Es steht nicht gut um den Liberalismus, schrieb die in Zürich lebende Ökonomin Karen Horn Mitte Mai. Er drohe «auch noch die letzten Sympathiewerte zu verspielen – durch reaktionäre Unterwanderung.» Liberale müssten sich besser gegen rechtsnationale Kräfte abgrenzen. Zwei Monate später ist Horn als Vorsitzende der liberalen Hayek-Gesellschaft zurück- und aus dem Verein ausgetreten.

Und mit ihr eine Reihe namhafter deutschsprachiger Ökonomen, Politiker und Unternehmer, die sich dem Liberalismus verschrieben haben: In einer ersten Welle haben über 50 der gut 300 Mitglieder die Gesellschaft verlassen. Einer von ihnen ist Gerhard Schwarz, manchen Beobachtern gilt er als das «liberale Gewissen der Schweiz». Der langjährige Vorsitzende der Hayek-Gesellschaft und heutige Direktor der Denkfabrik Avenir Suisse bedauert den Exodus, hält aber fest: «Die Kritik von Karen Horn war im Kern legitim und wichtig: Es gibt die Bedrohung des Liberalismus von Rechts.»

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Liberalismus steckt in der Krise

Die Hayek-Gesellschaft fördert und verbreitet die Forschung und Erkenntnisse im Geiste Friedrich August von Hayeks. Hayek war ein im Jahr 1974 mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichneter liberaler Ökonom und Sozialphilosoph.

Tatsächlich steckt der Liberalismus heute jedoch – vor allem in Deutschland – in der Krise: Die FDP ist weitgehend in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Die Protestpartei Alternative für Deutschland (AfD) hat in den vergangenen Monaten einen massiven Rechtsruck erlebt. Ihr Gründer, der früher liberale Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke, flirtete laut «Spiegel»-Recherchen offensiv und von Anfang an um die Stimmen am rechten Rand – und verlor dennoch vor wenigen Tagen den innerparteilichen Machtkampf gegen die weiter rechts stehende Frauke Petry.

Im offensichtlichen Gegensatz zu Lucke grenzte sich Horn gegen rechte Kräfte ab – innerhalb der Hayek-Gesellschaft wurde ihr das nun aber offenbar zum Verhängnis. Sie habe es nie gern gesehen, wenn Leute vor allem danach streben, sich in einem Biotop gleichgesinnter Ideologen zu bewegen, andere hart auf Linientreue zu testen und einander mit einfachen, möglichst scharfen Parolen hochzuschaukeln, teilte Horn in einer Stellungnahme mit.

«Die rechte Flanke der Liberalen»

Was war passiert? Die liberale Ökonomin und frühere Journalistin hatte am 17. Mai in der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» eine scharfe Analyse mit dem Titel «Die rechte Flanke der Liberalen» publiziert. Darin warnte sie vor einer Unterwanderung des Liberalismus durch rechte und reaktionäre Kräfte.

Die Reaktionären von heute hätten schlechte Manieren, schrieb sie. Wie am Stammtisch würden Vorurteile gepflegt, dogmatisch zugespitzt und hasserfüllt herausposaunt. «An üble Nachrede und Inevektiven gegen Keynesianer und Sozialisten ist man gewöhnt, jetzt kommen noch Demokratie, Feminismus, Pluralität, Homosexualität und Atheismus als Feindbilder dazu.» Der Liberalismus komme nun an einen Punkt, an dem sich sein Schicksal entscheide. «Wenn es nicht gelingen sollte, der liberalen Ethik von Offenheit und Toleranz den ihr gebührenden Raum zu schaffen – dann verliert der Liberalismus seine Seele.»

«Eine so aufgeheizte Stimmung habe ich noch nie erlebt»

Die Hayek-Gesellschaft selbst benannte Horn in ihrem Text nicht. Einigen Mitgliedern stiess Horns Artikel dennoch übel auf, 26 Kritiker forderten die in Genf geborene Wissenschaftlerin in einem offenen Brief zum Rücktritt auf. Der frühere FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler war einer der Scharfmacher, der Wirtschaftsphilosoph Gerd Habermann stellte sich offenbar ebenfalls gegen Horn. Sie sei zu wenig staatskritisch und ohnehin links, so der Vorwurf empörter Gegner.

An der Mitgliederversammlung des Vereins am 26. Juni in Leipzig eskalierte der Streit. Das Auftreten einiger Personen sei «stillos» gewesen, schildert Avenir-Suisse-Direktor Schwarz, «eine so aufgeheizte Stimmung habe ich an Veranstaltungen dieser Art noch nie erlebt.» Die Art und Weise der Auseinandersetzung gab denn offenbar auch den Ausschlag für den Massenaustritt.

Issing, Feld, Lindner – Exodus bei der Hayek-Gesellschaft

Neben Horn und Schwarz verliessen unter anderem Otmar Issing, früher Chefökonom der Europäischen Zentralbank (EZB), Lars Feld, Sachverständiger für die deutsche Regierung, oder der Direktor des Kölner Forschungsinstituts IW Michael Hüther die Hayek-Gesellschaft. Ebenso der Wirtschaftsprofessor und frühere Finanzminister von Sachsen-Anhalt, Karl-Heinz Paqué, und Christian Lindner, Vorsitzender der deutschen FDP.