WÄHRUNG.
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Mit einem solchen Kollaps hatten nicht einmal Dollar-Pessimisten gerechnet. Die US-Währung fällt auf ein historisches Tief. Hauptprofiteure des Dollar-Blues sind Rohstoffe: Öl erklimmt ein neues Rekordhoch, Gold steigt wegen der Inflationsangst.
Nach dem beträchtlichen Wertverfall der US-Währung in den vergangenen Wochen hat der Greenback am Montag weiter an Boden verloren. Erstmals in der Geschichte mussten mehr als 1.44 Dollar für einen Euro hingelegt werden. Damit hat die US-Devise gegenüber dem europäischen Geld allein in den vergangenen fünf Handelstagen 2% an Wert eingebüsst. «Der Dollar befindet sich auf einer schiefen Ebene. Auch wenn es zwischenzeitliche Erholungen geben mag: Langfristig ist die Talfahrt nicht aufzuhalten», sagt Folker Hellmeyer, Stratege bei der Bremer Landesbank. Was potenzielle USA-Touristen erfreut, weil es Urlaube im Land der unbegrenzten Möglichkeiten billiger macht, lässt Investoren nervös werden: Der Wertverfall der Weltleitwährung gilt vielen als Vorbote eines Inflationsschubs, der das Vermögen von Sparern und Rentnern bedrohen könnte. Folglich flüchten die Akteure in wahre Werte: Zu den Hauptprofiteuren des Dollar-Blues gehörten Rohstoffe. Gold verteuerte sich zu Wochenbeginn auf 793 Dollar je Feinunze und war damit so teuer wie seit Anfang der 1980er Jahre nicht mehr. In der damaligen Inflationsfurcht war der Goldpreis für kurze Zeit auf mehr als 800 Dollar gestiegen und hatte am 21. Januar 1980 seinen bisherigen Höchststand bei 850 Dollar markiert.
Rohöl auf historischem Höchst
Erdöl der Sorte West Texas Intermediate (WTI) erreichte mit 93.20 Dollar je Fass sogar ein historisches Hoch. Damit müssen sich Autofahrer auf noch höhere Spritpreise, Verbraucher auf noch höhere Heizkosten einstellen. Besonders beunruhigend: Der wichtige Energieträger ist nunmehr auch inflationsbereinigt so teuer wie noch nie. Bisher war diese zweifelhafte Ehre dem Jahr 1981 zugekommen, als der Ölpreis nach einer ideologisch motivierten Produktionsdrosselung des Iran förmlich explodiert war. Auch diesmal werden geopolitische Gründe für das Hochschnellen der Notierungen verantwortlich gemacht. Die vergangene Woche verschärften Sanktionen gegen Teheran bringen ebensoviel Unruhe in den Markt wie der drohende Einmarsch türkischer Truppen in den Nordirak. «Wir rechnen nun damit, dass sich der Ölpreis in nächster Zeit tatsächlich Richtung 100 Dollar je Barrel bewegen wird», sagt Eugen Weinberg, Rohstoff-Experte bei der Commerzbank in Frankfurt.
Goldpreis über 800
Doch auch der Dollar-Kollaps trägt zum Hochschiessen der Energienotierungen bei. «Wenn der Kurs des Greenback sinkt, geht der Ölpreis nach oben», beschreibt Jan Loeys von der amerikanischen Investmentbank JPMorgan den Mechanismus. Der Grund liegt auf der Hand: Da das Schwarze Gold auf den Weltmärkten in US-Geld abgerechnet wird, setzen die Produzenten alles daran, höhere Dollar-Preise durchzuboxen. Sonst würden sie in heimischer Währung nicht auf ihre Kosten kommen. Allerdings geht dies nur bis zu einem bestimmten Punkt. Und schon öfter hat es Spekulationen gegeben, dass manche Ölförderländer keine Greenbacks mehr akzeptieren, sondern nur noch «harte» Devisen wie den Euro. Ein noch viel grösserer Nutzniesser der Dollar-Schwäche ist das Gold. Als (leider nur vermeintliche) Gegenwährung verspricht das weltweit geschätzte Edelmetall fälschlicher Weise all jenen Investoren Vermögensschutz, die mit einer Zuspitzung der Dollar-Krise und einer neuen Inflationsära rechnen (siehe «Inflation frisst auch Gold» auf Seite 41).Nichtsdestotrotz: Hatte Anfang des Jahres kaum ein Analyst Goldnotierungen von 700 Dollar und mehr vorherzusagen gewagt, so lassen die Währungsturbulenzen nun auch ganz andere Stände möglich erscheinen. JPMorgan-Experte Loeys glaubt, dass schon bald 1.48 Dollar für einen Euro bezahlt werden müssen und dass der Preis der Feinunze bis Mitte nächsten Jahres auf 821 Dollar klettert. Noch deutlicher äussert sich Michael Lewis, Analyst bei der Deutschen Bank: «Aus der Geschichte wissen wir, dass es bei derartigen Devisenmarktbewegungen meist ein ‹Überschiessen› gibt: Es würde mich daher nicht wundern, wenn wir die Marke von 1.50 Dollar sehen.» Der Goldpreis könnte dann deutlich über 800 Dollar liegen. Sein Kollege Weinberg hält sogar ein baldiges Übertreffen des Rekordhochs von Januar 1980 für möglich.
Gefahr einer harten Landung
Fest steht, dass die Entwicklung eine solche Dynamik erreicht hat, dass sie ihrerseits auf die Realwirtschaft zurückwirkt. So sehen manche Ökonomen die Wahrscheinlichkeit einer Rezession eben durch die Flucht in reale Werte steigen. «Die Ölpreishausse lässt die Gefahr einer harten Landung der US-Ökonomie steigen», sagt zum Beispiel Nouriel Roubini, Wirtschaftsprofessor an der New York University.