«Wie ein Fels in der Brandung» – so wurden Unternehmen ausserhalb des Finanzsektors in den Jahren nach der Subprime-Krise und während der Eurokrise generell wahrgenommen. Die Regierungen hatten mit defizitären Haushalten zu kämpfen, und die Konsumenten bemühten sich, ihre Verschuldung zu reduzieren, doch globale Unternehmen konnten sich behaupten und hielten scheinbar mühelos allen Turbulenzen stand. Tatsächlich verhielten sie sich wie nach jeder Rezession – nach einer relativ kurzen Aufräumphase gingen sie wieder zur Tagesordnung über. Davon konnte hinsichtlich der Situation im US-Staatshaushalt oder der Lage der spanischen Verbraucher nicht die Rede sein.

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Alles hat jedoch einmal ein Ende, und die Anleger müssen die Tatsache akzeptieren, dass die Bilanzen der Unternehmen nicht mehr so solide sind. Wer kann es ihnen verdenken – sie würden vermutlich sagen, man habe sie mit billigem Geld dazu genötigt. Sie wurden die Versuchung los, indem sie ihr nachgaben und in grossem Stil Anleihen emittierten. Dabei umgingen sie in den meisten Fällen den klassischen Kanal über die Banken und gingen mit Anleihen direkt an die Kapitalmärkte.

Firmenbonds – Verschlechterung des Risiko-Rendite-Profils

Ist damit das Ende des Zyklus erreicht? Nein, wir treten lediglich in die späte Phase des Zyklus ein. Daher möchten wir an dieser Stelle hervorheben, dass es nach einer über fünf Jahre fast ununterbrochenen Aufwärtsbewegung bei Unternehmensanleihen mit niedriger Qualität zu einer starken Verschlechterung des Risiko-Rendite-Verhältnisses gekommen ist. Salopp formuliert scheint es, als würden globale Unternehmen bis auf Weiteres mehr für ihre Aktionäre und weniger für die Anleiheninhaber arbeiten.

Inzwischen ist nämlich die Gesamtverschuldung in einigen Bereichen auf Rekordniveaus gestiegen. So befindet sich die Verschuldung der US-Unternehmen auf einem Allzeithoch, selbst nach Bereinigung um die rekordverdächtig hohen Barbestände. Manche Anleger könnten sagen: «Aber die Bilanzen sind nach wie vor solide.» Tatsache ist jedoch, dass die Bilanzen unverhältnismässig aufgebläht wurden und dass sie nun fast 90 Prozent des Bruttoinlandprodukts erreichen. 1980 lag derselbe Wert noch bei 20 Prozent. Also haben die Unternehmen in den vergangenen 30 Jahren sinkende Renditen genutzt, um ihre Bilanzen wachsen zu lassen. Inzwischen sind sie nicht einmal mehr verpflichtet, die Übernahmeprämien für gekaufte Unternehmen (Goodwill) auf fortlaufender Basis abzuschreiben. Man kann also nicht mehr ernsthaft von «kerngesunden Bilanzstrukturen» sprechen.

Renditen auf extrem niedrigem Niveau

Die allgemeine Antwort lautet: Ja, Anleger sollten sich immer Sorgen machen. Dafür werden sie bezahlt, besonders am Anleihenmarkt, wo sie nicht vollständig an den Unternehmensgewinnen partizipieren. In diesem besonderen Fall sollte man jedoch differenzieren: Die Verschiebung in der Bilanzgesundheit der Unternehmen sollte den Anlegern besondere Sorgen bereiten, da die Anleihenrenditen auf ein extrem niedriges Niveau gesunken sind. Das heisst, dass sich das Risiko-Rendite-Verhältnis stark verschlechtert hat. Wir haben daher unsere Position in Hochrenditeanleihen verringert und berücksichtigen im Gegenzug andere festverzinsliche Wertpapiere wie inflationsgesicherte Anleihen. Aktien könnten jedoch weiterhin von den umfangreichen Anleihenemissionen profitieren, da diese Möglichkeit der Refinanzierung für Unternehmen auf absehbare Zeit weiter günstig bleibt. Der Zeitpunkt für eine Trendwende ist hier noch nicht gekommen.

Christian Gattiker-Ericsson, CFA, CAIA, Chefstratege und Leiter Research, Bank Julius Bär