Die Zeiten, in denen sich Inhouse-Broker vor allem um die Optimierung von Versicherungspolicen kümmerten, sind definitiv vorbei. «Bei der Optimierung der Policen realisieren die meisten Unternehmen, dass sie ihre Organisation mit einem ganzheitlichen Risk Management nicht nur sicherer machen, sondern sogar noch weiteres Sparpotenzial ausschöpfen können», konstatiert Tolga Ece, Präsident der Vereinigung Schweizerischer Versicherungs-Inhouse-Broker VIB. Aus diesem Grund habe sich die Rolle des Inhouse-Brokers massiv gewandelt. «Wir sind von reinen Einkäufern zu ganzheitlichen Risikoberatern geworden.»

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Hohe Selbstbeteiligung als Motivator

Dass dies nicht nur für Unternehmen der Privatwirtschaft gilt, sondern eigentlich auch für öffentlich-rechtliche, zeigt das Beispiel der Stadt Zürich exemplarisch. Vor 13 Jahren beschloss der Stadtrat, mit Tolga Ece einen Inhouse-Broker anzustellen, um ein bisschen Ordnung in die vielen Versicherungslösungen zu bringen. «Damit ich in der heterogenen Dienstleistungslandschaft der Stadt ein stringentes Versicherungskonzept erstellen konnte, brauchten wir als Grundlage ein sauberes Risk Management.»

Den Stein ins Rollen brachte schliesslich der Stadtratsentscheid, bei den grossen Versicherungspaketen Schäden von bis zu 10 Millionen Franken selbst zu finanzieren. «Mit einem Budget von über 9 Milliarden Franken war die Summe an und für sich kein Problem für die Stadt, dennoch führte die hohe Selbstbeteiligung dazu, dass sich plötzlich viel mehr Mitarbeitende Gedanken über Risiken zu machen begannen», blickt Tolga Ece zurück. 

ERM-Modellstadt

Unter dem Namen «Charm» wurde über alle 70 Organisationseinheiten der Stadt Zürich ein gigantisches Projekt gestartet. Zusammen mit seinen drei Mitarbeitenden des Kompetenzzentrums Risiko- und Versicherungsmanagement baute Tolga Ece ein praxistaugliches Chancen- und Risikomanagement ein. Die Einführung des internen Kontrollsystems (IKS) war ebenfalls ein Teilprojekt. Seither durchleuchtet jede Einheit alle zwei Jahre ihre Chancen und Risiken. Dieses Vorgehen führte nicht nur zu tieferen Risiko-Kosten, sondern auch zu einer völlig neuen Risiko- bzw. Chancenkultur mit entsprechenden präventiven Massnahmen. 

Dass sich die neue Kultur in der Zürcher Verwaltung etablieren konnte, liegt gemäss dem obersten Risk Manager daran, dass einerseits ein klares Bekenntnis dazu von ganz oben gekommen, die Umsetzung dann aber bewusst bottom-up gemacht worden sei. «Mittlerweile», betont Ece nicht ohne Stolz, «sind wir mit unserem Enterprise Risk Management zu einer Vorzeigeorganisation für Verwaltungen in ganz Europa geworden.» Dass ERM (Enterprise Risk Management) in Verwaltungen nach wie vor wenig bis gar nicht verbreitet ist, liege daran, dass es für diese im Gegensatz zur Privatwirtschaft keine gesetzliche Verpflichtung für eine Risiko-Berichterstattung gebe.

Qualitative Messungen

Zu den grössten Risiken für die Stadt Zürich zählen seit Jahren eine Pandemie, der Fachkräftemangel in der Pflege und im Bereich IT, das Bevölkerungswachstum und die Datensicherheit. Da all diese Risiken schwierig zu beziffern sind, hat Tolga Ece von Anfang an darauf verzichtet, quantitative Werte in seinen Bewertungen zu hinterlegen. «Die qualitativen Wertungen haben den Vorteil, dass sie zu Diskussionen und Fragen anregen.» 

Mittlerweile sei den allermeisten Mitarbeitenden klar, dass eine Schadenvermeidung nicht objektiv messbar sei. «Allerdings blicken wir mit den Geschäftsleitenden bei jeder Review kurz zurück und schauen, welche der erwarteten Risiken eingetroffen sind oder sich verändert haben – auch dies führt zu einer Art Messbarkeit.»