Der Kampf der chinesischen Regierung gegen den Ausverkauf an den heimischen Aktienbörsen verlagert sich zunehmend auf die Terminmärkte. Denn dort türmen sich Wetten auf einen erneuten Kursrutsch. «Viele Anleger warten auf eine Erholung des Marktes, um ihre Aktien dann zu verkaufen», sagt Wang Feng, Gründer und Chef des Hedgefonds Alpha Squared Capital.
In der Zwischenzeit spekulierten sie mit sogenannten Futures auf fallende Kurse und sicherten sich damit gegen eventuelle Kursverluste ab. Doch die Behörden schauen dieser Entwicklung nicht tatenlos zu. Sie halten mit Terminkontrakten auf steigende Kurse dagegen.
Investoren müssen wenig Geld einsetzen
Bei Futures handelt es sich um Wetten, dass der zugrunde liegende Wert - beispielsweise ein Aktienindex oder ein Rohstoff - zu einem festgelegten Zeitpunkt einen bestimmten Preis hat. Der Clou: Weil nur ein relativ geringer Teil des Kontraktvolumens als Sicherheitsleistung («Margin») hinterlegt werden muss, können Investoren mit kleinem Einsatz grosse Wetten platzieren.
In China hat die Spekulation auf fallende Kurse - «Short Selling» genannt - in den vergangenen Wochen kräftig zugenommen. Auslöser war der Ausverkauf am Aktienmarkt, der nach seiner Kursverdoppelung in den vorangegangenen sechs Monaten um rund ein Drittel einbrach.
Viele wollen mit Crash verdienen
Aus diesem Grund notieren die Futures auf den Leitindex der Börse Shenzhen aktuell bis zu drei Prozent unter dem Kurs des Aktienindex. Dax und Dax-Future liegen dagegen fast gleichauf. Dieser Überhang an Short-Positionen ist eine Gefahr für die Bemühungen der chinesischen Regierung, den Kursrutsch aufzuhalten. Sie hatte unter anderem institutionelle Anleger zu Stützungskäufen aufgefordert.
«Die Bären haben noch nicht aufgegeben«, betont ein Vertreter des Brokerhauses Citic Futures. «Wenn sie Kleinanleger beeinflussen und eine neue Runde von Panikverkäufen auslösen können, haben sie die Chance auf ein Comeback.» Als «Bären» werden an der Börse Anleger bezeichnet, die auf fallende Kurse spekulieren.
Regierung tritt selber als Käufer auf
Allerdings interveniere die Regierung nun wohl auch direkt am Terminmarkt, fügte der Citic-Experte hinzu. In der vergangenen Woche seien 30.000 sogenannte Long-Kontrakte gekauft worden, mit denen auf steigende Kurse gewettet wird. Das Geld komme offenbar von staatsnahen Investoren. «Letztendlich dreht sich alles um die Frage, welche Seite mehr Geld hat.»
Die Regierung in Peking vertraut aber nicht allein auf die Macht des Geldes, sondern rückt Futures-Anlegern auch mit strengeren Auflagen zu Leibe. So erschwerte sie die Aufnahme von Krediten für Termingeschäfte und begrenzte den Handel mit einigen Papieren. Ausserdem ermitteln die Behörden gegen Investoren wegen angeblich illegaler Machenschaften. Einige Beobachter werten dies als Einschüchterungsversuche.
Analysten rechnen mit weiterer Talfahrt
Damit versuche die Regierung, die Geister wieder einzufangen, die sie selbst gerufen habe, betont Commerzbank-Analyst Ralph Solveen. Futures gibt es zwar schon seit rund 150 Jahren, doch in China wurden diese Derivate erst 2010 im Rahmen der Liberalisierung der Finanzmärkte zugelassen. Sie sollte Anleger dazu ermutigen, verstärkt chinesische Aktien zu kaufen. Denn Kurssicherungsgeschäfte ermöglichen Investoren, aggressiver zu spekulieren. In China fiel dieses Angebot auf fruchtbaren Boden: Im Mai wurden mehr Terminkontrakte auf den CSI300 gehandelt als auf den US-Index S&P 500.
Commerzbank-Experte Solveen bezweifelt, dass die Regierung mit ihrer aktuellen Taktik die Talfahrt des chinesischen Aktienmarktes langfristig aufgehalten werden kann. «Denn die Eingriffe der Politik machen die chinesischen Finanzmärkte für in- und ausländische Investoren unattraktiver.» Diese würden daher sicher bei nächster Gelegenheit in grossem Stil Geld abziehen.
Parallelen zur US-Finanzkrise
Ausserdem seien die Bemühungen der Regierung, Investoren vor grösseren Verlusten zu bewahren, psychologisch bedenklich. «Damit verleitet sie die Anleger, im Vertrauen auf diese 'Absicherung' immer grössere Risiken einzugehen, was immer neuer Blasen begünstigt», warnt Solveen.
«Dies erinnert an die Jahrtausendwende, als die US-Notenbank Federal Reserve die Geldpolitik wiederholt lockerte, um die Finanzmärkte zu stabilisieren, und dieser 'Greenspan-Put' hat sicherlich zum Entstehen der Finanzkrise beigetragen.»
(reuters/mbü)