Der Brexit rückt näher: Städte in ganz Europa buhlen um Jobs aus der City of London, welche die Finanzmetropole im Zuge des EU-Austritts verlieren könnte. In der Gemeinde Pfäffikon am Zürichsee – einem der grössten globalen Zentren für Hedge-Fonds – trifft der potenzielle Zustrom von Investment-Bankern auf sehr wenig Begeisterung.

Der verschlafene 7000-Einwohner-Ort im Kanton Schwyz, eine halbe Stunde von Zürich entfernt, ist bestens damit vertraut, was es heisst, auf die Finanzbrache als Wirtschaftsmotor zu setzen. In der ersten Dekade dieses Jahrhunderts florierte Pfäffikon, denn seine niedrigen Steuern zogen globale Finanzunternehmen, insbesondere Hedgefonds, an. Die Bevölkerung wuchs, die Steuereinnahmen stiegen und entlang der Hauptstrasse entstanden viele neue, moderne Bürogebäude.

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Als nach der globalen Finanzkrise 2008 fast 1000 Arbeitsplätze in der Hedge-Fonds-Branche wegbrachen, zahlte Pfäffikon einen hohen Preis. Die Stadt kämpfte damit, die fehlenden Steuereinnahmen auszugleichen, Vermieter konnten plötzlich leere Büroräume nicht mehr füllen und auch den Restaurants vor Ort blieb die Kundschaft am Mittag aus.

»Die Angestellten aus dem Finanzsektors gingen zum hiesigen Metzger und zum Friseur», sagt Diego Foellmi, der seit langem in der Region lebt und Partner bei Herens Quality Asset Management in Pfäffikon ist. »Nachdem die Fondsgesellschaften Jobs abgebaut haben, litten diese Menschen.»

10 Prozent mehr Finanzjobs

Heute hat sich Pfäffikon weitgehend erholt: Die Anzahl der Finanzjobs im Kanton Schwyz ist seit 2011 um fast 10 Prozent gestiegen. Zwar wurden auch einige Hedge-Fonds-Jobs wieder geschaffen. Doch der Aufschwung wurde diesmal auf einer grösseren Vielfalt an Unternehmen aufgebaut, für die Pfäffikon aufgrund seiner Verkehrsanbindung, der Glasfaser-Internetanbindung und zahlreicher Neubauten attraktiv ist.

Der Industriekonzern OC Oerlikon expandierte und beschäftigt nun 150 Mitarbeiter in Pfäffikon. Der deutsche Chemiekonzern BASF eröffnete vergangenes Jahre ein Büro mit 85 Mitarbeitern. Und eine aus dem Möbelhaus Ikea ausgegründete Managementgesellschaft beschäftigt acht Mitarbeiter.

«Seit der Finanzkrise hat sich Pfäffikon diversifiziert», sagt Urs Durrer, der für die wirtschaftliche Entwicklung des Kantons zuständig ist. «Viele Büroräume standen leer, aber das hat sich verbessert, da Nicht-Finanzunternehmen eingezogen sind.»

Das Streben nach einer breiteren wirtschaftlichen Basis ist eine grosse Veränderung gegenüber vor zwei Jahrzehnten, als Pfäffikon Hedgefonds als Schlüssel zum Wohlstand ansah. In den 90er Jahren tauchten einige Unternehmen auf – angezogen vom ländlichen Lebensstil, dem einfachen Zugang zum Schweizer Finanzkapital und vor allem dem Steuersatz von 12,5 Prozent gegenüber mehr als 20 Prozent in Zürich. Die Gemeindeverantwortlichen waren begeistert von der Branche und förderten die Attraktivität der Region, um weitere Finanzfirmen zu locken.

Diese Bemühungen zahlten sich aus, als die Hedgefonds Man Group und Horizon 21 zu den grössten Arbeitgebern in Pfäffikon wurden: 2008 beschäftigten beide rund 800 Mitarbeitende. Mindestens ein Dutzend kleinerer Unternehmen folgten und schufen hunderte weitere Arbeitsplätze. Zwischen 2000 und 2010 wuchs die Bevölkerung der Gemeinde Freienbach, zu der Pfäffikon gehört, um fast 20 Prozent.

Der Champagner floss in Strömen als junge Fondsmanager in Jeans 100-Mllionen-Deals schlossen. Die Warteschlangen beim Metzger und Bäcker zur Mittagszeit waren die halbe Strasse lang. Britische und amerikanische Broker und Fondsmanager spielten auf den Fussballplätzen vor Ort. Auch das Autohaus Wollerau, dem Ferrari- und Porsche-Verkäufer vor Ort profitierte: «Diese Leute verdienten richtig viel Geld», sagte Güngör Alci, der Besitzer des Autohauses.

Folgen der Finanzkrise

Als die Finanzmärkte 2008 und 2009 einbrachen, wurde dem ein jähes Ende bereitet. Die Man Group reduzierte ihre lokale Belegschaft in etwa fünf Jahren von 550 auf 200, und Horizon 21 schrumpfte von 200 auf nur noch 10 Mitarbeiter, die das Vermögen des Gründers Rainer-Marc Frey und seiner Partner verwalten. Die Steuereinnahmen der Gemeinde gingen stark zurück, und etwa 50.000 Quadratmeter Bürofläche standen leer.

Noch heikler: Im Juni kaufte Freienbach Anteile an einem Fonds von Horizon 21 gekauft hatte. Und zwar Steuergelder in Höhe von 5 Millionen Franken. Kurz darauf verloren diese massiv an Wert.

«Die einzige Lösung ist, die Anlage zu verkaufen, falls überhaupt noch etwas davon übrig ist», schrieb eine Interessengruppe namens Bürgerforum auf ihrer Website. Als die Gemeinde ein Jahr später ihre Anteile verkaufen konnte, waren es nur noch 3,3 Millionen Franken.

Heute kehrt ein etwas gezügelter Finanzsektor langsam zurück nach Pfäffikon. Der Hedgefonds Stone Milliner eröffnete dort 2016 eine Aussenstelle. Im September verliess der Makrofonds EDL Capital die Büros in der Londoner Mayfair und verlegte seinen Sitz nach Pfäffikon. Und im vergangenen Jahr verlagerte Herens Quality Asset Management verlegte seinen Sitz und 16 Mitarbeiter von Meilen nach Pfäffikon. Auch wenn die Gemeinde froh um jeden neuen Arbeitgeber ist, umwirbt sie Hedgefonds nicht mehr so aggressiv wie früher.

«Seit dem geplanten Brexit bekommen wir mehr Anfragen», sagt Adrian Gattiker, Immobilienmakler in Pfäffikon. «Finanzunternehmen erwägen einen Umzug – meist prüfen sie erst einmal die Kosten.»

(bloomberg/mlo)