Die Nervosität der Börsianer nimmt zu. Wer als Unternehmen enttäuschende Zahlen vorlegt, wird sofort abgestraft. So stürzten Anfang März die Valoren von Ypsomed nach einer Gewinnwarnung um elf Prozent ab. Adecco verloren innert zweier Tage zehn Prozent, nachdem der Personalvermittler enttäuschende Zahlen gemeldet hatte. Und als Lafarge-Holcim einen saftigen Verlust bekannt gab, büssten die Aktien bis zu acht Prozent ein. Worauf der frischgebackene CEO Jan Jenisch (51) gegenüber der «NZZ am Sonntag» frustriert meinte: «Diese Kursbewegung hat mich natürlich enttäuscht.» Weitaus mehr enttäuscht dürften allerdings die Aktionäre gewesen sein.

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Nun ist es zwar nicht ungewöhnlich, dass ein neuer Unternehmenschef hohe Abschreiber vornehmen lässt, um danach leichter bessere Resultate erzielen zu können. Doch Jenischs Ausputzer ist mit 3,8 Milliarden Franken unerwartet hoch ausgefallen.

Aktien-Kauf eilt nicht

Eine Gewinnwarnung hätte das Kursdebakel der Lafarge-Holcim-Aktie wohl abgeschwächt. Denn die jüngst vorgestellte «Strategie 2022 – Building for Growth» tönt gut: Förderung des organischen Wachstums; regelmässige, dafür kleinere Übernahmen; Expansion in Nicht-Zement-Aktivitäten; Verschlankung der Konzernorganisation; strikteres Kostenregime. Um mehr Mittel für die Expansion zur Verfügung zu haben, wird das Aktienrückkaufprogramm auf gut halbem Weg gestoppt.

Jan Jenisch, CEO LafargeHolcim

Strategisch auf Zack: Lafarge-Holcim-CEO Jan Jenisch.

Quelle: Keystone

Die meisten Finanzanalysten zeigen sich optimistisch, dass die neue Wachstumsstrategie auch auf der Ertragsseite aufgeht. Martin Hüsler von der Zürcher Kantonalbank erwartet für 2019 und 2020 einen Umsatzzuwachs von je fünf Prozent, der Reingewinn dürfte um 15,8 respektive 9,3 Prozent zunehmen. Für das laufende Jahr stellt sich das geschätzte Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf 14,2.

Damit sind die Aktien des Zementriesen auf mittelfristige Sicht attraktiv. Nur wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis die Anleger wieder Vertrauen in Lafarge-Holcim gefasst haben. Ein Kauf eilt deshalb nicht.

Krisenzeiten bei Aryzta

Ein Bild des Jammers bietet Aryzta. Das Unternehmen entstand vor zehn Jahren aus der Fusion des Schweizer Gipfelibäckers Hiestand mit dem irischen Backwarenhersteller IAWS. Der Backwarenkonzern ist nie auf einen grünen Zweig gekommen. Im Gegenteil haben sich die Absatz- und Ertragsprobleme des Unternehmens laufend verschärft.

Für das Geschäftsjahr 2016/17 mussten desaströse Zahlen vorgelegt werden: ein Verlust von 906 Millionen Euro. Doch auch im ersten Semester 2017/18 haben Sondereffekte – sprich Abschreiber – das Ergebnis schwer belastet.

Die alte Führungsmannschaft, die den schweizerisch-irischen Konzern immer tiefer in die Krise geritten hat und sich für ihre schlechten Dienste auch noch fürstlich entlöhnen liess, musste vor Jahresfrist abtreten. Seit Herbst ist eine neue Crew unter Chefbäcker Kevin Toland (52) am Ruder. Doch das Management musste eine arg vergiftete Hinterlassenschaft übernehmen.

Im besten Fall stellt sich ein Turnaround mittelfristig ein, im schlechtesten Fall schlittert der schwer verschuldete Grossbäcker in den Konkurs. Ich warne seit Jahren vor Aryzta. Seit Sommer 2014 haben die Aktien denn auch drei Viertel ihres Wertes eingebüsst. Weiterhin gilt: Hände weg.

Highflyer Georg Fischer

«Der GF-Tipp war gut. Soll ich jetzt aussteigen?», fragt mich ein Leser. Ich habe Georg Fischer letztmals im Oktober 2016 empfohlen, seither haben die Titel gut 60 Prozent zugelegt. Bei solchen Gewinnen gibt es eigentlich nur eines: subito ins Trockene bringen. Andererseits gilt die Börsenregel: «Let the profits run.» Und die GF-Titel gehören zu den Dauer-Highflyern am Heimmarkt, über die letzten fünf Jahre hat sich der Kurs beinahe vervierfacht.

Das kommt nicht von ungefähr. Die Schaffhauser Industriegruppe erntet die Früchte aus der Konzentration auf höherwertige und damit margenstärkere Geschäftsfelder. So haben über die vergangenen Jahre Betriebs- und Reingewinn gegenüber dem Umsatz weit überproportional zugelegt, und für 2017 präsentierte Konzernchef Yves Serra (64) erneut tolle Resultate.

Yves Serra

Bleibt auf Wachstumskurs: Yves Serra fährt mit Georg Fischer gute Ergebnisse ein.

Quelle: Keystone

Das über 200 Jahre alte Unternehmen bleibt auf Wachstumskurs. Der Auftragsbestand steht auf einem Zehnjahreshöchst. Die Dynamik wird auch über das laufende Geschäftsjahr hinaus anhalten. Betriebs- und Reingewinn dürften in den nächsten zwei Jahren um etwas über zehn Prozent zunehmen.

Mit einem KGV von 19 für 2018 und 17 für 2019 bleiben die Aktien attraktiv. Einzig bei der Dividende könnte sich GF angesichts einer Ausschüttungsquote von nicht einmal 40 Prozent etwas grosszügiger zeigen. Die Rendite von 1,7 Prozent jedenfalls ist wenig berauschend.

Valora ohne Sexappeal

Nur wenige Schweizer Unternehmen haben über die letzten Jahre eine derart umwälzende Transformation durchgemacht wie Valora. So stiess die Firma den Pressegrosshandel sowie den Verkauf von Markenprodukten ab. Im Gegenzug wurden der Laugen-Backwarenhersteller Ditsch-Brezelkönig, das Food-Service-Unternehmen Back-Werk oder die US-Firma Pretzel Baron eingekauft.

Dennoch bleiben die Erfolge der in Muttenz BL angesiedelten Gruppe eher bescheiden. So ist im vergangenen Jahr der Umsatz um 0,9 Prozent und der Gewinn um 9,9 Prozent gesunken. Zwar wurden die Resultate von ausserordentlichen Ereignissen leicht belastet, doch auch ohne diese Einflüsse sieht es nicht überwältigend aus.

Gute Leistung, wenig Erfolg: Michael Mueller fokussierte Valora, kämpft aber nach wie vor gegen dünne Margen.

Der Führungsmannschaft unter CEO Michael Mueller (45) muss man für den Umbau des Konzerns ein Kränzchen winden. Valora ist heute klar fokussiert, die Organisation schlanker. Doch bei den Margen kann auch Mueller nicht zaubern. Von einem Umsatzfranken bleiben nur knapp drei Rappen als Gewinn hängen. Trotz höherer Mittelfristziele ist das Ertragspotenzial in diesem Geschäft beschränkt.

Die defensiven Aktien bringen Stabilität ins Portfolio, sie eignen sich deshalb für konservative Anleger. Für meinen Geschmack allerdings birgt der Verkauf von Zigaretten, Zeitungen, Bretzeln, Kaffee und Büchern zu wenig Sexappeal. Zumal die Valoren mit einem für dieses Jahr geschätzten KGV von 22 im Branchenvergleich hoch bewertet sind.

Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ. Schreiben Sie ihm an: bahnhofstrasse@bilanz.ch