Betrachtet man die weltwirtschaftliche Lage zum Ende des Jahres 2014 aus der Helikopterperspektive, so fällt einem vielerlei auf, was Grund zur Sorge gibt. Es sieht nach einer veritablen «Wand der Sorgen» aus. Vor allem aber springt eines ins Auge: Der gute alte Konjunkturzyklus von sieben Jahren. Alle sieben Jahre erreicht der Markt einen Höhe- oder einen Tiefpunkt.
Die Zyklen der jüngeren Vergangenheit zeigten sich wie folgt: 2008 war der Höhepunkt der aktuellen Krise. Der S&P fiel auf ein Tief von 752,44 Punkten. Sieben Jahre zuvor platzte die Dot.com-Blase, der NASDAQ-Composite-Index sackte im September 2001 bei 1387,00 auf seinen tiefsten Stand (gegenüber aktuell 4600 Punkten). 1994 war ein furchtbares Jahr für festverzinsliche Wertpapiere. Die Risikoprämie auf zehnjährige Titel kletterte im Spätsommer von 5,5 auf 8,0 Prozent. Siebe Jahre zuvor, 1987: Der berühmte Wall Street Crash. Nochmals sieben Jahre vorher, 1980: Die US-Sparkassenkrise. Und die Mutter aller Schocks, 1973: Ölkrise, Rezession und Aufhebung des Goldstandards.
Sieben magere und sieben fette Jahre
In welche Kategorie wird 2015 also fallen? Wohl in beide Kategorien. Mein Basisszenario geht davon aus, dass Wachstumsschwäche, geringe Inflationserwartungen, lustlose Märkte sowie tiefe Spreads und niedrige Verzinsung im ersten Quartal respektive im zweiten Quartal 2015 zu Ende gehen werden. Ab dann wird der durch die niedrigen Energiepreise ausgelöste Paradigmenwechsel erneut das Wachstum befeuern, wenn die Staatseinnahmen sinken werden, das verfügbare Einkommen der Verbraucher jedoch steigen wird.
Die Wachstumsfaktoren in Europa (und definitionsgemäss auch in den USA) sind derzeit am günstigsten. Doch angesichts der üblichen sechs- bis neunmonatigen Verzögerung werden sich wohl diese Faktoren erst gegen Ende des ersten Quartals volkswirtschaftlich bemerkbar machen. Bei den Faktoren, die die Richtung der Wachstums- und Kostenentwicklung vorgeben, handelt es sich um den Preis für Brent (Energie), um die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen (Kapitalkosten) und um den handelsgewichteten Euro (Terms of Trade).
Die Welt kann sich keinen starken Dollar leisten
Ein anderer Blickwinkel auf das Jahr 2015 ergibt sich, wenn man folgende Frage stellt: Was wäre der Weg des geringsten Widerstandes für die Weltwirtschaft, wenn man die Richtung bestimmen könnte, in die Energie, Kapitalkosten und Wechselkurse gehen sollen?
Im Interesse globalen Wachstums wäre das zunächst einmal das Festsetzen eines stabilen beziehungsweise etwas höheren Energiepreises. Um auch in den kommenden zwölf Monaten ein Überangebot zur Deckung der Nachfrage zu sichern, müsste es für die Kapitalkosten anhaltend niedrige Zinssätze geben. Was die Devisenmärkte betrifft, braucht die Welt einen schwächeren Dollar, denn ein starker Dollar bremst das Wachstum in den Emerging Markets und damit auch in China. Die Weltkonjunktur kann sich einen starken Dollar nicht leisten. Das gilt umso mehr, falls die Energiepreise einen 50-prozentigen Sprung tun.
Ein Happy End im nächsten Jahr
Für die Asset-Märkte lautet die Schlussfolgerung für 2015 allerdings so: Staatsfonds sowie mehr oder weniger risikoorientierten Käufern werden weniger Mittel für Investition und Umlauf zur Verfügung stehen, während Verbraucher und Realwirtschaft über mehr Geld verfügen werden. Das wird einen Paradigmenwechsel einleiten, der für die Welt äusserst positiv sein wird: Die Realwirtschaft wird das Ruder von der Finanzwirtschaft übernehmen.
2015 wird von einer strengen Zäsur zwischen erster und zweiter Hälfte geprägt sein, doch mit einem Happy End.
Steen Jakobsen: Chefvolkswirt bei Saxo Bank