Die Notenbank Chinas stemmt sich mit einem überraschenden Schritt gegen die Schwäche der heimischen Konjunktur. Wie die People's Bank of China am Freitag mitteilte, werden die wichtigsten Zinssätze verringert. Der Ausleihungssatz sinkt um 0,4 Prozentpunkte auf auf 5,6 Prozent. Der Einlagensatz fällt um 0,25 Punkte auf 2,75 Prozent.
Mit Zinssenkungen in der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt hatten bis zuletzt nur die wenigsten Volkswirte gerechnet. Die allgemeine Erwartung lautete, dass die Zentralbank ihre bisherige Politik kleinerer, gezielter Konjunkturstützen etwa zur Stützung des Immobilienmarkts fortsetzt.
Erste Zinssenkung seit 2012
Der Schritt ist auch deshalb aussergewöhnlich, weil es das erste Mal seit 2012 ist, dass die Notenbank ihre Hauptzinssätze verringert. Seither wurden lediglich kleinere Anpassungen etwa bei den Reserveanforderungen für kleinere Banken vorgenommen. Die neuen Schritte treten an diesem Samstag in Kraft, wie es in einer Mitteilung der Notenbank heisst.
Die chinesische Konjunktur hat in den letzten Jahren zusehends an Schwung verloren. In diesem Jahr läuft die Wirtschaft Gefahr, das von der Regierung angepeilte Wachstumsziel von 7,5 Prozent zu verfehlen. Viele Bankvolkswirte gehen davon aus, dass sich das Wachstum weiter abschwächen wird. China benötigt eine robuste Konjunktur, um soziale Spannungen infolge unzureichender Beschäftigungschancen zu vermeiden. Zudem befindet sich das Land im Umbau hin zu einem nachhaltigeren Wachstumsmodell. In der kurzen Frist kostet dieser Strukturwandel Wachstum.
Feiernde Aktienmärkte
Am deutschen Aktienmarkt feiern die Anleger am Freitag die Zinssenkung– und auch Aussagen von EZB-Chef Mario Draghi sowie die anhaltende Rekordjagd der Wall Street. Der Dax knüpft am Mittag mit einem Plus von 1,90 Prozent auf 9663,98 Punkte an seine jüngste Aufwärtsbewegung mit vier Gewinntagen in Folge an. Der deutsche Leitindex steht damit so hoch wie seit zwei Monaten nicht mehr.
Für den MDax der mittelgrossen Werte ging es am Freitagmittag um 1,55 Prozent aufwärts auf 16 795,74 Punkte. Der technologielastige Auswahlindex TecDax gewann 0,98 Prozent auf 1331,57 Punkte. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 kletterte um 1,81 Prozent nach oben.
SMI und Rohstoffe im Hoch
Und auch die Schweizer Börse ist in Feierlaune, auch wenn der Aufschwung unter einem Prozent bleibt. Titel wie Holcim, Transocean, UBS, Swatch und Richemont treiben den Kurs. Swatch und Richemont profitieren noch von den Rekordexporten, die am Donnerstag vermeldet wurden. Richemont-Aktien werden zusätzlich von IPO-Gerüchten um Net-a-Porter angeheizt.
Die Senkung der Leitzinsen in China gibt auch dem Preis für Kupfer und Öl Auftrieb. Das Industriemetall verteuert sich um mehr als ein Prozent auf 6746 Dollar je Tonne. Die Rohölsorten Brent und WTI werden mit 80,75 und 76,88 Dollar je Fass jeweils rund ein Prozent höher gehandelt. Anleger hoffen darauf, dass die Wirtschaft in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt an Fahrt gewinnt.
(awp/ise/ama)