Die Schweizer Wirtschaft kann höheren Ölpreisen derzeit gelassen entgegensehen. Dank ihrer geringen Ölabhängigkeit wären selbst bei einem massiven Preisschock nur moderate Einflüsse auf die Gesamtwirtschaft zu befürchten. Allerdings könnte bei einer Eskalation der Situation der Franken wieder verstärkt unter Aufwertungsdruck geraten.

Zu Wochenbeginn war es nach Angriffen auf Ölförderanlagen in Saudi-Arabien zu einem Preisschock gekommen: Die Ölpreise stiegen so stark wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Von 60 Dollar vor dem Wochenende stiegen die Preise für ein Fass der Sorte Brent zunächst auf über 70 Dollar. Inzwischen sind sie von diesem Niveau wieder zurückgekommen, am Markt ist ein Fass wieder für unter 65 Dollar zu haben.

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Der Schock kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt, ist doch ein globaler Abschwung zu beobachten. Vor allem die Nachfrageschwäche aus China sowie der Handelskonflikt machen der Weltwirtschaft und auch der Schweizer Wirtschaft zu schaffen.

Für letztere dürften allerdings höhere Ölpreise kaum eine zusätzliche Belastung darstellen. «Die Ölabhängigkeit der Schweiz ist sehr gering», sagt Heiner Mikosch, Ökonom bei der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich.

Ausmass entscheidend

Zudem sei der Ölpreis bereits wieder etwas gesunken. «Wenn er nun über längere Zeit oben geblieben wäre, hätte das gewisse negative Effekte auf die Weltkonjunktur und einen sehr kleinen negativen Effekt auf die Schweiz nach sich gezogen.» Laut einer KOF-Studie würde ein solcher Ölpreisschock das Schweizer Wirtschaftswachstum höchstens um 0,1 Prozentpunkte bremsen.

Bei einem massiven Anstieg allerdings müsste auch die Schweiz mit negativen Folgen rechnen. Alexis Bill-Körber vom Konjunkturforschungsbüro Bak Economics sagt: «Es kommt auf das Ausmass an.» So lange es im jetzigen Ausmass bleibe, sehe er etwa keinen Bedarf, die Prognosen für das Wirtschaftswachstum nach unten zu revidieren.

«Abgestützt auf unser Modell haben wir eine Faustregel, dass ein Ölpreisanstieg um 25 Dollar 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte vom Wirtschaftswachstum kosten.» Aber es spielten viele weitere Faktoren eine Rolle. In der Schweiz dürfte sich laut dem Bak-Ökonomen als Erstes die Unsicherheit auswirken. Das könnte wiederum den Schweizer Franken als sicheren Hafen unter Aufwertungsdruck bringen.

Höhere Kosten

Bei einem grossen Anstieg dürften zudem die Güterexporte und Investitionen leiden. Dazu kämen höhere Kosten für die Konsumenten, etwa für Benzin und Heizöl. Erdölprodukte machen rund 3 Prozent der Konsumausgaben aus. Eine Verteuerung des Ölpreises würden neben den Konsumenten die Verkehrsbranche, der Bau, die Landwirtschaft und die Basisindustrie zu spüren bekommen, wie Bill-Körber sagt. Profitieren dagegen könnten die Rohstoffhändler.

Diese Effekte könnten sich zum Teil ausgleichen, sagt KOF-Ökonom Mikosch. Auch bei einem Extremszenario erwartet der Ökonom nur einen verhältnismässig kleinen Effekt: So wurde bei einer Studie mit einem permanenten Ölpreisanstieg von 30 Prozent von einem bereits hohen Niveau von über 90 Dollar aus gerechnet. Das Resultat: Das Wachstum der realen Umsätze in der Schweiz würde über 6 Monate um 0,3 Prozentpunkte gedrückt.

Nachfrageschwäche beim Öl

Ein solch starker Anstieg des Ölpreises über längere Zeit halten Experten allerdings derzeit für wenig wahrscheinlich. Zwar dürfte der Ölpreis in der nächsten Zeit in einem höheren Bereich notieren, sagt UBS-Rohstoffexperte Giovanni Staunovo. So werde es eine Risikoprämie geben, denn der Anschlag habe alle überrascht und ähnliche Angriffe könnten folgen. Auch das Risiko einer militärischen Eskalation stütze den Preis, zudem gelte es in nächster Zeit die Exporte aus Saudi-Arabien genau zu beobachten.

Allerdings sei der Ölpreis derzeit noch klar vom diesjährigen Hoch im April und Mai entfernt. Damals bewegte sich der Preis bei über 70 Dollar für ein Ölfass der Sorte Brent. Aktuell kostet ein solches am Markt knapp 65 Dollar, nach 60 Dollar vor dem Wochenende. «Der jetzige Anstieg ist zu wenig stark für eine massive Verlangsamung der Weltwirtschaft», sagt Staunovo.

Generell könnte es im nächsten Jahr eher zu einer Überversorgung beim Öl kommen. Denn bereits dieses Jahr sei die Nachfrage sehr enttäuschend ausgefallen und deutlich unter den Durchschnittswerten der letzten Jahre geblieben, so der Rohstoffexperte. Aufgrund der Verlangsamung der Weltwirtschaft dürfte die Nachfrage auch nächstes Jahr schwach bleiben. Gleichzeitig brächten neu aktivierte Ölproduktionsfelder, zum Beispiel in Norwegen, grosse Mengen Öl auf den Markt.

(sda/mlo)