Kurz zur Ausgangssituation: Unser Büro besteht aus fünf Leuten, zweieinhalb Räumen, einem Fernseher, sechs Telefonen und jeder Menge Zeitungen und Zeitschriften. Kommunikation gibt es eher zu viel als zu wenig, besonders dann, wenn man gerade konzentriert an einem Text oder einem Radiostück arbeiten will. Doch Quantität ist nicht gleich Qualität. Seit längerem nehmen wir uns zum Beispiel vor, jede Woche einen festen Termin für eine feste Konferenz zu haben. Meist geht das zwei- oder dreimal gut, dann sind die ersten zum verabredeten Termin nicht im Büro, haben eine knappe Deadline oder sonst eine Entschuldigung - und die Konferenz verschwindet so schnell, wie sie gekommen ist.

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Deswegen füllen sich unsere Postfächer mit E-Mails. Themenideen, Nachfragen, Terminvereinbarungen - für alles legen wir eigene E-Mails an, die dann zu weiteren E-Mails führen, die dann irgendwann weit hinten im Posteingang verschwinden. Bei dringenden Anliegen nach Feierabend wechseln wir auf Gruppen-SMS, die dann mehr oder weniger ignoriert werden. Private Gespräche werden wahlweise über Facebook, per E-Mail oder Skype geführt. Kurz: Wir reden viel, aber nicht immer effizient.

Slack soll Arbeitsprozesse vereinfachen

Die Erwartungen an Slack, uns aus unserem Kommunikationsdilemma zu befreien, waren entsprechend hoch. Auf Twitter, erzählte der Praktikant, hätten begeisterte Nutzer Screenshots ihres Home-Bildschirms gepostet, auf dem es die App neben der Telefonfunktion und dem E-Mail-Programm sogar in die Top 4 jener Apps geschafft hat, die unten festgezurrt immer mit wandern, wenn man sich durch die Bildschirme wischt. Selbst die New York Times nutzt Slack für die interne Kommunikation.

Slack ist eine Art Chatroom fürs Büro. Es lassen sich eigene Kanäle für einzelne Themen anlegen, in die dann auch wirklich nur die Kollegen eingeladen werden, die es betrifft. Alle anderen werden von den Nachrichten nicht belästigt. Zusätzlich lassen sich Chats mit einzelnen Kollegen führen. Sitzt man nicht am Computer, poppen die Nachrichten auf Wunsch auf dem Smartphone auf. Alte Nachrichten lassen sich durchsuchen, einzelne Kollegen ähnlich wie bei Twitter mit einem @ gezielt ansprechen und nahezu unendliche Verknüpfungen mit anderen Diensten wie Dropbox und Guthub erstellen.

Kommunikation in vielen Büros mangelhaft

Hinter Slack steckt Stewart Butterfield, einer jener Serientäter aus dem Silicon Valley, der unter anderem den Foto-Dienst Flickr mitgegründet hat. Die Idee kam ihm, während er mit einem Team an einer seiner Ideen arbeitete. Die Kollegen sassen in Kanada und den USA, Online-Chats gehörten zum täglichen Werkzeug. Die Idee verlief im Sand, der Chat blieb.

Seit dem Start vor rund acht Monaten hat die App für so viel Wirbel gesorgt, dass klar ist: Wir sind nicht das einzige Büro mit einer verbesserungswürdigen Kommunikation. Inzwischen wird Slack mit mehr als 1 Milliarde Dollar bewertet. Google hat investiert, Andreessen Horowitz und Kleiner Perkins auch. Die Namen sind so etwas wie der Ritterschlag des Silicon Valley. Optimistische Investoren trauen der Firma zu, die Art unserer Zusammenarbeit für die nächsten 100 Jahre zu revolutionieren. Auch Seiten wie Quartz feiern Slack als «unersetzliches Business Tool». Inzwischen nutzen mehr als 285'000 Personen und 30'000 Teams den Dienst täglich und verschicken 200 Millionen Nachrichten, Fotos, Links oder Videos. Mehr als 70'000 davon zahlen für Zusatzfunktionen wie unbeschränkte Suchfunktion. All das, ohne auch nur einen Cent für Werbung auszugeben.

Meine ersten Nachrichten verhallen weitgehend ungehört

Bei uns lässt sich die Revolution etwas träge an. Meine ersten Nachrichten verhallen weitgehend ungehört. 10:48: «Test». Keine Reaktion. 10:54: «Es gibt auch eine App fürs iPhone, dann könnt Ihr das auch von unterwegs nutzen, statt Emails schreiben zu müssen.» Schweigen. 11:44: «Und: Ihr könnt eine Desktop-Benachrichtigung einrichten, dann bekommt Ihr wie bei Emails auch ein kleines Pop-up Fenster zu sehen, wenn neue Nachrichten da sind.» Auch hier nichts. Plötzlich macht der Name Sinn, schliesslich heisst «Slack» soviel wie «Flaute».

Die Macher verstehen Slack als work in progress und ermutigen die Nutzer, Verbesserungsvorschläge zu machen. Einen haben wir schon: Praktisch wäre es, wenn man sehen könnte, wer die eigenen Nachrichten schon alles gelesen hat, ähnlich wie das auch Facebook mit seinem Messenger bietet. Als ich das an das Slack-Team schreibe, bekomme ich innerhalb weniger Minuten eine Antwort von Hans Larsen: «Hi Thorsten, That is a good idea. We don’t have something like that right now, but I will go ahead and send a feature request. Cheers.»

Schuldgefühle als Nutzungsmotivation

In privaten Nachrichten an Kollegen beschwere ich mich, dass niemand ausser mir sich für Slack begeistern will. Das wirkt. Es dauert ein bisschen, dann trudeln die ersten Nachrichten ein. Meist sind es Sachen, für die sich keine E-Mail gelohnt hätte, bei denen es aber trotzdem gut ist, wenn man davon weiss: Themen, an denen sie gerade sitzen, Kunden, für die sie arbeiten. Ich ahne, dass das nützlich sein kann, wenn man nur wüsste, dass sie auch gelesen werden. Doch der Kommunikationsfluss bleibt weiter zäh.

Einen Tag später versuche ich es wieder. 11:43: «Nicht vergessen: Um 3pm Sitzung!» 11:50: «test». 2:50: «TEST». 3:00: «KONFERENZ».

Die findet dann statt. Offline.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Bold Economy – das umfassende Nachrichtenportal zur digitalen Revolution.