Der erste Staatsbesuch des nigerianischen Präsidenten Goodluck Jonathan in Südafrika ist symbolisch für die allgemeine Aufbruchstimmung in Afrika. «Wir sind keine Konkurrenten», beteuerte Südafrikas Präsident Jacob Zuma vor dem Weltwirtschaftsforum Afrika vom 8. bis 10. Mai und pries die wachsende Kooperation zwischen den grössten Volkswirtschaften des Kontinents.
Noch bezweifeln viele, dass die traditionelle Rivalität der beiden mächtigsten afrikanischen Staaten ausgeräumt ist. Jonathan und Zuma setzten weitere Akzente der Ermutigung. Der Optimismus für die Zukunft des leidgeplagten Kontinents ist enorm. «Für die kommenden zehn bis 20 Jahre befindet sich Afrika potenziell auf einem unschlagbaren Wachstumskurs», jubelte Südafrikas Finanzminister Pravin Gordhan kurz vor der dreitägigen Konferenz in Kapstadt, an der traditionell auch zahlreiche Staats- und Regierungschefs teilnehmen.
6 Prozent Wachstum
Die Analysen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) sind tatsächlich ungewöhnlich positiv. Schon seit zehn Jahren liegen die Wachstumsraten Afrikas über dem Weltdurchschnitt. Bald könnte Afrika sogar Indien und China als Lokomotive des globalen Wirtschaftswachstums ablösen, heisst es im jüngsten IWF-Bericht.
Afrikas Wirtschaft soll demnach 2014 und 2015 um jeweils um mehr als sechs Prozent wachsen. Viele Länder Afrikas gehören aber trotz des Booms zu den ärmsten der Welt. 2010 lebten laut Weltbank noch immer fast die Hälfte der Afrikaner von weniger als 1,25 Dollar pro Tag - 1990 waren es sogar 58 Prozent.
Vor allem Boomländer wie Nigeria, Mosambik, Angola, Äthiopien, Ghana oder Ruanda haben den Traum von «Löwenstaaten», die wie einst die asiatischen «Tigerstaaten» einen gewaltigen Entwicklungssprung machen. Als wichtiger Indikator gilt die Zunahme der Direktinvestitionen.
2012 betrug die Gesamtsumme fast 38 Milliarden Dollar. Gordhan hofft, dass es bis 2015 schon 54 Milliarden Dollar sind. Allerdings beträgt Afrikas Anteil an den weltweiten Auslandsinvestitionen nur 5,6 Prozent.
Wachsender Mittelstand
Besondere Hoffnung macht den Afrikaner ein wachsender Mittelstand. Allerdings gibt es da unterschiedliche Sichtweisen. Die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) zählt bereits 315 Millionen der rund eine Milliarde Afrikaner zum Mittelstand. Wirtschaftsexperte David Cowan (Citigroup Afrika) kritisierte kurz vor dem Wirtschaftsforum dagegen: «Ich glaube nicht an eine afrikanische Mittelklasse».
Die AfDB zähle einfach alle Menschen dazu, die zwischen zwei und 20 Dollar am Tag zur Verfügung hätten, kritisiert der Ökonom. Die grosse Masse dieses «neuen Mittelstandes» habe aber nur weniger als vier Dollar pro Tag.
Furcht vor Spannungen
Realistisch könne man von etwa 120 Millionen Menschen in Afrika sprechen, die in ihren Konsumgewohnheiten und ihrem sozialen Stand nach zum Mittelstand gezählt werden könnten. Das würde sehr viel besser erklären, warum die Furcht vor sozialen Spannungen zunimmt.
Der Boom Afrikas ist nicht ungefährdet. Die starke Abhängigkeit von Rohstoffexporten (Öl, Gold, Titan, Uran, Kakao, seltene Erden) droht bei einem Preisverfall die Entwicklung nachhaltig zu bremsen. Insbesondere die wachsende Öl-Unabhängigkeit der USA werde den Ölexporteuren Nigeria und Angola erhebliche Probleme bereiten.
Hohe Jugendarbeitslosigkeit
Angesichts der Bevölkerungsexplosion steigt trotz Wachstums die Jugendarbeitslosigkeit. Selbst im Schwellenland Südafrika mit einer offiziellen Arbeitslosenrate von 25 Prozent ist wohl jeder zweite junge Mensch ohne Beschäftigung.
Zudem belegen Terroranschläge in Nigeria, Somalia oder Kenia die fragile politische Stabilität des Kontinents. Noch immer wuchern Korruption und Misswirtschaft. Die Hilfsorganisation Oxfam befürchtet, dass jährlich etwa 200 Milliarden Dollar Afrika illegal verlassen und damit der Entwicklung fehlen.
(muv/sda)