Es beginnt mit einem prüfenden Blick: Hält die Farbe, was die Etikette der Flasche verspricht? Der Herzschlag steigt. Die Nase nähert sich langsam dem Glas mit der goldbraunen Flüssigkeit. Sachte, nur nicht zu hastig den eindringlichen Geruch einatmen. Kenner wissen, dass das Nosing – die erste Geschmacksaufnahme über das Riechorgan – die Sinne fast noch intensiver mit den Aromen des hochprozentigen Genusses verwöhnt als das darauf folgende Tasting. Jetzt erst dürfen auch Zunge und Gaumen die Vielfalt des edelsten aller alkoholhaltigen Getränke geniessen – des Whiskys.

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Whisky steht bei Geniessern traditionell hoch im Kurs – abseits der Moden um Wein oder Gin. Neben Europäern und Amerikanern hat längst auch Asien seine Fühler nach den rauchig-torfigen, bisweilen auch mild-vanilleartigen Aromen des destillierten und traditionell in Sherryfässern gelagerten Nationalgetränks der Schotten und Iren ausgestreckt.

Mekka in St. Moritz

Sammler allerdings, sagt Sandro Bernasconi, «stehen vor einem regelrechten Dilemma». Seine «Devil’s Place Bar» im Hotel Waldhaus am See hat St. Moritz zum Mekka der Whiskyszene aufsteigen lassen. «Wer Whisky sammelt, weiss, dass die Flaschen nur im ungeöffneten Zustand ihren Wert halten und mit den Jahren steigern. Aber die Versuchung ist sehr gross, wenigstens einmal zu probieren.» Bei ihm, wirbt Bernasconi, können Sammler diesem Konflikt Abhilfe schaffen.

Was sein Vater Claudio seit über 20 Jahren aufgebaut hat, darf der 31-Jährige weiterführen: die grösste Whiskybar weltweit, mit über 2500 Sorten. In den Kellerräumen reihen sich die Jahrgänge fast jeder Marke, limitierte Editionen und ersteigerte Raritäten hinter Vitrinentüren. Für künftige Sammler wichtig zu wissen: «Whisky wird nicht liegend, wie Wein, gelagert. Aufgrund des hohen Alkoholanteils bleibt der Korken auch im Stehen ständig befeuchtet.»

Gestiegenes Interesse

Das Image des Whiskys habe sich entstaubt, sagt David O’Halloran. Der Spirituosen-Experte hat miterlebt, wie in den vergangenen 18 Jahren, in denen er beim Warenhaus Globus die Kundschaft in der Genussabteilung beraten hat, das Sortiment von 24 auf über 600 Whiskysorten angestiegen ist. Gerade in Asien sei es modern geworden, die Hochprozenter zu konsumieren. Und so «eröffnen weltweit stetig neue Destillerien». Neben Ardbeg, Glenfiddich, Macallan und Edradour stehen in den Sammlerschränken Suntory oder Yamazakura.

Whisky ist also etabliertes Sammlergut, als Geldanlage rückte er aber erst in den letzten Jahren in den Blick. Inzwischen gibt es Wert-Indizes wie an der Börse, Blogs und Websites zum Thema, die Zahl der bei Auktionen versteigerten Flaschen ist rapide gestiegen, die Menge der Suchanfragen bei Google zum Thema ebenfalls.

Der Markt spiegelt das gestiegene Interesse: Wer heute noch an «easy money» denke, der komme etwas zu spät, so O’Halloran. «Wer noch vor zehn bis fünfzehn Jahren eine Special Edition mit Altersangabe von Ardbeg erworben hat oder in einen Mortlach investiert hat, konnte in nur sechs Jahren erhebliche Wertsteigerung erwarten», manche Marktkenner sprechen von Versechsfachung des Wertes. Doch heute, sagt O’Halloran, seien gerade die schottischen Whiskys von über 21 Jahren schwerer zu finden als das Ungeheuer von Loch Ness. «Die Europäer, aber auch die Asiaten haben sich regelrecht auf diese Whiskysorten gestürzt, und jetzt stehen wir kurz vor einem ziemlichen Engpass beim Single Malt», sagt David O’Halloran.

Denn zwischen 1975 und 1985 sei in den schottischen Destillerien extrem wenig produziert worden. Deshalb werden teilweise seit geraumer Zeit Flaschen ohne Altersangabe auf den Markt gebracht. Auch die aktuelle Produktion kämpfe mit einem simplen, aber tief greifenden Problem: «Schottland gehen die Sherryfässer aus.» Sherryfässer sind jedoch die Grundlage des Geschmacks beim Single Malt – 70 Prozent des Whiskyaromas kommen buchstäblich vom Fass.

Je exklusiver, desto teurer

Die simplen Gesetze der Luxusmärkte greifen auch hier: Je exklusiver das Angebot, desto grösser die Nachfrage, desto schneller und höher steigt der Preis. Bevor man also Mondpreise zahlt, lohnt ein Blick in den heimischen Keller: Lagert dort etwa ein unerkannter Schatz? Falls der Whisky neu erworben wird, ist eben mit etwas langsameren Wertsteigerungen zu rechnen.

Dass der Markt aber nach wie vor heiss ist, zeigt das florierende Whiskygeschäft bei Auktionshäusern wie Bonhams. Der Whiskymarkt verhält sich ähnlich wie jener für Kunst oder Oldtimer: Unangepasst, antizyklisch und nur jenen Sammlern und Jägern zu empfehlen, die nicht vornehmlich von Gewinngier getrieben, sondern dem Trank mit Leidenschaft und Connaissance zugetan sind.

Vervielfachte Preise

Andrea Bodmer von Bonhams kennt die Top-Auktionen: 2011 konnte Bonhams einen seltenen 55-jährigen Glenfiddich verkaufen, zur Feier des 110. Geburtstages der inzwischen verstorbenen Janet Sheed Roberts. Sie war Enkelin von William Grant, dem Gründer der Glenfiddich-Destillerie, und im Jahr 2011 die älteste lebende Person in Schottland.

Die Flasche wurde zum damaligen Rekordpreis von 46'850 britischen Pfund verkauft. Eine Flasche mit 50 Jahre altem Whisky, ebenfalls ein Glenfiddich, 2003 für 3700 britische Pfund zu haben, brachte 2015 stolze 13'750 Pfund ein. Und ein 1928 destillierter Macallan, der als 50-Jähriger 1986 zum Preis von 150 Pfund auf den Markt kam, brachte im Oktober 2011 mehr als 16'000 Pfund. Im August 2015 verkaufte Bonhams in Hongkong 54 Flaschen einer japanischen Destillerie, die heute nicht mehr produziert: Hanyu Ichiro’s Full Cards Series wechselte für den Weltrekordpreis von umgerechnet 476'000 Franken die Hand.

Rum als neuer Whisky

Letztlich, so Bodmer, müsse man wie bei jedem Luxusprodukt auf Reputation, Rarität und Exklusivität achten. «Es gibt keine Anzeichen dafür, dass das Interesse an Whisky nachlassen wird. Im Gegenteil, der Markt wächst kontinuierlich.»

Wem der Whisky als Anlage zu schade ist, dafür als Trinkgenuss zusagt, für den hat Experte O’Halloran noch einen Geheimtipp: Rum gelte unter Insidern bereits als neuer Whisky, und die Zeit sei jetzt reif und günstig, um an einem neuen Boom teilzuhaben.

Damit könnte man auch der Erkenntnis des grossen Humphrey Bogart Tribut zollen: «Man muss dem Leben immer um mindestens einen Whisky voraus sein.»