In diesen Tagen wird viel diskutiert im Vereinigten Königreich. Mit den Verhandlungen zwischen der EU und dem britischen Premierminister David Cameron sollen sich die Briten für den Verbleib in der Europäische Union entscheiden. Neueste Umfragen zeigen aber ein anderes Bild. Zuletzt sprachen sich 45 Prozent für einen Brexit aus, drei Prozentpunkte mehr als bei der letzten Erhebung von YouGov. 36 Prozent stimmten für einen Verbleib, und 19 Prozent sind noch unentschlossen. Und das, obwohl EU-Ratspräsident Donald Tusk bereits ein Reformpaket veröffentlicht hat, um die Briten auf Europa-Kurs zu bringen. Bei einem Gipfeltreffen vom 18. und 19. Februar soll über die Vorschläge beraten werden.
Noch weit vor einem Referendum, das möglicherweise im Sommer stattfinden wird, hat das britische Pfund bereits reagiert. Gegenüber dem Euro büsste die britische Währung in den vergangenen drei Monaten einen Zehntel ihres Wertes ein. Das Multi-Asset-Team von Fidelity Solutions kann dieser Entwicklung etwas Positives abgewinnen: «Der Wertverlust des Pfunds Sterling wird die Unternehmensgewinne beflügeln.» Sie gewichten daher Aktien aus Grossbritannien leicht über.
Brexit – möglicherweise verschobener Zinserhöhungszyklus
Wie aber würde es bei einem Brexit für das Land weitergehen? Angesichts der vielen Unwägbarkeiten sei es schwierig, die ökonomischen Folgen einschätzen zu können, sagt Volkswirt Hetal Mehta bei Legal & General Investment Management (LGIM). Die Schätzungen reichten von einem Zuwachs des Bruttoinlandproduktes von 5 Prozent bis zu einem Rückgang von 10 Prozent. Auch die Finanzmärkte würden davon nicht verschont bleiben.
Die vielen wirtschaftlichen Unklarheiten im Zusammenhang mit einem Brexit würden fast zwangsläufig dazu führen, dass die Bank of England den Zinserhöhungszyklus vertagen werde, meint Sujay Shah von BMO Global Asset Management. Auch für die externe Finanzierungslage des Landes würde wohl ein Austritt aus der EU angesichts des derzeitigen Leistungsbilanzdefizits Folgen haben. «Realistischerweise müssen Investoren im Fall eines Brexits zumindest mit steigenden Risikoprämien auf britische Vermögenswerte rechnen», schätzt LGIM-Stratege Christopher Jeffrey die Lage ein.
Vodafone: Global Player auf Wachstumskurs
Nicht alle Aktien wären aber gleichermassen von einem Brexit betroffen. Es gibt einige Titel auf dem Kurszettel der Börse London, die wahrscheinlich von den wirtschaftlichen Entwicklungen im Land vergleichsweise wenig betroffen sein würden. Dazu zählt beispielsweise Vodafone (ISIN GB00BH4HKS39). Der Mobilfunkkonzern ist auf der ganzen Welt präsent und versucht unter anderem mit Übernahmen und Partnerschaften gezielt seinen globalen Marktanteil auszubauen. Zuletzt konnte das Unternehmen Erfolge auf dem alten Kontinent feiern. Acht der insgesamt 13 Länder, in denen Vodafone aktiv ist, kehrten im Schlussviertel 2016 auf ihren Wachstumskurs zurück.
Den Briten gelang von Oktober bis Dezember der sechste Anstieg der Service-Erlöse in Folge. Zudem geht der Konzern davon aus, dass er das Jahresziel mit einem Kerngewinn zwischen 11,7 bis 12,0 Milliarden Pfund erreichen wird. Auch, wenn in vielen Märkten ein starker Wettbewerb herrscht: CEO Vittorio Colao ist angesichts der jüngsten Zahlen davon überzeugt, dass sich der milliardenschwere Ausbau des Netzwerks auszahlen wird. Auch die Deutsche Bank zeigt sich nach dem jüngsten Zahlenwerk überzeugt. Sie hob das Kursziel von 280 auf 285 Pence an – ein Aufwärtspotenzial von rund 40 Prozent.
GlaxoSmithKline: Relative Stärke
Die Aktie des Pharmakonzerns GlaxoSmithKline (ISIN GB0009252882), kurz GSK, lässt sich bestens der Abteilung «defensiv» zuordnen. Während sich an den internationalen Börsen seit dem Jahresbeginn eine leichte Panik breit gemacht hat, tendierte die GSK-Aktie sogar moderat aufwärts. Argumente für die positive Entwicklung lassen sich einige finden. Zum einen gilt der Gesundheitssektor als relativ konjunkturresistent, zum anderen beflügeln neue Arzneien wie die HIV-Medikamente Tivicay und Triumeq sowie die Lungenmittel Breo und Anoroderzeit die Geschäfte der Briten.
Im vierten Quartal 2015 stieg der Umsatz um 2 Prozent auf 6,3 Milliarden Pfund und übertraf damit die Analystenschätzungen. HSBC-Analyst Sean McLoughlin sieht weiteres Potenzial und hob seine langfristigen Prognosen für das Atemwegsgeschäft und für Aids-Medikamente des Pharmakonzerns an. Der positive Stimmungswandel für die Aktie gehe seiner Ansicht nach dank der bekräftigten Wachstums- und Dividendenziele und der erfolgreich verlaufenden Integration der von Novartis übernommenen Geschäftsbereiche weiter. Mit einer Dividendenrendite von 5,8 Prozent erscheint der Titel gerade im aktuellen Niedrigzinsumfeld als besonders attraktiv.
ARM Holdings: Neue Technologie sorgt für Kurspotenzial
Etwas an Anziehungskraft verloren, hatte zuletzt der Chip-Designer ARM Holdings (ISIN GB0000595859). Die Furcht vor einem schwächelnden Smartphone-Geschäft, selbst Kult-Konzern Apple muss derzeit mit seinem iPhone kleinere Brötchen backen, setzten der Aktie zu. Auf Zwölf-Monats-Sicht liegt der Valor um rund einen Zehntel in den Miesen. Die Konsolidierungsphase könnte sich mit Blick auf die Zahlen und auf die Aussichten des Konzerns aber schon bald wieder auflösen. Denn ARM konnte ihre Umsätze im vierten Quartal 2015 um 14 Prozent steigern, beim Gewinn ging es sogar überproportional um 17 Prozent empor. Damit wurden die Markterwartungen übertroffen.
Das starke Wachstum basiert auf einem neuen Prozessor-Design, das sich immer mehr durchsetzt. «Wir erwarten, dass Chips auf der Basis unserer neuesten V8-Technologie weiterhin die ältere ARM-Technologie ersetzen werden und dass wir Anteile im Bereich Netzwerkinfrastruktur und Server gewinnen werden», gibt sich Finanzchef Chris Kennedy zuversichtlich. Auch die Analysten von Goldman Sachs sind angesichts der kräftig steigenden Lizenzgebühren vom Potenzial des V8-Prozessors überzeugt und räumen der ARM-Aktie eine Ausweitung bis 1400 Pence ein.