Soeben befürchtete man noch ein U oder ein L und hoffte auf ein V. Jetzt ist der Buchstabe der Stunde das W: Seine Form malt aus, wie sich die Konjunktur entwickeln könnte; sie skizziert, dass die Wirtschaft, kaum hat sie sich etwas aufgerappelt, schon den nächsten Rückschlag einstecken muss. Denn neue Virusängste, Einengungen und Lockdown-Drohungen würgen das Leben wieder ab. Bleibt nur die Hoffnung, dass es rasch vorbei und dann wieder nach oben geht: W wie Wunder.

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Doch die Lage lässt sich nicht mit dem Frühjahr 2020 vergleichen: Sie ist heikler. Daran erinnerte – unter vielen anderen – dieser Tage Carmen Reinhart: Je länger die Verunsicherung anhält, so die Chefökonomin der Weltbank, desto grösser werden die Schäden in den Bilanzen – bei Unternehmen, Haushalten, Banken und «sicher auch bei Staaten». Womit das Risiko wächst, dass das Covid-19-Elend am Ende durch eine ausgewachsene Finanzkrise getoppt wird.

Zugleich bremst die Drohung eines «Lockdown 2» genau jene beiden Kräfte, welche die Lage retten könnten und sollten: Konsumstimmung und Investitionsneigung. Welcher Hotelier plant jetzt noch einen Anbau? Welche Maschinenfirma setzt noch Geld auf eine mutige Produktentwicklung? Man wagt die Frage kaum noch zu stellen.

Für die Konjunktur entwickelt sich Covid-19 langsam zu einer chronischen Krankheit mit schwerem Verlauf.

«Eine Eindämmung des Virus könnte höchstens klappen, wenn das wirtschaftliche Leben stärker abgewürgt und das soziale Leben weltfremd würde. Wenigstens das ist jetzt geklärt.»

Nach dem Lockdown-Schock versuchten die Regierungen zwar, Epidemienpolitik und die Bedürfnisse der Wirtschaft auszubalancieren – irgendwie. Bekanntlich erachten es die Epidemiologen als nötig, dass der Ansteckungs-Wert R unter 1 bleibt, sonst werde sich das Coronavirus exponentiell ausbreiten; eine infizierte Person darf also Sars-Cov-2 im Schnitt allerhöchstens einer weiteren Person weitergeben. Dieses Ziel sollte mit Quarantänen, Apps, Contact-Tracern und immer neuen Maskenpflichten erreicht werden.

Doch der Realitätscheck der letzten Wochen hat die Fehlkalkulation ans Licht gebracht: Es gibt kein fragiles Gleichgewicht. Die epidemiologisch geforderte Eindämmung könnte höchstens klappen, wenn das wirtschaftliche Leben massiv gebremst und das soziale Leben weltfremd würde. Wenigstens das ist jetzt geklärt.

Die Ersatzlösung ist noch schlimmer

So taumeln wir in die erste Ersatzlösung – ein Hin und Her von Öffnungen und Schliessungen, untauglich auch das: Bei solch einer Politik würde selbst der Buchstabe W nicht mehr zur Beschreibung der Krise genügen, denn immerhin hat er einen halbwegs optimistischen Abschluss.

Was bleibt? Im Frühjahr noch galt die Maxime, dass kein Widerspruch bestehe zwischen Pandemiebekämpfung und Wirtschaftsinteressen. Und in der Tat: Damals lähmte die Angst vor dem unbekannten Virus aus China das Leben von selbst. Eine rasche Eindämmung machte also Sinn.

«Vielleicht sollten auch die Vertreter der Wirtschaft beginnen, einfach mehr Teufel an die Wände zu malen.»

Jetzt aber sind sowohl die Virus-Ängste als auch die Krankheitsverläufe gemässigter – doch was geschieht? Medien und Politik behandeln das Problem keineswegs nüchterner. Denn inzwischen sind einfach die Indikatoren der Seuche (insbesondere die «Fallzahlen») Selbstläufer geworden. Sie haben sich ein grosses Stück weit entkoppelt von der Wirklichkeit in den Spitälern – Gottseidank –, aber jetzt zählt das nicht mehr: Ein Anstieg hier genügt, um Aktivismus zu entfachen.

Es ist eine Gesundheitspolitik mit Worst-Case-Szenarien. Und man fragt sich langsam, ob nicht auch die Vertreter der Wirtschaft nachrüsten und beginnen sollten, einfach mehr Teufel an die Wände zu malen.

In den Papers der Konjunkturforscher, Schwellenländer- und Armutsexperten gäbe es mehr als genug Material dazu.

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