Millimeterarbeit ist gefragt, wenn die Hotelbarke durch die engen Schleusen des Canal de Bourgogne fährt. Pilot Philippe Bouchiba navigiert souverän die 250 Tonnen Gewicht, die sich auf 38,5 Meter Länge verteilen. Meist klebt Bouchiba ein Lächeln im Gesicht. Er kennt den Kahn wie seine Westentasche, und Flussschifffahrt ist seine Leidenschaft.

Wer, wie wir, das Glück hat, einige Tage auf der «Reine Pédauque» zu verbringen und das atemberaubende Burgund an sich vorbeiziehen zu lassen, erfährt eine ganz neue Form von Ferien und Entspannung: die Faszination der Langsamkeit.

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Sechs Stundenkilometer Reisegeschwindigkeit

Zusammen mit der charmanten Capitaine Laurence Millot und Manager Kevin Gosnell sowie der Küchencrew gleitet die hundertjährige Barke vorbei an end losen Weinbergen, vielen historischen Dörfern und noch viel mehr Wasserkanälen. Mit gemütlichen sechs Stundenkilometern Reisegeschwindigkeit führt die Reise innerhalb einer Woche von Dijon, der Hauptstadt des Burgunds, nach Vandenesse-en-Auxois. Die «Reine» ankert an den schönsten Uferstellen und gewährt viel Zeit für grossartige Tagesausflüge.

Pilot Philippe Bouchiba, Captain Laurence Millot, Direktor Marco Dueggelin und Manager Kevin Gosnell (v.l.).

Die Crew und der Chef: Pilot Philippe Bouchiba, Captain Laurence Millot, Direktor Marco Düggelin und Manager Kevin Gosnell (v.l.).

Quelle: Jeronimo Vilaplana

Eine bleibende Erinnerung wird beispielsweise Beaune sein, die Hauptstadt der Burgunder Weine, mit den besten Weinkellern und -bergen Frankreichs, was sich in der exquisiten Verkostung niederschlägt. Oder auch der Ausflug nach Châteauneuf-en-Auxois: Wir flanierten gemächlich durch das mittelalterliche Dorf mit seinen malerischen Strassen und Gassen. Von hier aus hat der Besucher einen weiten Blick auf die Auxois-Ebene mit ihren Seen und den fernen Morvan-Hügeln.

Sternekoch an Bord

Voller neuer Eindrücke lassen wir, zurück auf Deck der «Reine Pédauque», die Seele baumeln. Als Fünf-Sterne-Hotelschiff klassifiziert, erfüllt die Königin praktisch alle vorstellbaren Wünsche. Ein schönes Sonnendeck lockt mindestens so sehr wie die gut bestückte Hotelbar direkt beim Eingang.

Reine Pédauque Bar

Für die Bar wurden edelste Materialien verwendet. Mindestens ebenso wichtig: Sie ist gut bestückt.

Quelle: Jeronimo Vilaplana

Auf dem Oberdeck warten ein grosser Salon und der geräumige Speisesaal. Weine und Speisen sind exquisit, Besitzer Marco Düggelin engagiert für die Reisen jeweils einen Sternekoch. Im Untergeschoss schliesslich liegen die vier geräumigen Luxussuiten, alles wunderschön renoviert: Moderne Möbel setzen einen zeitgemässen Akzent inmitten der historischen Holzwände, die Bäder sind ebenfalls mit modernen Armaturen ausgebaut.

Gegen Abend lassen wir uns durch den Canal fahren, die Blicke schweifen über die schöne Uferlandschaft, das innere Zeitempfinden verlangsamt sich, es passt sich dem gemütlichen Fahren an – Entschleunigung pur. In dieser Atmosphäre kommt Marco Düggelin ins Erzählen.

Reine Pédauque Suite

Die vier Suiten im Unterdeck mit historischen Holzwänden und modernen Möbel garantieren ein Wohlfühlerlebnis erster Güte.

Quelle: Jeronimo Vilaplana

Seit 2016 ist das Schiff in Händen des 35-jährigen Schweizers und seiner Firma Green-Beenz. Er ist schon seit vielen Jahren immer gern zu längeren Reisen aufgebrochen: «Ich habe schon viel von der Welt gesehen. Im Rahmen einer Geschäftsreise 2013 durchquerte ich mit diesem Fahrzeug das wunderschöne Burgund. Wie durch Zufall kam dieses Schiff in mein Leben.»

Ruhe und Gelassenheit

Die endlosen Weinberge mit den zahlreichen historischen Dörfern liessen ihn nicht mehr los. «Es macht mich glücklich, durch unzählige Wasserkanäle zu schlängeln. Die gesamte Region und diese Landschaft der Ruhe und Gelassenheit prägten sich in mir ein.»

Noch im selben Herbst buchte Düggelin mit Freunden zwei Wochen auf der «Reine Pédauque», die damals in Dijon im Hafen lag. Das Schiff durchquerte bei dieser Reise zahlreiche Schleusen bis nach Vandenesseen-Auxois.

Vom Flussvirus infiziert

Noch auf dem Schiff hörte Marco Düggelin davon, dass der Besitzer, ein deutscher Unternehmer, mit dem Gedanken spielte, die «Reine» zu verkaufen. Düggelin wollte die beinahe hundertjährige Lady retten: «Der Virus hatte mich bereits erwischt. Dieses Stück Geschichte der französischen Schifffahrt durfte kein trauriges Ende finden.»

Der Schweizer wollte auf den Kanälen und Flüssen Frankreichs Gäste bewirten und bei ihnen die gleiche Begeisterung wecken für «sein Schiff», das im neuen Glanz, als luxuriöses Hotelschiff, an den Markt gehen sollte. Düggelin kontaktierte den Besitzer, und zwei Jahre später, nachdem er eine französische Gesellschaft gegründet hatte, konnte er das Schiff mit Hilfe von Freunden und Investoren übernehmen.

 

«Reine Pédauque»

Die «Reine Pédauque» hat vier grosse Doppelkabinen (Suiten), einen Salon und einen Speisesaal. Buchen können Gruppen mit bis zu acht Personen. Dauer, Zahl und Orte der Stopps sowie Themen der Ausflüge während der Reise sind individuell verhandelbar. Reguläre Preise ab 20 000 US-Dollar für 2 Personen, 4 Tage, für Frühbucher sind aber Rabatte möglich. Alle Leistungen an Bord sowie die Ausflüge sind im Preis inklusive. www.lareinepedauque.com

Grundsätzliche Route: Dijon–Vandenesse (Canal de Bourgogne)
Stapellauf: 1922
Tonnage: 250
Länge: 38,5 m
Decks: 2
Geschwindigkeit: maximal 13 km/h, in der Regel 6 km/h am Kanal

Flussfahrt Schiff Reine Pedauque
Quelle: Jeronimo Vilaplana

Doch bevor der Betrieb 2016 offiziell starten konnte, verlegten die neuen Eigentümer die «Reine» in einer mehrtägigen Fahrt in den Hafen von Saint-Jean-de-Losne ins Trockendock. In den folgenden Monaten fand ein kompletter Umbau der Schiffsstruktur und des Interieurs statt. Die Schiffskombüse sollte den neuesten Standards in Hygiene und Sicherheit für das Personal standhalten, die Schlafräume für das Personal wurden erneuert und vergrössert, der legendäre Oldtimermotor Baudouin DK4 wurde revidiert und mit zeitgemässen Abgasvorrichtungen versehen, sollte aber, als lebendiges Stück Industriegeschichte, unbedingt erhalten bleiben.

Die Inneneinrichtung liess Düggelin komplett erneuern, mit edlen Holzmöbeln und Stoffen ausstatten, die eigens für das Schiff entworfen wurden. Wichtigste Vorgabe bei der Renovierung war, den Charme des alten Schiffes nicht zu zerstören, sondern vielmehr nach vorne treten zu lassen. Dazu setzte Düggelin wenn immer möglich auf das Know-how lokaler französischer Handwerker.

Reine Pedauque Salon

Nicht nur das Interieur hat es in sich: Vom Salon geniesst man die Aussicht auf die vorüberziehende, malerische Landschaft.

Quelle: Jeronimo Vilaplana

Premium-Preise

Ende 2017 war die neue «Reine Pédauque» dann komplett renoviert. Die neue «Jungfernfahrt» führte von Saint-Jean-de-Losne über den Canal de Bourgogne in den Heimathafen der Königin nach Vandenesse-en-Auxois, wo das Schiff jeweils auch überwintert.

Die Preise für Ferien auf der «Reine» sind premium. Doch genauso premium sind die exklusive Privatsphäre, welche die Gäste an Bord geniessen können, sowie die Ruhe, die in den Gästen nach kurzer Zeit einkehrt – sie erfüllen eine Sehnsucht, die viele zuvor gar nicht gekannt hatten.

Die legendären «Big Numbers»

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918 verlangte Frankreich von Deutschland den Ersatz der nahezu vollständig zerstörten Flotten von Kanalschiffen zum Transport von Gütern.

Deshalb produzierte Deutschland mehr als 600 Schiffe für die Franzosen und versah jedes davon mit einer grossen Kennnummer am Bug. Daher wurden diese Schiffe «Big Numbers» genannt. Sie wurden grösstenteils aus dem Stahl zerlegter deutscher Panzer gebaut; das verlieh ihnen eine enorme Robustheit. Sie ersetzten die bis zu dieser Zeit verwendeten Holzschiffe der Franzosen.

Die «Reine Pédauque», erbaut 1922, trug die Nummer 577 der legendären «Big Numbers». Sie konnte bis zu 272 Tonnen Ladung aufnehmen und transportieren. Die Schiffe wurden damals noch mit Pferden an langen Tauen durch die Kanäle gezogen.
Mit der Entwicklung und Produktion des Motors Baudouin DK4 um 1949 wurde die «Reine Pédauque» dann mit einem dieser Vierzylinder ausgestattet und infolge der Privatisierung der Schiffsflotte auf den Rufnamen «Silex» getauft. Nach einem erneuten Besitzerwechsel in den 1950er Jahren hiess sie «Milac», bis das Schiff dann in den 1970ern den heutigen Namen bekam.

Bis in die Gegenwart wurde das Schiff zum Transport von Gütern, als Wohnschiff, Fahrgastschiff und Museum eingesetzt. Kurz vor ihrem 100. Geburtstag wurde die «Reine Pédauque» im Jahr 2018 neu geprüft und zugelassen.

Oldtimermotor Baudouin DK4 mit zeitgemaessen Abgasvorrichtungen

Der Oldtimermotor Baudouin DK4 mit zeitgemässen Abgasvorrichtungen.

Quelle: Jeronimo Vilaplana

Dieser Text erschien in der November-Ausgabe 11/2018 der BILANZ.

Dirk Ruschmann
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