Erinnern Sie sich an die idyllischen Zeiten, in denen man als Konsument im Laden noch bedient wurde von freundlichem Personal, das kompetent über die Waren Auskunft geben konnte? Dann kamen die Selbstbedienungsläden, die Milch wurde in eckige Tüten abgefüllt, die Rabattmarken verschwanden – und feiern heute in Gestalt von Super- oder Cumulus-Punkten Auferstehung. Die Selbstbedienungsläden wurden zu Supermärkten, Einkaufszentren, Shopping-Malls. Das früher eher schmale Angebot wurde immer breiter und vielfältiger, dafür unübersichtlicher. Das Verkaufspersonal wurde immer knapper und unfreundlicher.

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Heute steht der Konsument ratlos vor einem beinahe unermesslichen Angebot, das ihn eher bedrückt als befreit. Er muss nicht nur selber herausfinden, welches Produkt für ihn das beste ist. Er muss auch einiges dafür leisten, dass er überhaupt einkaufen kann. Die Beratung haben viele Händler längst outgesourct – an die Kunden.

Wer heute seinen Urlaub noch im Reisebüro bucht, gilt nicht nur als bescheuert, sondern ist es wohl auch. Denn für das Entgegenkommen des Anbieters, ihm überhaupt etwas zu verkaufen, entrichtet der Kunde eine Bearbeitungsgebühr. Er bezahlt den Händler dafür, dass dieser ihm etwas verkauft. Und auch der Kauf eines Flugbilletts kostet eine Gebühr, bald wohl auch der Besuch an einem real noch existierenden Bankschalter. Das kommt in der klassischen Ökonomie eigentlich nicht vor.

Günstiger wird es für den Kunden, wenn er das Internet benutzt: Dort leistet er aber auch die ganze Arbeit selbst und hilft den Händlern dabei, Personal einzusparen.

Für die Autoren des überaus lesenswerten Buches «Der arbeitende Kunde» ist das nichts anderes als die Einbindung des Konsumenten in die Wertschöpfungskette von Produzenten und Händlern. Der Konsument wird im Verkauf (Selbstbedienung, Eigenberatung), im Marketing (als Werbeträger für Labels) und selbst in der Produktion (Endmontage von Bausätzen wie bei Ikea) eingespannt. Je nach Sichtweise leistet er unbezahlte Arbeit oder verliert Freizeit. Jedenfalls hilft die wachsende Einbindung des Konsumenten in den Produktions- und Verteilprozess dabei, die Grenzen zwischen Arbeits- und Freizeit aufzulösen. Bleibt die Frage, wann die erste Gewerkschaft Tariflöhne für Konsumenten einfordert.

G. Günter Voss, Kerstin Rieder: Der arbeitende Kunde
Campus Verlag, Frankfurt, 251 Seiten, Fr. 34.90