EZB-Präsident Mario Draghi hat für Anfang kommenden Jahres eine Entscheidung über neue geldpolitische Massnahmen im Kampf gegen die drohende Deflation angekündigt. Dann solle bewertet werden, wie die bisher eingesetzten Instrumente gewirkt hätten, sagte der Italiener am Donnerstag in Frankfurt. Der EZB-Rat sei zu zusätzlichen unkonventionellen Massnahmen bereit, sollte sie notwendig sein. «Dies würde bedeuten, Anfang nächsten Jahres Grösse, Tempo und Zusammensetzung unserer Massnahmen zu verändern», so Draghi.

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Es wird damit gerechnet, dass die Europäische Zentralbank (EZB) künftig auch Staatsanleihen kaufen wird. Die Inflation in den 18 Ländern der Währungsunion war zuletzt nur noch um 0,3 Prozent gestiegen. Die EZB peilt knapp zwei Prozent an. Sinken die Preise auf breiter Front, kann das im schlimmsten Fall dazu führen, dass Verbraucher Kaufentscheidungen verschieben und Unternehmen nicht in neue Anlagen und Maschinen investieren. Dadurch entsteht ein für eine Volkswirtschaft giftiger Cocktail.

Deutliche Korrektur der Prognosen

Die Wachstums- und Preisaussichten im Euroraum haben sich aus Sicht der EZB von geringem Niveau aus abermals eingetrübt. Die Notenbank rechnet für die Jahre 2014 bis 2016 mit einem noch schwächeren Wachstum und geringerem Preisauftrieb.

Im laufenden Jahr erwartet die Notenbank eine Wachstumsrate von 0,8 Prozent, für 2015 wird eine Rate von 1,0 Prozent veranschlagt. Das sind 0,1 Prozentpunkte beziehungsweise 0,6 Punkte weniger, als noch im September erwartet worden war. 2016 dürfte sich das Wachstum auf 1,5 (bisher 1,9) Prozent erhöhen.

Die Inflationsrate dürfte im laufenden Jahr nur 0,5 Prozent betragen, nachdem bislang von 0,6 Prozent ausgegangen wurde. Für 2015 rechnet die EZB mit einer Rate von 0,7 (bisher 1,1) Prozent, für 2016 werden 1,3 (bisher 1,4) Prozent erwartet.

Enttäuschte Märkte

Die Märkte reagieren enttäuscht auf die jüngsten Entscheide und Äusserungen aus Frankfurt. Bei stark anziehenden Umsätzen schwankt der Dax kurz nach Beginn der Pressekonferenz von EZB-Chef Mario Draghi heftig hin und her: Zunächst springt er auf ein Allzeithoch von 10’083 Punkte, ehe er auf 9964 Zähler abrutscht. Der Euro sprang hoch auf 1,2365 Dollar von 1,2424 Dollar unmittelbar vor Beginn der Pressekonferenz.

Auch der SMI hat die im Tagesverlauf erzielten Kursgewinne praktisch wieder verloren. Der wichtigste Schweizer Aktienindex notierte kurz nach dem Beginn von Draghis Pressekonferenz um 14.30 Uhr mit 9168 Punkten praktisch auf dem Schlussniveau vom Vortag. Zuvor war der Leitindex bis auf ein neues Sieben-Jahres-Hoch von 9219 Zähler gestiegen. Der Druck auf den Franken stieg kurzfristig, löste sich danach aber wieder. Der Euro notierte kurzfristig bei 1,2025 Franken.

«Viele haben gehofft, dass Draghi den Start von Staatsanleihenkäufen für Anfang nächsten Jahres ankündigen würde - aber das hat er nicht getan», erklärte Analyst John Smith von Brown Shipley. Draghi habe aber nichts wirklich Neues gesagt. Marktstratege Robert Halver von der Baader Bank hält die Aussagen für klar genug: Die niedrigeren Inflations- und Wachstumsprognosen seien ein sicheres Indiz für ein Handeln im ersten Quartal.

(reuters/awp/ise/ama)