Alfred Steininger ist Leiter Aktienresearch bei der Privatbank Hyposwiss, Zürich. Er erwartet an den Aktienmärkten einige Wochen der Unruhe, bis die Hausse an der Börse durch die Gewinne der Unternehmen getragen wird.
Die erste Hälfte der Berichtssaison ist um. Wie fällt Ihr Fazit aus?
Alfred Steininger:
Insgesamt zufriedenstellend, doch es gibt grosse Unterschiede. Während die Zahlen in der Schweiz und den USA mehrheitlich überzeugten, ging das Gewinnwachstum in Europa und auch in den Schwellenländern zurück. Innerhalb der Sektoren konnten die Finanzindustrie und die Konsumfirmen zulegen, während rohstoffabhängige Firmen unter den rückläufigen Rohstoffpreisen litten. In der Schweiz fielen die Resultate praktisch sektorübergreifend positiv aus. Die Firmen profitierten von ihrer guten Positionierung in den Nischen und natürlich auch vom Wegfall der zusätzlichen Belastung durch den Franken.
Für einmal glänzten die Finanzwerte. Hat Sie das überrascht?
Nein. Der Finanzsektor hat dieses Jahr am meisten zu den steigenden Gewinnen beigetragen. Banken wie UBS oder Credit Suisse haben ihre Hausaufgaben gemacht, die Kapitaldecke gestärkt und die Kosten gesenkt. Doch auch im Finanzsektor sind die regionalen Unterschiede offensichtlich. Insbesondere die US-Banken zeigten starke Zahlen, während die europäischen Vertreter noch hinterherhinken. Insgesamt profitiert der gesamte Sektor aber auch von einem tiefen Basiseffekt gegenüber dem Vorjahr.
Trotz den erfreulichen Zahlen zeigte sich an den Märkten in den letzten Wochen eine Seitwärtsbewegung. Weshalb?
Die Märkte sind 2013 schon sehr gut gelaufen. Der Dow Jones verbesserte sich um 18 Prozent, der defensive SMI um 15 Prozent und der Nikkei gar um 30 Prozent, gegenüber 8 bis 9 Prozent in einem durchschnittlichen Jahr. Die Hausse wurde durch die Notenbanken angetrieben. Bei den Anlegern herrscht seit Mai aber die Ungewissheit, wie lange die Geldschwemme noch anhalten wird. Bis die Gewinne der Unternehmen die Hausse tragen, wird es immer wieder Unruhe und Gewinnmitnahmen geben.
Kommt es zum Einbruch, sobald das Quantitative-Easing-Programm ausläuft?
Ich erwarte vorübergehend ein Anhalten der Konsolidierungsphase an den Aktienmärkten. Bis sich die Investoren auf die neue Situation eingestellt haben, wird es noch einige Wochen dauern. Zum Ende des Jahres sehe ich aber nochmals ein leichtes Aufwärtspotenzial, getrieben durch die US-Wirtschaft und steigende Gewinne der Unternehmen.
Doch die Schwellenländer senden durchzogene Signale aus.
Die neue politische Regierung in China drückt der Wirtschaft klar ihren Stempel auf, indem sie die Abhängigkeit vom Export reduziert und verstärkt auf den inländischen Konsum als Wachstumstreiber setzt. Dieser Richtungswechsel bringt für eine gewisse Zeit ein schwächeres Wachstum mit sich, ist mittel- bis langfristig allerdings sehr zu begrüssen. Für die Weltwirtschaft ist es positiv, wenn sich China breiter aufstellt.
Welche Risiken sehen Sie, die den Aufwärtstrend an den Märkten im zweiten Halbjahr stoppen könnten?
Das Umfeld muss aktienfreundlich bleiben. Nochmals ein starker und schneller Zinsanstieg wäre Gift für die Märkte. Ein deutlicher Rückgang in den Schwellenländern könnte sich ebenfalls negativ auswirken. Und auch die Euro-Krise darf nicht vergessen werden. Ich bin aber zuversichtlich, dass Amerika die Rolle als Wachstumslokomotive für die Weltwirtschaft von den Schwellenländern übernehmen wird.
Wie sollen sich die Investoren denn verhalten?
Ich empfehle, in Aktien investiert zu bleiben und Rückschläge für Zukäufe zu verwenden.
Auf welche Werte würden Sie setzen?
Ich empfehle ein Portefeuille aus dividendenstarken Titeln und Wachstumsaktien zusammenzustellen. In der Schweiz sind dies beispielsweise Roche, Schindler, Syngenta und Helvetia als defensive Dividendenwerte und Clariant, Swatch, Georg Fischer oder auch Credit Suisse als Wachstumstitel.