Beginnen wir mit zwei Beispielen aus einem gängigen Intelligenztest. Erstes Beispiel: Welcher Begriff passt nicht in diese Reihe? Reformation, Tradition, Revolution, Innovation, Transposition. Zweites Beispiel: Welche Zahl kommt als nächste? 3, 4, 8, 17, …?

Ich hatte einen Kollegen, der solche Aufgaben in Zehntelsekunden löste. Seine abstrakte Intelligenz war grandios, auch im Geschäft. Wenn etwa jemand ein Unternehmen vorstellte und dazu sagte, man habe im Jahr zuvor bei 128,2 Millionen Franken Umsatz einen Gewinn von 11,4 Millionen gemacht, dann sagte er nach einer Zehntelsekunde: «Umsatzrendite 8,9 Prozent.»

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Bevor wir näher auf das Thema eingehen, zuerst die Lösungen von oben. Im ersten Beispiel passt der Begriff der Tradition nicht in die Reihe. Er bezeichnet im Gegensatz zu den anderen keinen Prozess. Im Zweiten Beispiel lautet die Antwort 33 (3+1×1, 4+2×2, 8+3×3, 17+4×4).

Chefs weiter unter dem Rekord-IQ

Nun, das intelligenteste Lebewesen auf diesem Planeten ist der Mensch. Darüber sind sich ausnahmsweise alle Biologen und Psychologen einig. Schon weniger einig sind sie sich, was Intelligenz überhaupt ist. Es gibt den eher kognitiven Ansatz, wonach Intelligenz in intellektuellen Funktionen wie logischem Denken sichtbar wird. Dann gibt es den eher praktischen Ansatz, wonach sich Intelligenz in der Lösung von Problemen niederschlägt. Ich bin mehr für den praktischen Ansatz.

Der höchste je gemessene Intelligenzquotient wurde beim australischen Mathematiker Terence Tao registriert. Er hatte einen IQ von 230. Der frühere Schachweltmeister Garri Kasparow hatte 190, Einstein ungefähr 170. Der durchschnittliche IQ in den Chefetagen der Unternehmen steht bei etwa 125.

Nichtwissen als Zeichen von Intelligenz

Ich weiss nicht, ob Tao und Kasparow fähig wären, einen Firmenausflug zu organisieren oder ein Vertriebsnetz neu zu strukturieren. Ich bezweifle es. Denn hier ist praktische Intelligenz gefragt. Praktische Intelligenz ist auch das einzige Kriterium, das bei Tieren zur Messung der Intelligenz angewendet werden kann. Tiere lösen keine Tests. Es ist unter Biologen daher stets eine fröhliche Diskussion, welches denn das intelligenteste Tier sei. In den Spitzenpositionen finden sich die Menschenaffen, die Delfine und die Krähen.

Delfine zum Beispiel verfügen über Metakognition, das heisst, sie können über die Konsequenz ihres Handels nachdenken. Sie können darum nicht nur Ja oder Nein «sagen», sondern auch «Ich weiss es nicht». Schimpansen wiederum können mit ihrer Sprache Wünsche und Probleme gezielt ausdrücken. Bis zu einem gewissen Grad können sie auch eine Fremdsprache lernen, etwa von anderen Affen.

Die perfekte Mischung

Meine Favoriten indes sind die Krähen. Sie können zum Beispiel Karten spielen, indem sie aus drei Karten mit unterschiedlichen Symbolen die beiden zusammengehörigen erkennen. Das ist eine Form von kognitiv-abstraktem Denken, die man zuvor nur bei Affen nachweisen konnte. Die Rabenvögel nutzen auch Werkzeuge, um an Futter zu kommen. Wenn diese nichts taugen, bauen sie neue und biegen mit dem Schnabel etwa Drähte zu Angelhaken.

Und nun kommen wir zu meinem früheren Kollegen. Er hatte die Fähigkeit, kognitive und praktische Intelligenz ideal zu vereinen. Er konnte nicht nur in einer Zehntelsekunde die dritte Wurzel aus 103 823 ziehen, er konnte auch einen Firmenausflug organisieren oder ein Vertriebsnetz neu strukturieren.

Er war später einer der erfolgreichsten CEOs auf seinem Gebiet. Er war sozusagen eine Krähe, eine Intelligenzbestie.

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