Die Zeiten für Sparer sind hart. Zinsprodukte werfen so gut wie nichts mehr ab, und unter Berücksichtigung von Steuern und Inflation reicht es meist nicht einmal zum Kapitalerhalt. Vor allem in Europa sieht es im Moment aus, als ob sich an dieser Situation in der nächsten Zeit nicht viel ändern würde. Aber warum sind Zinsen und Inflation so tief?
Ein Teilaspekt ist die demografische Entwicklung. Speziell in den Industrieländern steigt der Anteil der älteren Menschen, und die Zahl der Ruheständler nimmt enorm zu. «Bislang war die demografische Entwicklung eine abstrakte Gefahr. Das wird sich in den nächsten Jahren abrupt ändern. Überall auf der Welt, ganz besonders aber in Europa, dämpfen das rückläufige Bevölkerungswachstum und die zunehmende Alterung das Wirtschaftswachstum. Dieser Trend wird in den kommenden 30 Jahren unumkehrbar sein, weil die künftigen Arbeitskräfte bereits geboren sind», sagt Harald Preissler, Chefökonom der Bantleon Bank.
Zahl der Erwerbsbevölkerung fällt, Produktivität tritt auf der Stelle
Die Fakten untermauern diese Aussage. Die Zahl der Erwerbsbevölkerung der Eurozone ist Anfang der 1980er-Jahre noch um 1 Prozent pro Jahr gewachsen, seit 2012 hat sie aber leicht zu schrumpfen begonnen. Und bei der Produktivität hat es in den 1980er-Jahren jährliche Zuwächse von 2 bis 3 Prozent gegeben, seit sechs Jahren sind es jedoch nur noch 0,5 Prozent pro Jahr.
Der demografische Wandel bewirkt volkswirtschaftliche Effekte und hat Folgen bei den Finanzmärkten, denn der Bevölkerungsanteil der aktiv Erwerbstätigen, die den Finanzmärkten über ihre Ersparnisse ständig neues Anlagekapital zuführen, nimmt beständig ab. Damit trocknet für die Vermögensmärkte langfristig ein wichtiges Nachschubreservoir aus. «Die Erträge aller Kapitalmarktsegmente werden künftig deutlich tiefer ausfallen als bisher. Die Renditen eidgenössischer Obligationen beispielsweise werden sich wohl in den nächsten fünf bis zehn Jahren in einer Bandbreite zwischen 1 und 3 Prozent bewegen», vermutet Ökonom Preissler.
Die Alterung hat Folgen auf die Effektivität der Geldpolitik
Auch nach Einschätzung von Anthony Doyle, Fondsmanager Anleihen bei M&G Investments, ist es möglich, dass die Renditen von Bonds noch einige Zeit niedrig bleiben oder sogar weiter sinken werden. «Das ‹globale Ergrauen› wirkt sich nicht nur auf Ressourcen und Asset-Preise aus, sondern beeinflusst auch die Effektivität der Geldpolitik», sagt der Experte. Grund dafür sei der schwindende Zuwachs an neuen Arbeitskräften in den alternden Volkswirtschaften und ein dadurch geringerer Produktivitätsschub für die Realwirtschaft. Auch in den USA könne so das langfristig nachlassende Arbeitskräftewachstum einen Deflationsdruck zur Folge haben.
Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an Folgendes: Die Anleihenrenditen verringern sich nicht erst seit gestern, sondern befinden sich schon seit mehr als 30 Jahren tendenziell auf dem Rückzug. Dies nur mit der betriebenen Geldpolitik zu erklären, greift zu kurz. «Die Währungshüter sind mit ihrer Zinspolitik in den vergangenen Jahren lediglich dem rückläufigen Inflations- und Wachstumstrend gefolgt», weiss Daniel Hartmann, Senior Analyst Economics bei der Bantleon Bank. Ein geringeres Wirtschaftswachstum würde erklären, weshalb die Zinsen fallen. Und das geringere Wirtschaftswachstum ist, wie oben dargelegt, das Ergebnis der schrumpfenden Erwerbsbevölkerung und der stagnierenden Produktivität.
Die Niedrigzinsfalle schnappt zu
Für diese langfristigen Strukturprobleme gibt es keine kurzfristigen Lösungen. Gerade, was die Entwicklung der Erwerbsbevölkerung betrifft, sieht es für die Eurozone düster aus. So wird für die Erwerbsbevölkerung der Eurozone bis 2030 ein jährlicher Rückgang um durchschnittlich 0,5 Prozent pro Jahr erwartet. Und auch bei der Produktivität sind keine grossen Sprünge zu erwarten. «Im Durchschnitt muss sich der Sparer in den nächsten Jahren wahrscheinlich mit nominalen Renditen zwischen 2 und 3 Prozent zufriedengeben – bei etwa 1,5 Prozent Inflation», vermutet Hartmann.