Es ist das Comeback des Jahrhunderts. Knapp 40 Jahre nach dem Ende des goldverankerten Geldsystems von Bretton Woods gewinnt das Edelmetall als Währung wieder an Bedeutung. Einen Goldeuro wird es auf absehbare Zeit zwar ebenso wenig geben wie einen Golddollar. Doch immer mehr Notenbanken setzen auf das gelbe Metall. Eine gewisse Unterstützung der Währung mit Gold gilt bei den Institutionen wieder als wünschenswert, ja gar als nötig, seitdem die Leitdevise Dollar an Ansehen verliert.

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Die Wiederentdeckung des Goldes markiert eine historische Wende. Noch zur Jahrtausendwende kostete eine Unze (31,1 Gramm) des Edelmetalls weniger als 450 Franken. Heute sind es deutlich mehr als 1200 Franken. Noch deutlicher fiel der Anstieg in der US-Devise aus, in der die Notierungen an den internationalen Märkten ermittelt werden: Von 255 Dollar stieg der Preis auf zuletzt 1545 Dollar. Der Rekord liegt bei 1578 Dollar, erreicht Anfang Mai 2011.

Zentralbanken treiben den Goldpreis

Die Goldrally wurde zunächst von privaten Anlegern getrieben, die eine Alternative zu Aktien und Anleihen suchten. Dann kamen Hedgefonds und andere institutionelle Investoren hinzu, die eine Absicherung gegen den volatilen Dollar suchten. Zur stärksten Kraft haben sich in den vergangenen Jahren allerdings die Notenbanken entwickelt. Das Zentralinstitut von Mexiko kaufte zuletzt auf einen Schlag fast 100 Tonnen unter der gleichzeitigen Beteuerung, dass es den Dollar für sicher hält. Auch die Notenbanken von Russland, Thailand, Bangladesch, China und anderen Schwellenländern stocken ihre Goldbestände auf. «Die Zentralbanken waren in den vergangenen Monaten der wesentliche Treiber des Goldpreises», sagt Eugen Weinberg, Rohstoff-Stratege bei der Commerzbank.

Dass die Notenbanken der Schwellenländer Gold kaufen und die der Industrieländer nicht mehr verkaufen, bedeutet einen grossen Umschwung. Denn bis vor wenigen Jahren waren die Zentralinstitutionen dem Gold häufig eher feindlich gesinnt. Als Machtfaktor sind sie nicht zu unterschätzen. Ein Grossteil allen jemals produzierten, nicht verbrauchten Goldes liegt in den Tresoren der staatlich privilegierten Banken. Nach offiziellen Statistiken verfügen die Institutionen über rund 27300 Tonnen, werden supranationale Organisationen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hinzugerechnet, sind es 30800 Tonnen. Das ist knapp ein Fünftel der 165000 Tonnen, die seit den Zeiten des sagenhaften König Krösus gefördert worden sind.

Noch vor wenigen Jahren betrachteten die Beamten das Gold in den Tresoren eher als Last denn als Lust. Gold wirft keine Zinsen ab und unterscheidet sich dadurch von anderen Währungen, die von Notenbankern auf Knopfdruck geschaffen werden. Für Dollar, Euro oder Franken gibt es riesige Anleihenmärkte. Eine Notenbank, die ihre Währungsreserven in Dollar oder einer anderen Papierwährung hält, kann also beträchtliche Zinseinnahmen verbuchen. Je nach Grösse der Bestände können sich die Zinsen auf mehrere Milliarden Dollar, Euro oder Franken im Jahr belaufen. Da Notenbanken ihre Überschüsse in der Regel an den Staatshaushalt abführen, ist die Erwartungshaltung gross, dass sie ihre Gewinne über solche Einnahmen steigern. Zumindest galt das, als die Vorstellung vorherrschte, der Kampf gegen die Inflation sei gewonnen.

Auch die SNB verkauft nicht mehr

Inflation als ein Überangebot an Geld im Verhältnis zur Menge an Gütern und Dienstleistungen befiel in der Vergangenheit viel eher Papier- als Edelmetallwährungen. Aus dem Grund war Gold über Jahrhunderte das bevorzugte Wertaufbewahrungsmittel der Staaten. In den 80er- und vor allem den 90er-Jahren änderte sich das. Alan Greenspan, der von 1987 bis 2006 US-Notenbankchef war, suggerierte den Märkten, dass sich eine Papierwährung genauso stabil machen liess wie Gold auf Edelmetallbasis. Während seiner Amtszeit stieg die offizielle US-Inflationsrate nur selten über drei Prozent.

So schien Gold in den Tresoren seine Stabilitätsfunktion zu verlieren. Für die Notenbanken stellte sich nur noch die Frage, wie sie das gelbe Zeug möglichst vorteilhaft verkaufen konnten. Im Washingtoner Abkommen 1999 wurde eine Obergrenze für die jährlichen Goldverkäufe beschlossen, um den Unzenpreis gegen einen Absturz abzusichern.

Dieses Abkommen ist zunehmend obsolet geworden. Selbst grosse Gold-Verkäufer wie die Bank of England und die Schweizer Nationalbank (SNB) haben ihre Verkäufe eingestellt.

Um die Goldbestände der Notenbanken ranken sich auch einige Verschwörungstheorien. Eine harmlose Variante besagt, dass die Regierungen den Goldmarkt seit Jahrzehnten manipulieren, um die Inflationserwartungen der Bürger zu beeinflussen. Eine andere Theorie lautet, dass die Tresore der US-Notenbank längst leer sind. Die Federal Reserve habe ihr Gold seit langem heimlich veräussert. Der Kongressabgeordnete der Republikaner Ron Paul, ein Fed-Kritiker und Anhänger des Goldstandards, hat im US-Kongress eine Überprüfung gefordert, konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Sogar die Verhaftung des ehemaligen IWF-Chefs Strauss-Kahn wird mit dem vermeintlichen Verschwinden der Goldbestände in Fort Knox in Verbindung gebracht.

Die Verschwörungstheorien rund ums Gold sind auch deshalb so langlebig, weil die Notenbanker sich bei ihrer Goldpolitik noch weniger in die Karten blicken lassen wollen als bei ihrer Währungspolitik ohnehin. Je grösser die Bedeutung des Goldes im internationalen Devisensystem, desto genauer werden die Bürger Bescheid wissen wollen, wie viel Edelmetall in den Tresoren der Notenbanken schlummert – und wer die Hoheit über die glänzenden Barren hat.