Der internationale Handel, früher der Antriebsmotor des globalen Wachstums, hat sich von der Rezession 2009 noch nicht vollständig erholt und fällt jetzt sogar wieder zurück. Chinas Exporte sackten im August gegenüber dem Vorjahr um 5,5 Prozent ab. In den USA ging es 3,5 Prozent abwärts und in Südkorea und Singapur sogar zweistellig.

Angesichts dieser Schwäche senkte die Welthandelsorganisation (WTO) in der vergangenen Woche ihre Prognose für das Wachstum beim Handel in diesem Jahr von 3,3 Prozent auf 2,8 Prozent. Sie gestand ein, dass die frühere Vorhersage wohl «zu optimistisch» gewesen sei.

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Exporte beunruhigen

Solche Raten sind deutlich unter dem Durchschnitt der vergangenen zwei Jahrzehnte von fünf Prozent. Vorbei sind auch die 1990er Jahre und Anfang des ersten Jahrzehnts im neuen Jahrtausend, als der Handel doppelt so stark wuchs wie die Wirtschaft - 2015 dürfte das vierte Jahr in Folge werden, in dem beide in etwa im gleichen Tempo zulegen.

Und was noch besorgniserregender ist: Carl Weinberg, der Chef-Volkswirt von High Frequency Economics, weist darauf hin, dass die weltweiten Exporte bis Ende Juni annualisiert um 1,6 Billionen Dollar unter dem Wert des Vorjahres lagen, das entspricht 2,1 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts.

«Mehr als ein Gegenwind»

In den ersten sechs Monaten dieses Jahres sanken die Exporte zum Vorjahr um elf Prozent, was nach Ansicht Weinbergs ausreicht, sich über eine Stagnation der Weltwirtschaft Sorgen zu machen. Dabei geht der Volkswirt von einer 70-prozentigen Korrelation von Wirtschaftswachstum und Exporttendenzen aus. «Die Kontraktion beim Welthandel hat noch keinen Boden gefunden», sagt Weinberg. «Dies könnte mehr als ein Gegenwind für die Wirtschaft sein, es könnte ein Tornado sein.»

Der pessimistischere Ausblick für den Handel dürfte einer der Gründe sein, weswegen der Internationale Währungsfonds bei seiner Jahrestagung diese Woche in Lima seine Prognose für das weltweite Wachstum von 3,3 Prozent in diesem Jahr wahrscheinlich senken wird.

Globalisierung könnte ihren Höhepunkt erreicht haben

Hinter der jüngsten Abschwächung beim Handel stehen nicht zuletzt die Verlangsamung in China und anderen Schwellenländern, die Turbulenzen in rohstoffreichen Staaten und der steigende Dollar. Doch auch strukturelle Verlagerungen spielen eine Rolle, da Länder wie die USA und China immer mehr im eigenen Land produzieren und immer weniger Handelsabkommen geschlossen werden. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Globalisierung ihren Höhepunkt erreicht hat.

Es besteht aber auch Hoffnung. Experten von Credit Suisse Group weisen darauf hin, dass es der Eurozone und Japan trotz ihrer Fokussierung auf Exporte gut gelungen ist, die Handelsschwäche durchzustehen - dank ihrer Produktion von Hightech-Gütern und sinkender Wechselkurse. Die WHO rechnet damit, dass der Handel im nächsten Jahr wiederum 3,9 Prozent anzieht.

Mögliche neue Phase

Einer Analyse von Gavekal Dragonomics zufolge könnte die Globalisierung auch in eine neue Phase eintreten, angeführt von Dienstleistungen und innovativen Unternehmen in Industrienationen und weniger von multinationalen Konzernen und ostasiatischen Volkswirtschaften.

Sollte der Handel jedoch nicht anziehen, rechnet Adam Slater, ein Volkswirt bei Oxford Economics Ltd., mit einem anhaltenden Abwärtsdruck auf Anleiherenditen und weitere Bemühungen von Ländern, durch Abwertungen zum Erfolg zu kommen. «Die Verlockung, sich ein grösseres Stück vom gegebenen Handels-Kuchen zu schnappen, wird wahrscheinlich zunehmen», sagt er.

(bloomberg/dbe/chb)