In der Telekommunikationsbranche überschlagen sich die Ereignisse. So hat der Telekomriese AT&T jüngst seine Umsatzprognose für dieses Jahr zum zweiten Mal angehoben. Der zweitgrösste US-Vertreter profitiert von einem florierenden Mobilfunkgeschäft und erwartet nun einen Anstieg der Erlöse um 5 statt wie bislang um 4 Prozent. Damit setzt er seine Wettbewerber Verizon und die Deutsche-Telekom-Tochter T-Mobile US unter Druck.
Derweil kommt T-Mobile US in ihrem Bemühen, ein starkes Gegengewicht zu ihren Wettbewerbern in Übersee zu formen, einen Schritt weiter. Medienberichten zufolge steht der drittgrösste Mobilfunkkonzern der USA, Sprint, kurz vor einer Einigung mit der Deutsche-Telekom-Tochter. Im Gespräch ist ein Kaufpreis von 40 Dollar je T-Mobile-US-Aktie. Dies würde einem Aufschlag von 17 Prozent zum aktuellen Kurs entsprechen. Die Transaktion wäre auf diesem Niveau mehr als 32 Milliarden Dollar wert. Brancheninsider halten einen Abschluss bereits im Juli für möglich.
Objekte der Begierde in den USA und in Italien
Auch AT&T hatte bereits vor rund drei Jahren ein Auge auf T-Mobile US geworfen, scheiterte aber letztendlich an den Kartellbehörden. Nun hat der Branchenprimus ein neues Objekt der Begierde gefunden: Den führenden Pay-TV-Sender DirecTV. Eine 50-Milliarden-Dollar-Wette geht AT&T damit ein. Der Konzern setzt auf das Zusammenwachsen von Fernsehen und Mobilfunk, da immer mehr Menschen von unterwegs ihre Lieblingssendungen sehen möchten. «Mit DirecTV hat AT&T die Möglichkeit, Inhalte auf alle Endgeräte der Kunden zu bringen, unabhängig davon, ob dies Smartphones, Tablets, Laptops oder herkömmliche Fernseher sind», erklärt AT&T-Chef Randall Stephenson den Deal.
Auf dem alten Kontinent dreht sich das Übernahmekarussell ebenfalls immer schneller. Jüngste Spekulationen: Angeblich planen Hutchison Whampoa und die russische Vimpelcom, ihre italienischen Mobilfunk-Töchter miteinander zu verschmelzen. Das treibt die Valoren der Telecom Italia an, denn auch die Nummer eins der Branche im Land könnte von einer Konsolidierungswelle erfasst werden. Nach dreijähriger Phase als Pennystock ist die Aktie jetzt kurz davor, wieder die Ein-Euro-Hürde zu überspringen.
Umwälzungen auch in der Schweiz sowie in Österreich und Frankreich
Unterdessen treibt der französische Telekom-Branchenprimus Orange Insidern zufolge seinen Plan zur Übernahme des Rivalen Bouygues voran. So sollen die Investmentbanken Lazard und Credit Suisse beauftragt worden sein, einen möglichen Milliarden-Deal auszuloten.
In Österreich ist man bereits einen Schritt weiter, hier bietet der mexikanische Milliardär Carlos Slim über seine América Móvil 7,15 Euro je Telekom-Austria-Aktie. Die Offerte läuft noch bis zum 10. Juli. Ziel ist, eine knappe Mehrheit zu bekommen. Der staatliche Telekom-Grossaktionär ÖIAG möchte auf absehbare Zeit mindestens eine Sperrminorität von 25 Prozent und eine Aktie behalten. América Móvil käme bei dieser Struktur auf einen Anteil am österreichischen Telekomkonzern von bis zu knapp 51 Prozent. Das Kurspotenzial von Telekom Austria ist kurzfristig ausgereizt. Wer noch nicht investiert hat, sollte vorerst abwarten, denn eine Bieterschlacht ist nicht in Sicht.
Hierzulande lieferten Swisscom und das Zürcher Medienhaus Tamedia hingegen bis Ende Mai einen Übernahmekampf um das Werbeunternehmen Publigroupe und vor allem um die Online-Plattform «lokal.ch», das Filetstück des Unternehmens. Ein grösserer Wettstreit ist inzwischen durch die Einigung von Swisscom und Tamedia verhindert worden. Die beiden wollen «lokal.ch» und den Tamedia-Dienst «search.ch» in eine neue Tochtergesellschaft einbringen, an der die Swisscom die Mehrheit halten soll.
Goldman Sachs erhöht die Wachstumsprognosen für den Sektor
Die Analysten von Goldman Sachs wurden durch die aktuellen Ereignisse am Telekom-Markt zu einer Neubewertung des Sektors veranlasst. Die US-Bank beobachtet zwei grundlegende Trends: Erstens drängen immer mehr klassische Anbieter in den Mobilfunkmarkt und, wie das Beispiel Vodafone mit der Übernahme des TV-Kabelnetzbetreibers Kabel Deutschland zeigt, geht die Bewegung auch andersherum. Dies führt zweitens dazu, dass sich langfristig die Wahrscheinlichkeit einer Beschleunigung der Marktkonsolidierungen in beiden Bereichen erhöht.
Die Goldman-Experten gehen davon aus, dass sich durch die steigende Konkurrenz im Mobilfunkbereich der langfristige Wachstumsausblick für den Markt um jährlich einen Prozentpunkt erhöht und dass darüber hinaus mögliche Marktkonsolidierungen einen weiteren Prozentpunkt langfristiges Wachstum beisteuern können. Im Zuge der Neuanalyse hat Goldman die Aktien von Telecom Italia auf «Conviction Buy» hochgestuft.
Das Telekomuniversum – Perspektiven der grossen Player
Die Expansionsstrategie des US-Riesen liess Börsianer bisher kalt. Noch befindet sich die Aktie in einem Seitwärtstrend, der Analystenkonsens passend dazu auf einem «Hold-Rating». Allerdings wurde die jüngste Anhebung der Erlösziele positiv aufgenommen. Das charttechnische Bild würde sich bei einem Ausbruch aus der Trading Range und damit über dem Widerstand um 38 Dollar deutlich verbessern.
Die Kooperation mit Tamedia verhindert teure Bieterschlachten. Die Swisscom-Aktie ist im Aufwärtstrend, notiert derzeit aber im Bereich der unteren Begrenzungslinie des Trends bei rund 525 Franken. Anleger setzen darauf, dass die Aktie von dort wieder nach oben drehen wird.
Der italienische Telekomkonzern könnte in der jüngsten Konsolidierungswelle eine wichtige Rolle spielen. Goldman Sachs sieht bei der Aktie Potenzial bis 1,50 Euro. Dies entspricht einem Aufschlag von mehr als der Hälfte zum aktuellen Kurs. Fällt der Widerstand bei 0,95 Euro, könnte auch die 1,0-Euro-Marke schnell erreicht sein.
Die Deutsche Telekom wird möglicherweise schon bald ihr Sorgenkind T-Mobile US los werden. Gerüchten zufolge würde der Konzern nach einem Verkauf rund 15 Prozent an dem fusionierten Unternehmen von Spring und T-Mobile US halten. Kommt es zum geplanten Ausstieg, dürfte das die Telekom-Aktie weiter beflügeln.