Urlaub ist nur ein paar Klicks entfernt. Auf Portalen wie Booking.com, Tripadvisor und Expedia lassen sich innert Minuten passgenaue Angebote zusammenstellen – sortiert nach individuellen Kriterien. Selbst Pensionäre empfinden Ferienkataloge und Reisebüros mittlerweile als so anachronistisch wie Plattenläden. Das spiegelt sich 
an den Finanzmärkten: Die Aktien des Branchenführers Priceline Group – die Gruppe betreibt unter anderem die Internetseiten Booking.com, OpenTable und Rentalcars.com – sind mit 90 Milliarden Dollar mittlerweile so viel wert wie die Titel der UBS und der Credit Suisse zusammen.

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Bedeutende Reiseveranstalter wie Thomas Cook oder Tui sind im Vergleich zur Priceline Group nur wie Small Caps bewertet. Die Urlaubsindustrie konnte sich dem «Uber-Moment» nicht entziehen und die Digitalisierung krempelt die Branche weiter um. Der letzte Schrei: Sensoren messen, wie stark und wie lange ein Hotelgast das Bett beansprucht hat, und rechnen den entsprechenden Tarif ab. Noch klingt das wie ein schlechter Scherz – im Low-End-Bereich wird das jedoch bald Realität sein, sind Branchenkenner überzeugt.

Nicht alle können mithalten

Als Folge dieser disruptiven Entwicklungen werden die digitalen Vorreiter der Industrie an der Börse mittlerweile zu stolzen Bewertungen gehandelt. Zu Recht, denn Priceline und Expedia eilen von Erfolg zu Erfolg. Treffen die Prognosen der Analysten ein und der Markt für Online-Reisen springt 2021 über die 1-Billion-Dollar-Marke, sind selbst die zum Teil astronomischen Bewertungen gerechtfertigt.

Doch nicht alle Anbieter können Schritt halten. Tripadvisor beispielsweise fällt der Wandel weg vom reinen Bewertungs- hin zum Buchungs- und Bewertungsportal schwer. Die Aktionäre sind enttäuscht und haben den Titel seit November 2016 von mehr als 60 Dollar auf rund 40 Dollar hinuntergeprügelt.

Internetriesen mischen mit

An der Grösse der Benutzerbasis liegt das nicht. Pro Monat verzeichnet der Dienst Zugriff von beinahe 400 Millionen Nutzern. Und etwas dürfte der Markt übersehen: Das Wachstumspotenzial des vor zwei Jahren akquirierten Attraktionsbuchungsspezialisten Viator ist nur unzureichend im Kurs eingepreist. Über Viator sind weltweit bald 60 000 Angebote buchbar. In der Schweiz zählen ein Tagestrip von Zürich aufs Jungfraujoch dazu oder die Chamonix- und Montblanc-Tour von Genf aus. Das ist eine lukrative Nische. Und das Besetzen von Nischen dürfte wichtiger werden, denn Google respektive Alphabet drängt immer stärker in den Reisemarkt.

Ein wichtiger Teil der Werbeeinnahmen stammt bereits aus dem Hotelbuchungsgeschäft. Das weckt beim Internetriesen Begehrlichkeiten. Neu sollen die Suchbereiche Immobilien und Gebrauchtwagen erschlossen werden. Einmal mehr zeigt sich, dass im Netz niemand an Alphabet vorbeikommt, genauso wenig wie die Anleger.

Besetzung von Nischenmärkten lohnt sich

Eine spannende Wachstumsgeschichte, an der Investoren ebenfalls nicht vorbeikommen, liefert Ctrip. Das chinesische Online-Reiseportal mit einem lokalen Marktanteil von mehr als 50 Prozent hat mit dem jüngsten Zukauf von Skyscanner auch auf dem europäischen Markt Fuss gefasst. Mit diesem Schritt unterstreicht die Gesellschaft internationale Ambitionen. Die Kotierung am nordamerikanischen Nasdaq unterstreicht das. Das Ziel, weltweit Marktanteile zu ergattern, verfolgt auch der chinesische Hotelsoftware-Konzern Shiji. Auch hier werden Wachstum und die Gewinnung neuer Kunden durch Akquisitionen angestrebt – mit der Absicht, vollintegrierte Hotelsoftware-Lösungen anbieten zu können.

In der Alten Welt zählt Amadeus zu den führenden IT-Spezialisten der Reisebranche. Die spanische Gesellschaft programmiert Reservierungssysteme für Flüge, Züge, Schiff- und Fähren und überwacht die Buchungsabwicklung. Auch hier zeigt sich: Das Besetzen einer rentablen Nische ist eine gute Voraussetzung für den Erfolg an der Börse. Anleger mögen zudem das transaktionsbasierte Geschäftsmodell, denn so profitiert Amadeus direkt vom Reiseboom.

Buffett fällt vom Glauben ab

Eigentlich müsste auch Warren Buffett von den digitalen Vorreitern der Freizeitbranche angetan sein – zumindest seit er sich mit dem Engagement in Apple in neue Gefilde vorgewagt hat. Online Travel Agencies sind kapitalarm und cashflowstark. Das sind Eigenschaften, die Anleger in der Regel mögen. Doch was hat Buffett getan? Er kaufte im vergangenen Jahr im grossen Stil Airline-Aktien. Ausgerechnet Buffett – er frotzelte noch 2008 in einem Schreiben von Berkshire Hathawy: Das Beste, was ein Hellsichtiger 1903 zum Schutz der Anleger hätte 
tun können, wäre gewesen, nach Kitty Hawk zu reisen und den Flugzeugpionier und -bauer Orville Wright 
zu erschiessen.

Immerhin: Buffetts Beteiligungen an American Airlines, Delta, Southwest und United Continental stiegen seit Mitte 2016 kräftig. Tiefe Energiepreise und das leicht besser als erwartete Passagieraufkommen waren der ideale Nährboden für Kursfortschritte. Den grossen Vier im US-Markt spielte zusätzlich die Konsolidierung in die Hände. Ihre Marktmacht erlaubte es ihnen, Kosten zu senken und für die Unternehmen vorteilhafte Arbeitnehmerbedingungen durchzusetzen. Einzelne Fondsmanager versprechen sich durch die neu etablierte Diszplin im Luftfahrtwesen eine Neubewertung des gesamten Sektors – besonders dann, wenn es gelingt, sich gegen den nächsten Abschwung zu behaupten. Eine Kursverdoppelung von den aktuellen Niveaus aus läge dann im Bereich des Möglichen.

Aussichten für Reisebranche sind ausgezeichnet

Im Juli 2016 hat die «Handelszeitung» die Aktien des Billigfliegers Spirit empfohlen: im Nachhinein ein paar Wochen zu früh. Für uns zählt Spirit unverändert zu den amerikanischen Sektorfavoriten, zumal die Aktien in den vergangenen Wochen Flughöhe gewinnen konnten.

Seien es die Vertreter der New- oder Old-School-Reisebranche – beide haben weiterhin Kurspotenzial nach oben. Die Rahmenbedingungen sind ausgezeichnet, denn endlich hellt sich weltweit der Wirschaftsausblick auf, die Konsumenten sind optimistisch wie lange nicht und die Inflationserwartungen (insbesondere die Energiepreise) sind nach wie vor überschaubar.

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