Das norwegische Wort «lønnsom» sollte man sich merken. Es bedeutet Gewinn bringend, und wenn von der Börse in Oslo die Rede ist, dann fällt dieses Wort ziemlich oft. In den vergangenen zwei Jahren ging es im kühlen Norden nämlich heiss zu und her. Mit einer Performance von 114 Prozent bewies der Oslo All Share Index, dass Norwegen nicht nur ein interessantes Ferienziel ist. In ganz Skandinavien entwickelten sich die Aktienmärkte besser als der globale Durchschnitt. Schwedische und dänische Titel legten seit Mai 2003 um rund 30 Prozent zu, wohingegen sich der MSCI World lediglich um knapp 14 Prozent verbesserte.

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«Die Aktienmärkte in Skandinavien», erwartet Tommi Saukkoriip, Manager des Nordea Nordic Fund, «werden auch 2005 noch eine gute Entwicklung erleben.» Er erwartet für dieses Jahr einen Anstieg der nordischen Börsen von fünf bis zehn Prozent. Die Gründe für den Aufwärtstrend sind in den skandinavischen Ländern aber verschieden. Denn auch wenn etwa Schweden, Dänemark und Norwegen gerne in einem Atemzug genannt werden, so sind doch die Unterschiede von Land zu Land grösser als die Gemeinsamkeiten.

Norwegen

Anders als in den übrigen Ländern ist der wichtigste Wachstumsmotor in Norwegen das Öl. Der rekordhohe Preis für das schwarze Gold liess die Aktienkurse in Oslo in die Höhe schiessen. Energieaktien machen dort rund 50 Prozent des Marktvolumens aus. Dabei haben nicht nur die zwei grössten Konzerne, Statoil und Norsk Hydro, profitiert, sondern auch die gesamte Wertschöpfungskette. Vom Zulieferer für Werkzeuge über Raffinerien bis hin zu seismologischen Dienstleistungen haben alle ein schönes Stück vom Kuchen abbekommen. Auch die Produzenten anderer Rohwaren wie etwa Aluminium, die in Norwegen zahlreich vertreten sind, legten im Zuge steigender Rohwarenpreise deutlich zu.

Untermauert wurde der Aufwärtstrend von einer kräftig wachsenden Volkswirtschaft. «Die öffentlichen Finanzen sind solide, die Inflationsrate ist tief, und die Wirtschaft wächst», sagt Steinar Juel, Chefökonom bei Nordea Norwegen. Zudem stimuliert der hohe Ölpreis die Investoren. Für 2005 sind Investitionen in die heimische Ölbranche in Höhe von neun Milliarden norwegischen Kronen (knapp zwei Milliarden Franken) vorgesehen. In den letzten drei Jahren lagen diese im Schnitt bei weniger als der Hälfte.

«Wir sind immer noch positiv für den Aktienmarkt», sagt Ole-Andreas Krohn, Aktienanalyst bei Den Norske Bank. «Man muss allerdings mehr selektionieren als noch vor einem Jahr.» Krohn ist weiterhin sehr optimistisch für Öltitel. Neben den zwei Grosskonzernen stehen Stolt Nielsen, ein Tankerhersteller, und Stolt Offshore, ein Konstrukteur von Förderanlagen, auf seinem Einkaufszettel.

Wie es in diesem Jahr mit dem norwegischen Aktienmarkt weitergeht, ist vor allem davon abhängig, wie sich der Ölpreis entwickeln wird. Die Analysten von Morgan Stanley haben Ende Juni den europäischen Ölsektor in ihren Empfehlungen auf «attraktiv» hochgestuft und ihre Prognosen für die Ölpreisentwicklung in den kommenden zwei Jahren erhöht. Nur ein steiler Fall des Ölpreises könnte den Aufwärtskurs der norwegischen Aktien zurzeit bremsen – doch damit rechnet bisher niemand.

Schweden

Der Ölpreis spielt in Schweden eine untergeordnete Rolle. Die gute Performance im Land von Ericsson und Volvo lässt sich an anderen Faktoren festmachen: Dem stark exportabhängigen Markt kam zugute, dass die schwedische Krone in der vergangenen Zeit eine Abwertung gegenüber dem Dollar erlebt hat. Kurz vor dem Mittsommerfest hat die Schwedische Nationalbank zudem die Leitzinsen gesenkt. Die Bondrenditen rangieren daher noch tiefer als im restlichen Europa: ein günstiges Umfeld für steigende Aktienkurse. Kommt noch hinzu, dass diese extrem offensive Zinspolitik die Wirtschaft stimuliert.

Auch von Unternehmensseite gibt es aus Schweden nur Gutes zu berichten. «Die Unternehmen haben sich besser geschlagen denn je», sagt beispielsweise Björn Jansson, der bei Enskilda Securities, der Investment-Bank der SEB, den Bereich Aktienanalyse leitet. Hohe Gewinne und solide Bilanzen hätten in den vergangenen zwei Jahren günstigen Bewertungen gegenübergestanden.

All diese Aspekte haben die Börse in Stockholm zu einem attraktiven Ziel für Aktienkäufe gemacht. Und daran wird sich wohl so bald nichts ändern. Die exportlastige Industrie wird auch im laufenden Jahr von Währungs- und Zinseffekten profitieren. Wie zum Beispiel der Technologiekonzern Ericsson, der bereits im vergangenen Jahr die Aktionäre mit einem Kursfeuerwerk von rund 64 Prozent überraschte. Und auch die LKW-Sparte von Volvo wird 2005 von höheren Ausfuhren profitieren. «Ich bin auch positiv eingestellt in Bezug auf die Aktie von Hennes & Mauritz», sagt Björn Jansson von der SEB. «Deren Wachstumsgeschichte ist beeindruckend. Solche Unternehmen sind heute noch dünn gesät. Das wird sicher auch in diesem Jahr mit starken Kursanstiegen belohnt.»

Die grösste Börse Skandinaviens wird wohl auch von den guten Aussichten für die Volkswirtschaft Auftrieb erhalten. Denn sowohl die Investitionen als auch die Binnennachfrage ziehen an, während die schwedische Regierung die Staatsverschuldung weiter reduziert. Von einer globalen Rezession bliebe natürlich auch Schweden nicht unberührt, aber die aggressive Geldpolitik und die schwache Währung würden es dem Land leichter machen, diese zu bewältigen.

Dänemark

Auch die kleinste Börse Skandinaviens beglückte die Anleger in den vergangenen zwei Jahren mit einer signifikanten Performance von mehr als 30 Prozent. Zu verdanken haben die Dänen diese gute Entwicklung unter anderem den Chinesen. Die enorme Importnachfrage aus dem Reich der Mitte hat die Frachtkosten in die Höhe getrieben. Reedereien und Transportunternehmen machen in Dänemark einen entscheidenden Teil der Wirtschaft aus. Auf Grund dieser Kapazitätsengpässe wurde die Branche mit steigenden Preisen beglückt, und dänische Reedereien konnten sich über Rekordgewinne freuen. So verzeichnete beispielsweise das Schifffahrtsunternehmen A.P. Møller-Maersk einen steilen Kursanstieg.

Zudem profitierte die Börse in Kopenhagen von der grossen Nachfrage nach Small und Mid Caps. Diese Titel, die sich durch eine geringe Marktkapitalisierung auszeichnen, waren in den vergangenen zwei Jahren sehr gefragt und werden in Dänemark in grosser Zahl gehandelt. Die Nachfrage kam daher nicht nur aus dem Inland. «Der dänische Aktienmarkt», hat Flemming Christensen, Portfoliomanager für heimische Aktien bei der Sydbank, beobachtet, «wird stark von Investoren aus den USA und Grossbritannien beeinflusst.» Neben den gering kapitalisierten Aktien standen auch Value-Titel auf den Einkaufszetteln der internationalen Investorenschaft. Solche Aktien, bei denen der Buchwert sehr viel höher ist als der Börsenwert, gab es in den letzten Jahren in Dänemark sehr häufig.

Doch viele dieser Titel sind heute wieder sehr hoch bewertet. «In diesem Jahr sind dänische Aktien nicht mehr billig», merkt Flemming Christensen an. «Der Discount, den es am Anfang des Jahres noch gab, hat sich nivelliert.» Vor allem die Small und Mid Caps sind sehr teuer. Einige Analysten sprechen sogar von einer Blase. Bei zahlreichen Blue Chips hingegen gibt es noch Potenzial. Flemming Christensen empfiehlt Aktien des Pharmakonzerns Novo Nordisk. Die Geschäftszahlen seien überzeugend, zudem habe das Unternehmen interessante neue Produkte in der Pipeline.

Unterstützt werden die Aktienmärkte von der dänischen Volkswirtschaft, die im vergangenen Jahr mit rund zwei Prozent gewachsen ist. Auf Grund einer Einkommenssteuerreform kamen die privaten Haushalte in den Genuss einer Steuererleichterung. Das Wachstum wurde daher vor allem vom privaten Konsum angetrieben. Auch das Zinsumfeld bleibt in Dänemark attraktiv. Obwohl es nicht Teil des Euroraumes ist, beeinflusst die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank das kleine Land stark. Die Zinsen in Dänemark sind entsprechend tief, obwohl die solide Wirtschaft ein höheres Niveau rechtfertigen würde.

Finnland

Finnland zählt im engeren Sinne nicht zu Skandinavien und hebt sich deutlich von den anderen drei skandinavischen Ländern ab. So unterscheiden sich etwa Dänisch, Schwedisch und Norwegisch weniger voneinander als Hochdeutsch und Schweizerdeutsch – Finnisch dagegen versteht man im restlichen Skandinavien gar nicht. Auch die Börse in Helsinki hat sich nicht im Entferntesten so gut entwickelt wie in den übrigen nordischen Ländern und übertraf die durchschnittliche Performance der globalen Finanzmärkte in den vergangenen zwei Jahren nur knapp.

Schuld an der schwachen Entwicklung waren vor allem die Forst- und Papierfirmen, die einen wichtigen Teil der finnischen Wirtschaft ausmachen. Sie befinden sich bereits seit drei Jahren in einer Rezession. Überkapazitäten und ein niedriger Papierpreis drücken die Kurse der Unternehmen. Seit einigen Wochen wird die Branche zusätzlich von Streiks belastet. Auch das Schwergewicht Nokia machte den Finnen 2004 Kummer. Der Handyhersteller, der 40 Prozent des Leitindex ausmacht, brach letztes Jahr um über 16 Prozent ein. Inzwischen ist zwar wieder ein Aufwärtstrend erkennbar, doch Analysten halten die Aktie bereits für hoch bewertet.

Die Aussichten für dieses Jahr sind jedoch positiv. «Finnland hat viele zyklische Werte», erklärt Antti Suttelin, Leiter der Aktienanalyse der Sampo Bank, «die von den hohen Energie- und Rohwarenpreisen und der wachsenden Nachfrage nach Kapitalgütern aus den Schwellenländern profitieren werden.» So wurden in diesem Jahr von den Unternehmen bisher hauptsächlich gute Kennzahlen publiziert. Optimistisch ist Suttelin vor allem für Aktien des Energieversorgers Fortum. Schon 2004 kletterten die Fortum-Aktien um 67 Prozent in die Höhe, und die steigende Nachfrage nach Energie werde den Aktienkurs auch heuer weiter nach oben treiben.

Wer sich nicht für eines der vier Länder entscheiden möchte, für den gibt es in der Schweiz zwei Aktienfonds im Angebot, die ganz Nordeuropa abdecken. Der Fidelity Nordic Fund (Valor: 973 277) und der Nordea Nordic Equity Fund (Valor: 973 346) haben beide im laufenden Jahr schon rund sieben Prozent zugelegt. Und der breite Konjunkturaufschwung sorgt in allen vier nordeuropäischen Ländern weiterhin für gute Stimmung an den Finanzmärkten. Die Gewinnerwartungen der Unternehmen sind für das zweite Halbjahr durchweg positiv. Die niedrigen Zinsen stimulieren die Investitionstätigkeit. Und die Abwertung der skandinavischen Währungen unterstützt die Exportwirtschaft, die in allen vier Ländern eine wichtige Rolle spielt. So bleiben die Aussichten für den hohen Norden weiter gut.

Aktionäre dürfen sich also schon freuen und können sich noch ein weiteres norwegisches Wort merken: «fortjeneste». Es bedeutet Rendite.