Sie heissen Glassgowrob, Juicegee und Uglymely und posten auf Instagram angesagte Turnschuhmodelle, in der Hoffnung auf Herzchen und Kommentare ihrer jugendlichen Follower. Manchmal springt auch ein Werbevertrag dabei raus. Was auf den sozialen Netzwerken noch spielerische Dimensionen hat, ist für Profisammler längst ein ernsthaftes Geschäft. Denn bestimmte Schuhmodelle von Adidas, Nike und Puma erzielen locker Preise, die manchen an die Anfänge der modernen Kunst erinnern. Es gilt nur herauszufinden, welche Paare gerade zur Spitze gehören – seien sie auch optisch noch so gewöhnungsbedürftig.

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Als die wohl teuersten verkauften Turnschuhe aller Zeiten gelten die Nike Air Jordan 12 Flu Game (siehe Bildergalerie unten). Der amerikanische Basketball-Star Michael Jordan trug ein solches Paar in einem NBA-Endspiel 1997, das er trotz schwerer Grippe mit seinem Team, den Chicago Bulls, noch knapp gewinnen konnte. Ein epischer Moment für die Fans und die Industrie. 2013 erzielten die Nike Air Jordan 12 Flu Game, die der Superstar während des Spiels getragen und später handschriftlich noch signiert hatte, an einer Auktion in New York jedenfalls astronomische 104 765 Dollar.

Nike Air Mag Back to the Future für 28 000 Dollar

Der klobige, rotschwarze Turnschuh, den es heute in vielen Neuauf lagen gibt, ist ein Entwurf von Nike-Chefdesigner Tinker Hatfield, den Netflix gerade in einer Episode der Dokumentarfilmserie «Abstract: The Art of Design» porträtiert hat. Der kultige Hatfield hat für Nike die gesamte Air-Jordan-Serie entwickelt sowie Modelle für die Tennisspieler Andre Agassi, John McEnroe und den US-Sprinter Michael Johnson. Ausserdem entsprangen Turnschuhe wie der Air Max, Nike SB P-Rod II Tinker Hatfield und Nike Air Flight Huarache seinem Atelier in Portland, um nur einige zu nennen, die in Massenproduktion gefertigt werden und die dann auf den Instagram-Accounts wie jenen von Glassgowrob, Juicegee und Uglymely zu finden sind.

Auch für den Nike Air Mag Back to the Future ist Hatfield verantwortlich. Der Schuh, der 2015 zuletzt neu aufgelegt wurde, zählt mit einem Preis von durchschnittlich 23 000 Dollar zu den teuersten Sneakern, die aktuell auf Online-Handelsplattformen gehandelt werden. Vor ein paar Wochen erst hat ein Paar für 28 000 Dollar auf stockx.com den Besitzer gewechselt.

Wie funktioniert eine Welt, in der Gebrauchsgegenstände wie Schuhe zu begehrten Sammlerobjekten und Statussymbolen werden können? An der Spitze der Wertschöpfungskette stehen Unternehmen wie Nike, Adidas und Puma, die nicht nur auf kreative Köpfe wie Tinker Hatfield setzen, sondern auch auf Prominente, die die Schuhe tragen und ihren Namen dafür hergeben. Darauf springen die sogenannten Sneakerheads an, professionelle Sammler, die für diese Schuhe manchmal um die halbe Welt reisen. Sie setzen alles daran, die Ersteditionen zu erstehen, um diese dann an wohlhabende Sammler und andere Sneaker-Verrückte weiterzuverkaufen. Irgendwann landen die Schuhe dann bei den Bloggern auf Instagram oder ähnlichen sozialen Netzwerken, die die Trends dann an die breite Masse weiterleiten.

Gehandelt wie Wertpapiere an Online-Börsen

Doch zurück zum Anfang der Kette: Adidas beispielsweise konnte Popstar Pharrell Williams für Adidas Originals, NMD und Tennis Hu gewinnen. Rapper Kanye West hat für die Adidas Yeezy Boost das Design mitentworfen und trägt sie gerne an öffentlichen Auftritten. Sängerin Rihanna wiederum ist bei der Fenty-Kollektion von Puma an Bord. Rapper Eminem steht für Nike Pate. Solche Schuhe können dann schon mal von den Herstellern auf hundert Paar limitiert werden, was sie zu etwas Besonderem macht und den Preis in die Höhe treibt.

Ein Paar Adidas NMD Pharrell Hu Friends wird auf Stockx.com für 6800 Dollar gehandelt, die Air Yeezy 2 Red October für 5200 Dollar, die Air Jordan 4 Retro Eminem × Carhartt für stolze 10 000 Dollar. Ursprünglich gingen sie einmal für ein paar hundert Dollar über den Ladentisch. Mittlerweile werden einige dieser Schuhe sogar wie Wertpapiere an Online-Börsen gehandelt, die fünf- bis sechsstelligen Beträge sind keine Seltenheit. Für die drei grossen Marken Adidas, Nike und Jordan (Nike) gibt es auf Stockx.com je einen Index, wie er sonst bei Aktien üblich ist. Er ergibt sich aus den US-Verkaufszahlen der betreffenden Markenschuhe in den letzten 24 Stunden auf Stockx.com.

Rihanna

Die Sängerin Rihanna ist bei der Fenty-Kollektion von Puma an Bord.

Quelle: Getty Images

Tagelanges Anstehen vor den Geschäften

Auf diese Sondermodelle und limitierten Editionen lauern die Sneakerheads schon Wochen vorher. Sie stehen für die Erstausgaben manchmal tagelang vor den Turnschuhgeschäften in Trendstädten wie New York, Paris oder London in der Schlange, um auch ja ein limitiertes Paar günstig zu erwerben. Die Gewinnspanne kann innerhalb weniger Stunden leicht mehrere tausend Dollar betragen, etwa wenn ein Paar gleich nach dem Kauf im Internet oder ganz simpel auf dem Parkplatz hinter dem Geschäft wiederverkauft wird. Denn dann ist der Wert der Schuhe in der Regel am höchsten.

Eine andere Möglichkeit sind Verlosungen, sogenannte Raff les, die manche Hersteller durchführen wie etwa anlässlich einer Jubiläumsausgabe der Nike Air Mag Back to the Future. Hier tragen sich die Sneakerheads entweder online beim Hersteller oder im Laden auf Listen ein. Anschliessend bekommen sie eine Nachricht, ob sie ein Kaufrecht gewonnen haben. Auch gibt es spezielle Software (sogenannte Sneaker Bots), die dabei hilft, während des Ansturms auf einen Internet-Shop ein Paar zu reservieren. Deutlich entspannter jedenfalls, als tagelang vor den Läden zu campieren.

Bei Minustemperaturen vorm Schuhgeschäft

Wie kurios es dabei zugehen kann, war diesen Januar in Berlin zu beobachten. Bei Minustemperaturen standen Hunderte Menschen vor einem Schuhgeschäft im Stadtteil Friedrichshain. Sie kamen aus Leipzig, Hamburg und Köln angereist. Der Grund: ein Adidas-Schuh. Das Unternehmen hatte gemeinsam mit den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) Turnschuhe entworfen, in denen ein Jahresticket für die BVG enthalten war. Das Stoff-Design ähnelt den Sitzbezügen der BVG-Bahnen. Auf gerade mal 500 Exemplare waren die Sneaker reduziert, was gleich die Begehrlichkeiten hochschraubte.

Noch bevor die Schuhe überhaupt erhältlich waren, wurden sie auf Ebay schon für 10 000 Dollar angeboten, der Ladenpreis lag bei 180 Euro. Davon waren selbst die Verantwortlichen von Adidas überrascht. Denn es zeigt: Die Sneaker-Welle wird immer grösser. Vor allem das Interesse für die sehr teuren, seltenen Exemplare wächst. Gemäss einer Schätzung des Internetmediums Highsnobiety.com könnte der globale Markt für teure Sneaker bald auf ein Volumen von 1 Milliarde Dollar wachsen.

BVG Sneaker Overkill Adidas

Glücklicher Besitzer: Der Berliner BVG-Sneaker war heiss begehrt.

Quelle: Sean Gallup/Getty Images

Der «Tiffany» unter den Turnschuhgeschäften

Interessanterweise findet das High-End-Geschäft mittlerweile sogar in richtigen Läden statt. So hat 2015 in New York die Edel-Turnschuh-Boutique Stadium Goods die Türen geöffnet. Einer der ersten Läden, wo die ultrateuren Turnschuhe im Schaufenster in Glasvitrinen tatsächlich zu bewundern sind und auch direkt gekauft werden können.

Etwa ein Paar weisse Nike Jordan 1, vom Modedesigner Virgil Abloh (Louis Vuitton) entworfen. Ursprünglich kostete das Paar einmal 190 Dollar. Stadium Goods konnte es für 2750 Dollar verkaufen. Das Geschäft mit den High-End-Sneakern brummt, wie die Kritiker der «New York Times» berichten. Stadium Goods sei der «Tiffany» unter den Turnschuhgeschäften, so ihr Urteil. Die beiden Gründer konnten sogar namhafte Investoren gewinnen. In einer Finanzierungsrunde kamen 4,6 Millionen Dollar an Equity-Kapital zusammen.

Sogar LVMH ist mit an Bord

Dabei waren Forerunner Ventures und The Chernin Group. Auch der Luxusgüterkonzern LVMH (Louis Vuitton, Dior, Givenchy) hat sich über seine Venture-Capital-Einheit gemäss NYT einen Minderheitsanteil gesichert. Als Gegenspieler zu Stadium Goods haben sich an der US-Westküste die Sneaker-Spezialisten Flight Club und Goat zusammengetan. Auch sie setzen auf teure Sneaker und wohlhabende Kunden.

Bleibt die Frage, wie lukrativ das Geschäft für die Hersteller am Ende ist. Angaben dazu machen sie jedenfalls nicht. Adidas kommentiert grundsätzlich keine Verkaufszahlen von einzelnen Produkten, wie es aus der Konzernzentrale in Herzogenaurach in Deutschland heisst. Nur so viel: «Natürlich spielt Adidas Originals für die Marke Adidas eine wichtige Rolle. Innerhalb der Kategorie haben Sneaker den grössten Einfluss auf die Markenwahrnehmung», sagt ein Unternehmenssprecher.

Und auf welche Modelle darf sich die wachsende Sneaker-Gemeinde demnächst freuen? Etwa ein Neuzugang in der Adidas Superstar Vintage Edition? Auch hier wird nicht viel verraten. Nur so viel: «Neben grossen Erfolgen mit modernen Silhouetten wie NMD und EQT stehen Klassiker wie Stan Smith sowie Neuheiten wie Deerupt und Arkyn im Mittelpunkt», heisst es. Blogger und Sneakerheads liegen sicher schon in Lauerstellung.