Der US-chinesische Handelsstreit ist derzeit das Hauptthema an den Börsen. Mit welcher Entwicklung rechnen Sie? Und wie stark wird die Schweizer Wirtschaft in diesem Szenario leiden?
Patrik Lang: Es wird sehr wahrscheinlich früher oder später zu einer Einigung kommen. Eine Eskalation hätte vor allem für die USA selbst weitreichende negative Folgen. Die US-Wirtschaft ist überdurchschnittlich stark auf weltweite Wertschöpfungsketten angewiesen. Im Falle einer Eskalation wäre mit grösseren wirtschaftlichen Verwerfungen zu rechnen. Donald Trump wird im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen kaum das Risiko einer selbstverschuldeten Rezession eingehen, und auch die Chinesen sind kompromissbereit. Die Schweiz wäre als verhältnismässig offene und kleine Volkswirtschaft ebenfalls überdurchschnittlich stark von einer Beeinträchtigung des Welthandels betroffen.

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Was beschäftigt derzeit Finanzmärkte darüber hinaus?
Die Konjunkturaussichten bleiben das entscheidende Thema. Seit dem letzten Sommer hat sich die globale Wachstumsdynamik ausgehend von China deutlich abgeschwächt. Seit Jahresbeginn sehen wir ausgehend von China eine Stabilisierung der weltweiten Konjunktur Die Frage ist jetzt, ob sich diese Entwicklung fortsetzt. Zuletzt haben sich die Anzeichen für eine bevorstehende Wachstumsbeschleunigung verdichtet. Die Chinesen stimulieren das Wachstum im eigenen Land und zuletzt haben sich auch in Europa die Anzeichen für eine Stabilisierung gehäuft. Die US-Wirtschaft läuft ohnehin gut.

LangBankJuliusBaerBoerseninterview

*Patrik Lang ist Leiter Aktien & globale Aktienstrategie bei der Bank Julius Bär.

Quelle: ZVG

Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Nach dem starken Jahresbeginn ist eine Konsolidierung auf dem aktuellen Niveau wahrscheinlich. Die konjunkturelle Entwicklung sollte stützen, aber wir sehen keine kurzfristige Einigung im Handelsstreit, was das kurzfristige Aufwärtspotential limitiert.  Wir rechnen vor diesem Hintergrund mit einer eher volatilen Seitwärtsbewegung.

Wo steht der SMI in 12 Monaten?
Wir sehen den SMI in 12 Monaten bei 9900 Punkten. Einschliesslich Dividende entspräche dies einem Potential von etwa 7 Prozent. Das heisst, Kursrückschläge sollten für Zukäufe genutzt werden.

Die britische Arbeitslosigkeit ist auf dem tiefsten Stand seit 1975. Schadet der Brexit der Wirtschaft auf der Insel weniger stark als gedacht?
Nein, im Gegenteil. In den beiden Jahren nach dem Brexit-Votum sind die Wachstumsraten deutlich unter den europäischen Durchschnitt gefallen. Nachdem Grossbritannien in den Jahren davor Spitzenreiter in Europa beim Wirtschaftswachstum gewesen war, bildete Grossbritannien nach der Entscheidung für den EU-Austritt auf einmal zusammen mit Italien das Schlusslicht in Europa beim Wachstum. In dieser Zeit wurden die Wachstumserwartungen für die britische Wirtschaft kontinuierlich nach unten angepasst, während für alle anderen europäischen Länder die Erwartungen nach oben korrigiert wurden. Das war deshalb überraschend, weil das Land ja nach wie vor EU-Mitglied ist mit freiem Zugang zum Binnenmarkt. Hinzu kommt, dass die Pfundschwäche das Wachstum stützte. Gegen Ende letzten Jahres war die britische Wirtschaft dann wieder verhältnismässig robust, weil das Land nur unterdurchschnittlich in Schwellenländer exponiert ist, wo zu dieser Zeit das Zentrum der globalen Wachstumsschwäche war. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Brexit werden schmerzhaft sein, aber sie werden sich graduell über viele Jahre entfalten und nicht in Form eines kurzfristigen Schocks.

Immobilien und Gold sind noch vor Aktien die beliebteste Anlageform der Schweizer. Halten Sie diese Präferenzen für sinnvoll?
Aktien sind auf lange Sicht die Anlageklasse, welche die höchsten Renditen bringt und dies dürfte auch so bleiben. Viele haben sich aber in den vergangenen 20 Jahren mit Aktien die Finger verbrannt und haben den Glauben an Dividenden-Papiere verloren. Das ist ein Fehler, weil Aktien tendenziell gerade dann attraktiv sind, wenn die Zweifel gross sind. Das hat sich in den vergangenen 10 Jahren wieder gezeigt. Unterm Strich glauben wir, dass die Aktienquoten in vielen Schweizer Depots derzeit zu niedrig sind, und die Cash-Bestände zu hoch.

Welche Schwellenländer sind derzeit besonders interessant?
Der chinesische Aktienmarkt hat dieses Jahr bereits eine überdurchschnittliche Renditeentwicklung abgelegt. Die Stimulierungsmassnahmen der chinesischen Regierung haben seit Februar zu einer Stabilisierung der Wirtschaft geführt. Aufgrund der erneuten Handelsspannung und eher enttäuschenden Wirtschaftszahlen im April erwarten wir zusätzliche Stimulusprogramme, welche unterstützend auf den chinesischen Aktienmarkt auswirken sollten. Trotz der starken Performance bleibt der Aktienmarkt in China nach wie vor attraktiv bewertet.

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