Zwar ist die Aktie im Höhenflug und erreichte vor wenigen Tagen ein neues Allzeithoch – doch so wirklich berauschend war das Wachstum bei Novartis im dritten Quartal auch wieder nicht. Mit einem Umsatzplus von 4 Prozent auf 14,2 Milliarden Dollar lag der Konzern aus Basel im Rahmen der Zielvorgaben.

Auffallend war hingegen die vergleichsweise rasante Entwicklung bei der Novartis-Tochter Sandoz. Ihre Sparte konzentriert sich auf kostengünstige und patentfreie Qualitätsarzneimittel und schaffte in den drei Drittquartals-Monaten ein Umsatzplus von 6 Prozent auf 2,4 Milliarden Dollar. Noch schneller kam der Bereich Biosimilars voran. Die Umsätze kletterten dort um 30 Prozent auf 137 Millionen Dollar. Sandoz als weltweiter Marktführer bei diesen Medikamenten konnte seinen Umsatz mit Biosimilars schon im vergangenen Jahr um 23 Prozent auf 420 Millionen Dollar ausbauen und verfügte damit über einen Marktanteil in den regulierten Märkten wie USA, EU oder Japan von mehr als 50 Prozent.

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Biopharmazie: Bis 2020 läuft bei 80 Prozent der Präparate der Patentschutz ab

Dabei wurde das erste Biosimilar von Sandoz in der EU erst im Jahr 2006 eingeführt. Biosimilars sind ähnlich wie Generika Nachahmer-Medikamente eines Originalpräparats. Während Generika Kopien von chemisch hergestellten Arzneimitteln sind, beziehen sich Biosimilars auf biologisch entwickelte Biopharmazeutika. Bei Generika begann der Boom in den 1980er-Jahren, bei Biosimilars rechnen Experten für die kommenden Jahre mit einem grossen Schub, denn die Patente für Biopharmazeutika laufen erst jetzt langsam aus. So verlieren etwa 80 Prozent der Präparate, die in den 1980er- oder 1990er-Jahren entwickelt worden sind, bis 2020 den Patentschutz.

Entsprechend rechnet der Fachverband Generics and Biosimilars Initiative bis 2020 mit dem Auslaufen von Patenten von Biopharmazeutika im Volumen von weltweit 67 Milliarden Dollar. Derzeit ist der Markt der Biosimilars noch sehr klein. Zwar liefen vor rund zehn Jahren die ersten Patente aus, doch Biosimilars hatten 2010 erst ein weltweites Marktvolumen von 250 Millionen Dollar. Betrachtet man die Entwicklung bei Sandoz, wird es jetzt wohl etwa viermal so viel und damit ein Volumen im Bereich von 1,0 Milliarden Dollar sein. Durch den bevorstehenden Wegfall des Patentschutzes ist allerdings in den nächsten Jahren ein gewaltiger Schub zu erwarten. So prognostiziert der Marktforscher ISM Health für das Jahr 2020 bereits ein Marktvolumen bei Biosimilars zwischen 11 und 25 Milliarden Dollar.

Biosimilars – zwei Wachstumstreiber

Biosimilars profitieren dabei von zwei Trends. Zum einen vom gewaltigen Wachstum im Bereich der Biopharmazeutika. Die Entwicklung dieser Arzneimittel hat die Therapiemöglichkeiten beispielsweise für schwere Krankheiten wie Krebs, Diabetes, Rheuma oder Multiple Sklerose revolutioniert. Biopharma verzeichnet deshalb etwa 7 oder 8 Prozent Zuwachs jährlich und global rund doppelt so hohe Wachstumsraten wie der gesamte Pharmamarkt.

Der nächste Wachstumstreiber sind Kosteneffekte. Wegen der komplizierten Herstellung sind Biopharmazeutika nicht selten 20- bis 50-mal so teuer wie chemisch produzierte Medikamente. Die Preise können damit je nach Therapie Dimensionen von  bis zu 200'000 Dollar pro Patient und Jahr erreichen. Da bei Biosimilars die Forschungskosten entfallen und sie dadurch günstiger sind als das Original, bieten sich bei diesen Nachahmermedikamenten im Gesundheitswesen grosse Einsparmöglichkeiten. Experten sehen Kostenvorteile von etwa 20 bis 25 Prozent.

Bevölkerung in Schwellenländern bekommt Zugang zu Biopharmazie

Das Beratungsunternehmen IGES hat für acht Länder der Europäischen Union Sparmöglichkeiten bei Verwendung von Biosimilars alternativ zum Original im Zeitraum von 2007 bis 2020 von 11,8 bis 33,4 Milliarden Euro errechnet. Zusätzlich wächst der Patientenkreis durch Biosimilars. Denn in den Schwellenländern China, Indien, Brasilien und Russland können sich damit immer mehr Menschen den Zugang zu Biopharmazie erkaufen, der ihnen durch das Originalprodukt bisher aus Kostengründen versperrt gewesen war.

Anleger können mit Novartis auf diesen erwarteten und wahrscheinlichen Biosimilar-Boom setzen. Allerdings hat die Generika- und Biosimilar-Sparte mit Sandoz noch vergleichsweise geringes Gewicht im SMI-Konzern, die Auswirkungen auf das operative Ergebnis des gesamten Unternehmens dürften vorerst vergleichsweise gering sein mit noch entsprechend unbedeutenden Auswirkungen auf den Aktienkurs.

Reine Biosimilar-Aktien bieten enormen Gewinn- und Kurshebel

Wer etwas höhere Kurschancen will, legt sich ausgesprochene Biosimilar-Spezialisten ins Depot. Beispielsweise ging vor knapp zwei Wochen mit Coherus Biosciences (ISIN: US19249H1032) ein solcher Titel per IPO in den USA an die Börse. Das Unternehmen bringt es auf einen Börsenwert von rund 400 Millionen Dollar und kann bereits Entwicklungen von Medikamenten in Phase III vorweisen. Allerdings erzielte der Konzern aus San Francisco im ersten Halbjahr lediglich Umsätze von 8,6 Millionen Dollar und schrieb dabei einen Verlust von rund 50 Millionen Dollar.

Wesentlich günstiger bewertet zu sein, scheint die deutsche Formycon (ISIN: DE000A1EWVY8). Der Experte für Biosimilars, aus München, berichtete vor wenigen Tagen über den Einstieg in Phase III einer Biosimilar-Entwicklung im dritten Quartal 2015. Branchenkenner halten deswegen bereits 2018 erste Umsätze in weniger regulierten Ländern wie China, Indien und Russland für möglich. Ab 2020 könnte der Marktstart in der EU und in den USA das ganz grosse Geschäft bringen.

Formycon – Anleger haben den 26. November wegen der Kapitalmarktkonferenz im Fokus

Bei einem geschätzten Umsatz für die zugrunde liegenden Original-Biopharmazeutika von etwa 5 Milliarden Dollar im Jahr und einem geschätzten Anteil von Biosimilars von 30 Prozent an diesem Marktvolumen würden Formycon aufgrund der mit Vertriebspartner Santos beschlossenen Lizenzbeteiligung von rund 10 Prozent etwa 150 Millionen Dollar pro Jahr zufliessen. Bei einem Börsenwert von 80 Millionen Euro hätte die Aktie damit das Potenzial zum Vervielfacher. Anders als Coherus arbeiten die Münchner dabei wegen hoher Entwicklungszuschüsse des Vertriebspartners sogar schon jetzt profitabel. Anleger notieren sich den 26. November. An diesem Tag präsentiert sich Formycon beim vielbeachteten deutschen Eigenkapitalforum in Frankfurt Analysten und Investoren. Möglicherweise wird der Marktwert des Unternehmens dann einen Schub bekommen.