent der Staatsschulden von einheimischen Investoren finanziert, was das Problem etwas entschärft. Andererseits lassen sich zunehmend Anzeichen einer wirtschaftlichen Belebung ausmachen. So ist der Tankan Index, das wichtigste Konjunkturbarometer, deutlich angestiegen – erstmals seit neun Monaten. Und im ersten Quartal legte das Bruttoinlandprodukt um robuste 1,2 Prozent zu, weitaus stärker als im Westen. Japan hat sich unglaublich schnell erholt von der Dreifachkatastrophe, die am 11. März 2011 über das Land hereingebrochen ist.

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Frischen Optimismus kann die Tokioter Börse durchaus vertragen. Zwar ist der Aktienindex Nikkei in den ersten drei Monaten dieses Jahres steil in die Höhe geschossen und hat westlichen Märkten den Rang abgelaufen; seither jedoch sind die Gewinne wieder verdampft. Japanische Anleger wollen von heimischen Dividendenpapieren kaum noch etwas wissen; für die grossen Wertpapierumsätze sorgen längst Gaijins, Ausländer. Japans Vorzeigekonzerne stecken in der Krise, das schreckt Privatinvestoren ab. So musste Kazuo Hirai, der neue Chef des Elektronikunternehmens Sony, für das letzte Geschäftsjahr einen Rekordverlust melden. Auch beim Konkurrenten Panasonic war nach einem rekordhohen Fehlbetrag ein Managementwechsel angesagt; nun versucht sich Kazuhiro Tsuga an einer Restrukturierung. Unternehmen wie Olympus oder Toyota sorgen ebenfalls für negative Schlagzeilen.

Japans Blue Chips haben an Nimbus verloren. Dabei geht vergessen, dass das Land auch ein Heer von Nebenwerten zu bieten hat. Und gerade Aktien, die selten auf dem Radar westlicher Anleger aufscheinen, sind interessant. Solche Papiere bedingen zwar mehr Risikobereitschaft, bieten aber auf mittlere Sicht viel Kurspotenzial. Ich möchte Ihnen drei Beispiele zeigen.

Schweres Gerät. Gut gefallen mir Komatsu. Zwar ist die weltweite Nummer zwei unter den Herstellern von Baumaschinen, gemessen am Umsatz, nur ein Drittel so gross wie Gegenspieler Caterpillar. Dafür ist die japanische Firma ertragsstärker als ihr amerikanisches Pendant. Komatsu erwirtschaftet einen Betriebsgewinn von 15 Umsatzprozent, Caterpillar kommt auf knapp 12 Prozent. Auch beim Wachstumspotenzial schneidet Komatsu gut ab. Rund die Hälfte des Umsatzes stammt aus Schwellenländern, wo die Nachfrage dieser Tage besser ist als in den Industriestaaten. Die Marktstellung in den USA und Europa bleibt dagegen (noch) unbefriedigend.

Komatsu zählt zu jenen Konzernen, die den starken Yen schmerzlich zu spüren bekommen. Aus diesem Grund, gekoppelt mit der Schwäche des wichtigen Absatzmarktes China, haben die auch an vier europäischen Börsen kotierten Aktien alleine seit März ein Viertel an Wert eingebüsst. Diese heftige Korrektur eröffnet andererseits aber gute Einstiegschancen. Komatsu sind mit einem für das laufende Geschäftsjahr geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 8,2 günstig bewertet.

Expansion total. Kaum bekannt bei europäischen Investoren ist Fast Retailing, obwohl es sich dabei um die grösste asiatische Modegruppe handelt. Einen international klangvolleren Namen hat dafür deren wichtigste Tochter, Uniqlo, die Tennis-Crack Novak Djokovic einkleidet. Uniqlo ist dank preisgünstiger, doch qualitativ hochstehender Mode vor allem bei jungen Konsumenten ein angesagter Brand. Im ersten Semester des laufenden Geschäftsjahres wuchs der Umsatz um 15, der Gewinn um 39 Prozent.

Das Management hat sich einer aggressiven Expansionsstrategie verschrieben. Die Positionierung von Uniqlo als globale Marke wird kräftig vorangetrieben. Aktuell werden in Japan 850 und weltweit 275 Läden betrieben. Künftig sollen jährlich 200 bis 300 neue Shops ihre Pforten öffnen, davon 50 bis 100 in Europa und den USA. Im Visier stehen die Konkurrenten Zara sowie H&M.

Den Börsianern gefällt die Strategie, die Aktien zählen zu den Highflyern; über die vergangenen zehn Jahre ist der Kurs um mehr als das Siebenfache gestiegen. Seit drei Monaten jedoch stehen die Valoren, die auch an der Frankfurter Börse gehandelt werden, unter Druck. Zwar ist dadurch die Bewertung gesunken, liegt mit einem für das laufende Jahr geschätzten KGV von 16,5 aber immer noch hoch. Mit Blick auf das starke Wachstum sind die Aktien für Langfrist-Investoren dennoch vielversprechend.

Kultmarke. Kennen Sie Muji? Das Kürzel steht für Mujirushi Ryohin, was übersetzt «keine Marke, gute Qualität» bedeutet. Dieser Slogan ist Programm. Was Muji im Angebot führt, ist geprägt von minimalistischem Design und Funktionalität; zudem wird eine möglichst ressourcenschonende Herstellung verfolgt. Am Anfang waren es 40 Produkte, inzwischen sind es mehr als 7000: Büroartikel, Haushaltgeräte, Kosmetika, Möbel, Textilien, ja sogar Velos. Berühmte Designer arbeiten für die Firma, wenn auch anonym. Wie die Muttergesellschaft Ryohin Keikaku den – angeblichen – No-Brand Muji positioniert hat, ist schulbuchmässig. Muji ist längst Kult, zunehmend auch im Westen. Die Kunden, die für einen Umsatz von insgesamt 2,1 Milliarden Franken sorgen, sind nicht einfach Käufer; sie sind Fans. Im Heimmarkt werden 372 teilweise riesige Geschäfte betrieben, im Ausland sind es 163, davon 54 in Europa. Nur die Schweiz ist noch ein weisser Fleck.

Nach massiven Kursverlusten über die letzten sechs Jahre haben sich die Aktien des Mutterhauses Ryohin Keikaku seit Ende 2011 um 32 Prozent erholt. Finanzanalysten billigen den Papieren weiteres Kurspotenzial zu. Die aktuelle Bewertung jedenfalls ist reizvoll; für dieses Geschäftsjahr stellt sich das geschätzte KGV auf 11,7, für 2015 prognostizieren Experten 9,9.

Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ.
Schreiben Sie ihm an: bahnhofstrasse@bilanz.ch.