In diversen Interviews warnt Thomas Jordan derzeit vor der Gold-Initiative. Angesichts des umstrittenen und emotionalen Themas gerät eine womöglich grössere Gefahr zunehmend in Vergessenheit: die der Deflation. Und dies, obwohl der Chef der Schweizerischen Nationalbank (SNB) darauf in diesen Wochen ebenfalls regelmässig hinweist. «Wir sind bei der Inflation momentan bei null. Je nachdem, welche negativen Schocks kommen – insbesondere auch aus der europäischen Wirtschaft – könnte die Rate in den negativen Bereich rutschen», so Jordan etwa in «20 Minuten».
«Die Gefahr von Deflation ist konkret und akut», warnt auch John Bennett. 26 Jahre Erfahrung hat der Schotte im Geschäft mit europäischen Aktien. Bei Henderson Global Investors ist er seit 2011 für die Verwaltung mehrerer Europa-Fonds verantwortlich. Laut Bennett liege das Risiko sinkendender Konsumentenpreise nicht nur in der kriselnden Euro-Zone bei 50 Prozent oder höher. Das gelte auch für die Schweiz, warnt er.
Schweizer Bondmarkt deutet auf Deflation
«Als Aktienmanager sollte ich die Signale der Obligationenmärkte ernst nehmen.» Und eine Verzinsung von 0,4 Prozent bei zehnjähriger Schweizer Staatsanleihen deute auf schwaches Wirtschaftswachstum, oder – schlimmer noch – auf sinkende Konsumentenpreise, so Bennett. Tatsächlich ist diese Gefahr für die Schweiz bereits teilweise Realität geworden: Seit Monaten gibt es keine Preissteigerungen. Der Landesindex zeigt, dass die Konsumentenpreise heute sogar rund ein Prozent unter dem Niveau von Ende 2010 stehen.
Sorgen bereitet Bennett insbesondere das Beispiel Japans. Das Land unternimmt seit Jahren grosse Anstrengungen, um der Deflationsfalle zu entkommen – mit wenig Erfolg. «Die Erfahrung zeigt, dass wenn die Preise sinken, dass sie es dann über eine längere Zeit tun», so Bennett. Denn wenn Konsumenten erst einmal mit fallenden Preisen rechnen, verschieben sie ihre Einkäufe in die Zukunft. Dieses Verhalten jedoch verschärfe das Problem der Deflation noch.
Roche, Novartis oder Syngenta als Deflationsversicherung
Doch was empfiehlt der Investmentexperte angesichts dieser Gefahren? Wie können sich Anleger vor sinkenden Preisen schützen? Bennett glaubt an Aktien als Anlageform. Vorne sieht er vor allem grosse, wachsende Unternehmen mit Preissetzungsmacht. Besonders einige Schweizer Titel scheinen es dem Briten angetan zu haben: Zu seinen grössten Einzelpositionen gehören die Pharmariesen Roche und Novartis – trotz der aktuellen hohen Bewertung. Auch Syngenta sei eine gute Versicherung gegen Deflation, so Bennett.
Daneben setzt Bennett in seiner Auswahl auch auf einige Banken in Europa, die vor allem auf den heimischen Märkten operierten – «langweilige Retailbanken», wie er sagt. Dazu gehörten unter anderem die Svenska Handelsbanken, DNB, ING, Danske Bank, Bankinter oder Nordea.
Euro schwächer, Dollar stärker – gut für Europa-Aktien
Und wie ist es um die Peripherie bestellt? Immerhin wachsen die Volkswirtschaften der Krisenländer wie Irland, Griechenland oder Spanien wieder – teilweise sogar kräftig. Bennett ist zurückhaltend. Denn noch immer sei die Euro-Zone in einer prekären Situation. Besserung könnte ein schwächerer Euro gegenüber dem Dollar bringen – vor allem, falls die beiden Währungen in den kommenden Monaten deutlich Richtung Parität liefen. Dann, so Bennett, könnten erstmals auch die europäischen Aktienmärkte sich besser schlagen als die stark bewerteten in den USA.
Wirtschaftswachstum in der Euro-Zone
Griechenland: 0,7 Prozent Bip-Wachstum Die griechische Wirtschaft ist im Sommerquartal spürbar um 0,7 Prozent gewachsen. So stark wie kein anderes Land in der Euro-Zone. Nach sechs Rezessionsjahren kann das Land erstmals wieder wachsen. Die EU-Kommission rechnet im nächsten Jahr mit knapp drei Prozent Wachstum. photoantenna/flickr/CC