Heute himmelhoch jauchzend, morgen zu Tode betrübt. Angesichts der enormen Volatilität der Aktienkurse benötigen Anleger dieser Tage starke Nerven. In unruhigen Zeiten neigt die Börse gerne zu Übertreibungen – nach oben wie nach unten. Und für den Anleger eröffnen sich Einstiegschancen und damit Kursgewinne – zumindest bis die Aktienmärkte in absehbarer Zeit in die wohl unausweichliche Korrektur umschwenken.

Heftig in den Keller geprügelt wurden die Papiere der Uhren- und Luxusgüterkonzerne. So verloren Swatch Group innert gerade mal vier Monaten über 30 Prozent an Wert, was die Börsenkapitalisierung um acht Milliarden Franken schrumpfen liess. Dabei hatte der oberste Taktgeber Nick Hayek (64) im Juli exzellente Zahlen vorgelegt: Noch nie wurden in einem ersten Halbjahr derart viele Uhren und Schmuckstücke verkauft wie 2018, der Umsatz stieg um 15 Prozent, der Gewinn legte sogar um gut zwei Drittel zu.

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Klar, der Handelsstreit zwischen den USA und China ist dem Geschäft des weltgrössten Uhrenherstellers wenig zuträglich. Und im September sind die Uhrenexporte um sieben Prozent zurückgegangen. Worauf einige Analysten ihre Gewinnschätzungen für Swatch kappten. Dennoch ist die Reaktion der Börse übertrieben. Das lässt sich daran ablesen, dass die Aktien mit einem für 2019 geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 14,4 so günstig sind wie seit ewig nicht mehr. Eine Kaufgelegenheit für Contrarians.

Schmucke Aktien

Nicht viel besser ist es Richemont ergangen: Die Aktien sind seit Mai um 28 Prozent eingebrochen. Und dies, obwohl in den ersten fünf Monaten der Umsatz um 22 Prozent auf 5,7 Milliarden Euro stieg. Primär ein Resultat der vollständigen Übernahme des Onlinehändlers Yoox Net-a-Porter sowie der Akquisition der Uhrenplattform Watchfinder. Doch auch organisch glänzte Richemont mit einem Plus von zehn Prozent. Ertragszahlen wurden nicht bekannt gegeben.

LONDON, ENGLAND - MARCH 16:  Montblanc CEO Jerome Lambert attends the Montblanc Summit launch event at The Ledenhall Building on March 16, 2017 in London, England.  (Photo by Jeff Spicer/Getty Images For Montblanc)

Richemont-Lenker Jérôme Lambert: Die Aktien sind seit Mai um 28 Prozent eingebrochen.

Quelle: 2017 Getty Images

Der frischgebackene Konzernchef Jérôme Lambert (49) wird zwar dieses Wachstumstempo kaum aufrechterhalten können. Denn es mehren sich die Anzeichen, dass die Nachfrage nach Luxusgütern etwas nachlassen wird. Doch die Aussichten bleiben positiv, Finanzanalysten rechnen im Durchschnitt mit einem Gewinnplus von zehn Prozent. Der massive Kursrückschlag jedenfalls ist fundamental nicht zu begründen. Die Aktien bieten mit einem für 2018/19 geschätzten KGV von 17,3 eine Einstiegschance.

Für Renditejäger

Global brummt die Wirtschaft. Doch der Handelszwist zwischen den USA und China dürfte die Weltkonjunktur zunehmend eintrüben. Viele Rohstoffpreise, vor allem jene für Industriemetalle wie Aluminium, Kupfer und Eisenerz, stehen unter Druck. Bislang sprudeln die Gewinne noch bei den führenden Bergbaumultis. Rio Tinto hat im ersten Semester deutlich höhere Gewinne verbucht, auch BHP Billiton meldete für 2017/18 ausgezeichnete Zahlen. Die sinkenden Rohstoffpreise dürften die Ertragslage allerdings zunehmend belasten. Grosse Einbrüche sind dagegen kaum zu erwarten; beide Multis haben über die letzten Jahre Schulden abgebaut, Kosten getrimmt und unattraktive Aktivitäten versilbert.

Mittelfristig sind die Aussichten wieder rosiger. Dessen ungeachtet stehen beide Aktien seit Monaten unter Abgabedruck. Das Resultat: Rio Tinto werden für 2019 mit einem KGV von gerade mal 10,4 bewertet, BHP sind mit 12,1 nur wenig teurer. Noch besser gefällt mir ein anderer Aspekt: die aktionärsfreundliche Haltung der beiden Branchenleader. Milliardenschwere Aktienrückkäufe, Auszahlungen der Gelder aus Devestitionen an die Aktionäre oder Dividendenerhöhungen sind nicht ungewöhnlich. Auf Basis der geschätzten Ausschüttungen für nächstes Jahr rentieren Rio Tinto mit verführerischen 5,9 und BHP sogar mit 6,9 Prozent. Da lassen sich auch Währungsrisiken verschmerzen.

Frischer Wind

Jahrelang litt Gurit an einer akuten Wachstumsschwäche. Und nun kommt gleich ein Umsatzzuwachs von einem Drittel dazu. Der Hersteller von Hochleistungskunststoffen kauft für 80 Millionen Franken die dänische JSB Group, die ein Verkaufsvolumen von 120 Millionen mitbringt. JSB produziert Bausätze für Windturbinen, ein Gebiet, in dem Gurit bereits eine starke Marktstellung hält. CEO Rudolf Hadorn (55) verspricht sich vom Einkauf denn auch einen Ausbau im Geschäft mit Windkraftanlagen sowie Synergien und damit tiefere Kosten.

Rudolf Hadorn, Mitte, CEO des Spezialkunststoff-Herstellers Gurit, spricht anlaesslich einer Medienkonferenz zum Halbjahresergebnis im SIX Convention Point am Montag, 24. August 2015, in Zuerich. Gurit, ein fuehrender Hersteller von Hochleistungsverbundwerkstoffen, hat ihren Betriebsgewinn von Januar bis Juni auf 15,8 Millionen Franken verdoppelt, wie das Unternehmen am Montag mitteilte. Auch die Betriebsgewinnmarge verdoppelte sich beinahe auf 8,9 Prozent.

Umsatzschub: Mit dem Kauf der JSB Group trieb CEO Rudolf Hadorn den Aktienkurs von Gurit kurzzeitig in die Höhe.

Quelle: KEYSTONE/Dominic Steinmann

Die Akquisition hat den Aktienkurs innert weniger Tage um über zehn Prozent in die Höhe getrieben. Nur ist die Euphorie schnell wieder verflogen. Kein Wunder, denn die Windenergie hat auch schon bessere Tage gesehen. In Fördernationen wie Deutschland ist Sparen angesagt, das Umsatzvolumen in der Windkraft ist über die letzten Jahre um über ein Fünftel eingebrochen. Vorderhand sehe ich keine Anzeichen, dass sich dieses Geschäft bald deutlich beleben wird.

Die Aktien haben seit Jahresbeginn gegen zwanzig Prozent an Wert eingebüsst. Mit einem KGV von 13,1 scheinen die Titel unterbewertet zu sein. «Übergewichten», rät die Zürcher Kantonalbank. «Sell», lautet das Verdikt der UBS. Ich warte ab, wie sich das Geschäft von Gurit entwickelt. Das erste Halbjahr jedenfalls war durchzogen: deutlich mehr Umsatz, deutlich weniger Gewinn.

Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ. Schreiben Sie ihm an: bahnhofstrasse@bilanz.ch