Ein Schelm, wer da an Absprachen denkt. Just am Tag, als Angela Merkel den Gang nach Kreuth wie nach Canossa antritt, da sich der Bundespräsident von ihrer Politik der offenen Tür distanziert, tun ihr die österreichischen Grosskoalitionäre den Gefallen, die Grenze zum Balkan dichtzumachen und den Flüchtlingsstrom zu kappen. Nun müssen die Slowenen, Kroaten, Serben, Mazedonier und letztlich die Griechen zusehen, wie sie mit dem Rückstau fertigwerden. Das ist gelebte europäische Solidarität.

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Merkels Grenzöffnung sollte ja Solidarität gegenüber den bedrängten Südosteuropäern zeigen. Die Szenen im Budapester Hauptbahnhof waren Symbol des drohenden Staatsversagens in dieser immer noch volatilen Region und wirkten in der deutschen Psyche nach, bis sie zu Silvester verdrängt wurden von den Szenen in einem anderen Bahnhof.

Beschämungsstrategie hat nicht gefruchtet

Da allerdings war schon klar geworden, dass Merkels Wette nicht aufgehen würde, mit deutscher Willkommenskultur und Effizienz die EU-Partner so zu beschämen und zu beeindrucken, dass sie sich zu einer europäischen Lösung des Problems aufrafften.

Masslosigkeit galt schon immer als deutsches Laster. Der unbegrenzte Asylartikel des Grundgesetzes wurde unter Helmut Kohl zu einem Nichtasylartikel umgestaltet und das Problem den anderen Europäern aufgebürdet. Deutschland darf ja jeden Asylbewerber, der auf dem Landweg zu uns kommt, zurückweisen.

Merkels Aufwind dank Plan B und Österreich

Merkel stellte diese Verhältnisse auf den Kopf. Noch einmal: nicht aus einer Laune, sondern aus einer europäischen Notsituation heraus. Nun könnte ihr Österreich Luft verschaffen und den Weg weisen in eine Diskussion über Grenzen und Obergrenzen. Unsere Nachbarn sind ja nicht engherzig. Knapp 40'000 Asylbewerber im Jahr entsprechen, auf die Bevölkerung hochgerechnet, bei uns 400'000 oder doppelt so viel, wie die CSU vorschlägt.

Merkels Plan einer grosseuropäischen Lösung ist gescheitert. Nun kommt Plan B. Mit nordafrikanischen Staaten verhandelt man über die Rücknahme abgewiesener Bewerber und ausgewiesener Krimineller. Mit der Türkei und Jordanien über Arbeitserlaubnisse für Flüchtlinge.

Die EU-Grenzbehörde und die «Hotspots» auf dem Balkan nehmen Gestalt an – und Österreich tut, was inzwischen auch Merkels Partner SPD fordert. Trotz Köln könnte Merkel so mit einer positiven Bilanz ins Wahljahr 2016 gehen. Woran auch die von Populisten bedrängten politischen Freunde in Wien ihr Interesse haben.

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