Acht Tage Karibik hinterlassen ihre Spuren. Giancarlo Ragnetti ist braun gebrannt und bester Laune. «Ferien? Das waren keine Ferien», behauptet er fröhlich, «wir waren zum Arbeiten auf St. Barth.»

Nun gut. Andere Menschen würden viel Geld für diese Art von Arbeit opfern: die Tage an Bord schnittiger Segelyachten auf dem türkis schimmernden Meer und die Abende auf Partys in den prächtigen Villen, die Sponsoren und Teilnehmer hochkarätiger Regatten für sich und ihre Gäste zu mieten pflegen. Der «St. Barth’s Bucket» ist kein wirklich wichtiges Rennen – eine «Alinghi» wäre hier fehl am Platz. Doch die Besatzungen der «Kaori», der «Avalon» oder der «Maltese Falcon» haben durchaus Ambitionen und jede Menge Gäste dabei, die gerne Siege feiern.

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Giancarlo Ragnetti, geschäftsführender Direktor der Perini Navi S.p.a., konnte zufrieden sein. 5 der insgesamt 30 teilnehmenden Segelyachten stammen aus seiner Werft in Viareggio, und jede davon schnitt hervorragend ab. Mit Abstand am schnellsten war die «Maltese Falcon», Perinis Vorzeigesegler, der allerdings der Fairness halber mit einem so hohen Handicap belegt wurde, dass er keine Chance auf einen Sieg hatte. Dafür wurde der hypermoderne, 88 Meter lange Dreimaster mit der Auszeichnung «best overall performance» geehrt.

Wer Viareggios Strandpromenade mit den historischen Liberty-Badeanstalten entlangschlendert, am Hafenkanal die Fischer beim Verkauf ihres Fangs beobachtet oder sich auf dem Markt in der quirligen Altstadt falsche LV-Taschen vorführen lässt, wird kaum auf den Gedanken kommen, dass im selben Ort, nur einen Spaziergang entfernt, die grössten, schönsten und teuersten Privatyachten der Welt hergestellt werden. Selbst direkt am Hafenbecken, wo sich die Schriftzüge von «Perini», «Benetti» oder «Codecasa» über hohe Konstruktionshallen ziehen, bleiben Zweifel. Zu klein, zu eng, zu voll – wie soll hier ein 56 Meter langer Luxuskahn drehen und wenden können?

«Das ist kein Problem», sagt Fred Richter, Kapitän auf der imposanten «Santa Maria», einem dreijährigen Grosssegler, der gerade für eine mehrwöchige Generalüberholung an der Quaimauer angelegt hat. Das Schiff – fünf elegante Kabinen, Kirschholz an Böden und Wänden, elfenbeinfarbene Sitzgarnituren, Marmorbäder mit Aussicht, weiche Teppiche, 436 Quadratmeter Teakholzdeck, Rumpf in klassischem Perini-Blau, zwei jeweils 50 und 60 Meter hohe Masten und 1500 Quadratmeter Segel, die bei voller Fahrt eine Geschwindigkeit von 15,6 Knoten ermöglichen – hat mehrfach den Atlantik überquert, ist durch die Karibik, das Mittelmeer und entlang der amerikanischen Ostküste gekreuzt. Jetzt soll es verkauft werden. Der Eigentümer, Name streng geheim, hat ein noch grösseres in Auftrag gegeben. 35 Millionen Euro verlangt er für seine «Santa Maria». Und er wird sie bekommen. «Auf ein neues Perini-Schiff müssen Sie vier bis fünf Jahre warten», erklärt Fred Richter die verblüffende Tatsache, dass die Yacht heute ein paar Millionen mehr kostet als im Neuzustand.

150 Mitarbeiter zählt Perini Navi in Viareggio. Dazu kommen weitere 120, die in zwei ausgelagerten Werften in La Spezia und Istanbul beschäftigt sind. Trotzdem schafft das Unternehmen, das mit knapp 60 Prozent Marktanteil weltweit im elitären Bereich der Mega-Segelyachten führt, bestenfalls zwei oder drei Schiffe im Jahr. Insgesamt 39 Stück sind seit der Werftgründung 1983 entstanden. Im Moment stehen drei weitere halbfertig in den Werfthallen in Viareggio. Der Blick von unten auf den bereits lackierten Schiffsrumpf der «Tamsen» ist beeindruckend. Ebenso das Kabelchaos an Bord. Über 57 Kilometer Kabel werden auf dem 52-Meter-Boot montiert, dazu drei Generatoren von je 86 Kilowatt, die problemlos ein ganzes Dorf mit Strom versorgen könnten. An den noch nicht vertäfelten Pressholzwänden hängen Konstruktionspläne, die Kabinen sind bereits zu erkennen, auch die zwei Süsswassertanks zu je 8000 Liter sind bereits montiert. «Ausserdem hat das Schiff zwei Entsalzungsmaschinen an Bord, die Meerwasser in Trinkwasser verwandeln», erklärt Produktionsleiter Moreno Di Giusto. Der sympathische Mann aus dem Nachbardorf Camaiore hat sein ganzes Arbeitsleben in Werften verbracht und dabei die Entwicklung verfolgt: «Vor ein paar Jahren gab es noch längst nicht so viel Technik an Bord. Heute haben drei Mitarbeiter gut einen Monat zu tun, allein um die elektrischen Kabel im 75 Meter langen Aluminiummast zu verlegen», erklärt er. Und: «Die Perini-Yachten bieten eben ungewöhnlich viel Komfort für ein Segelschiff.»

Im Moment ist das nur ansatzweise zu erkennen: Die Aussenwände sind zum Schutz vor Feuchtigkeit mit Holzwolle und Aluminiumfolie verkleidet, die Zwischenwände und Böden mit besonderen geräuschdämmenden Kork-Gummi-Schichten versehen. Die Badewanne versinkt in einem Marmorpodest, die Eigentümerkabine hat die Masse eines Hotelzimmers, und wenn die Stauluke am Schiffsbug geöffnet wird, können zwei Tender, Beiboote, ins Wasser gleiten.

Die Idee, grosse Segelyachten mit dem Komfort einer Motoryacht auszustatten, kam Fabio Perini Anfang der achtziger Jahre. Er hatte mit der Erfindung von Maschinen, die bei der Verarbeitung von Papiertaschentüchern, Toiletten- und Küchenpapier eingesetzt werden, ein Vermögen verdient – bis heute ist er in diesem Bereich aktiv. Schon als junger Mann war er ein begeisterter und anspruchsvoller Segler, fand aber irgendwann kein Boot mehr, das in Grösse, Technik und Aussehen seinen Vorstellungen entsprach. «Gibt es nicht» gibt es nicht in seinem Wortschatz. Also heuerte er den erfahrenen Schiffsingenieur Giancarlo Ragnetti an, mietete ein paar kleine Büroräume am Hafen von Viareggio und baute die «Felicità»: unglaubliche 40 Meter lang und mit einer für die damalige Zeit revolutionären Technik an Bord.

«Was zum Teufel hat eine ‹flying bridge› auf einer Segelyacht zu suchen?», fragte die Fachwelt. «Wer zum Teufel hat die Winden unter Deck verbannt?», fragten die Medien. «Wie zum Teufel soll eine Segelyacht die Wohnfläche einer Motoryacht bieten?», fragten die Konstrukteure.

Tatsächlich fiel das Schiff auf. So sehr, dass sich bald jemand fand, der es unbedingt haben wollte. «Unser erster Kunde», erinnert sich Giancarlo Ragnetti, «war ein Kalifornier, Generalimporteur für Ferrari und Porsche in den USA. Er hat uns vier oder fünf Millionen Dollar für die ‹Felicità› gegeben – ein Verlustgeschäft.»

Perini-Schiff Nummer zwei war ein paar Meter länger und technisch so ausgereift, dass die Segel automatisch gehisst werden konnten. Es gab ein vernünftiges Sonnendeck und eine Badewanne an Bord. Fabio Perini ging es von Anfang an um Volumen, um Komfort und um die Möglichkeit, die 1000 Quadratmeter Segelfläche ohne viel Manpower manövrieren zu können. Einen Markt für diese Art von Segelschiffen gab es damals nicht. «Wer Platz und Komfort haben wollte, kaufte sich eine Motoryacht», sagt Giancarlo Ragnetti. Erstaunt registrierte die Seglerwelt, wie die ersten Perini-Yachten fröhlich um die Welt schipperten, während für sie selbst eine Überfahrt von Korsika bis zu den Balearen das Höchste der Gefühle war. Und immer häufiger fanden sich Käufer, die bereit waren, 500 000 Euro und mehr pro Meter in die ungewöhnlichen Yachten aus Italien zu investieren.

Die Perini-Flotte wuchs – in Stückzahlen und in Länge: «Morning Glory», 48 Meter lang; «Taouey», 58 Meter; «Felicità West», 64 Meter. Gleichzeitig wuchs das Unternehmen, das längst in ein repräsentatives Gebäude direkt am Yachthafen von Viareggio mit Blick auf den Leuchtturm und das offene Meer gezogen war. Hier residieren die Ingenieure, die Designer, die Techniker und Konstrukteure, denn Perini Navi ist weltweit die einzige Werft, die alles selber macht: das Projekt, die Einrichtung, die Konstruktion.

Bernardo Chichi – lachsfarbener Pulli, lässiger Haarschnitt, liebenswürdige Umgangsformen – leitet das Interior Design Department und definiert den klassischen Perini-Stil: maritim, minimalistisch, modern. «Manchmal ist viel Überzeugungsarbeit nötig», sagt er, «wenn ein Reeder mit merkwürdigen Vorstellungen zu uns kommt.» Es gibt auch Eigentümer, die einen eigenen Designer mitbringen. Medienmogul Rupert Murdoch etwa beauftragte den Franzosen Christian Liaigre, seine 56-Meter-Yacht «Rosehearty» zu gestalten. «Natürlich mussten wir dessen Entwürfe erst einmal bootstauglich machen, denn Monsieur Liaigre hatte noch nie mit einem Schiff zu tun gehabt und keine Ahnung von den speziellen Anforderungen, die es an Bord zu berücksichtigen gilt», amüsiert sich Bernardo Chichi. Anders als bei einem Haus steht auf Schiffen die Technik im Vordergrund, und sie muss jederzeit erreichbar sein. Es geht also darum, die Technik zu bekleiden, und zwar so, dass sie möglichst schnell und einfach wieder entkleidet werden kann. Doch letztlich haben beide dazugelernt, und das Resultat ihrer Zusammenarbeit war auf den Seiten diverser Hochglanzmagazine zu sehen.

Die meisten Veröffentlichungen aber brachte die spektakuläre «Maltese Falcon», die im vergangenen Jahr fertig wurde und komplett in Istanbul gebaut werden musste, weil sie mit ihren 88 Metern für Viareggio viel zu gross ist. Fünf Jahre tüftelten Fabio Perini und der amerikanische Multimilliardär Tom Perkins an Design und Technik. Das Resultat – 1240 Tonnen schwer, 18,5 Knoten schnell und 88 Millionen Euro wert – wird von der Fachwelt als «revolutionär» und als «Meilenstein in der Yachtindustrie» gefeiert. Tatsächlich sind die drei selbsttragenden und dank Elektromotoren rotationsfähigen 58-Meter-Masten aus Kohlefaser absolut neuartig: Ein einzelner Segler kann die 2400 Quadratmeter Segelfläche problemlos beherrschen und das Schiff per Tastendruck bequem vom Steuerstand aus manövrieren.

«Wenn Sie einen Markt anführen», lautet Fabio Perinis Philosophie, «dann stehen Sie oben auf dem Berg und können bereits auf der anderen Seite hinunter ins Tal blicken, während die Konkurrenz noch immer zum Gipfel schaut. Diesen Vorsprung muss man nutzen, um schnell und vor allen anderen den nächsten Gipfel zu erreichen. Bleibt man stehen, wird man früher oder später eingeholt.»

Unwahrscheinlich, dass ihm das passiert. Bei Perini Navi wurde bereits ein weiterer Weg geebnet und mit der neuen 38-Meter-Reihe auf Performance gesetzt. Die nur 135 Tonnen schweren Schiffe aus Aluminium und Kohlefaser werden bis zu 19,5 Knoten schnell und extrem wendig sein, sie sollen zwischen 16 und 17 Millionen Euro kosten und sind sowohl für jüngere Kunden gedacht, die von kleineren Booten kommen, als auch für verwöhnte Segler, die nach Jahren auf grossen, bequemen Yachten eine neue Herausforderung suchen. Und die vielleicht doch noch mit der «Alinghi» konkurrieren möchten. Die Chancen auf Sieg sind sehr gering, aber dafür gibt es Champagner an Bord.


Megayacht-Werften

Die wichtigsten Player weltweit

Segelyachten

Perini Navi, Italien: Die Werft in Viareggio beherrscht den Markt mit knapp 60 Prozent der weltweiten Produktion. www.perininavi.it

Royal Huisman, Holland: Seit 1884 zählt die Schiffswerft zu den Vorreitern im Bereich des modernen Yachtbaus. 340 Mitarbeiter sind in der Lage, ein Schiff vom Entwurf bis zur Auslieferung zu betreuen, ganz gleich, ob es sich dabei um eine Länge von 24 oder 90 Metern handelt. Die Firma ist für innovative Technik und die Verwendung von Materialien wie Kohlefaser und Aluminium bekannt. www.royalhuisman.com

Pendennis, Grossbritannien: Die Werft an der Hafeneinfahrt von Falmouth ist noch jung: 1988 wurde hier der erste 38-Meter-Ketch in Auftrag gegeben. Die Firma beschäftigt heute 240 Mitarbeiter und baut Segelyachten von bis zu 70 Meter Länge. Einen Namen machte sich Pendennis mit dem innovativen 47-Meter-Motorsegler «MITseaAH» (2004), auf dem die Technik eines Segelschiffs mit jener einer Motoryacht vereint ist. www.pendennis.com

Alloy Yachts, Neuseeland: In den letzten 21 Jahren haben die modernen, 30 bis 68 Meter langen Aluminiumyachten von Alloy 16 internationale Preise gewonnen und 17-mal den Final bei internationalen Regatten erreicht. Bis heute hat die Werft in Auckland 32 Yachten gebaut, die grösste darunter war der 54-Meter-Sloop «Tiara» (2004). Derzeit wird an zwei stromlinienförmigen 52-Meter-Segelyachten gebaut: dem Ketch «Mondango» und dem Sloop «Red Dragon». www.alloyyachts.com

Motoryachten

Benetti, Italien: Keine andere Werft baut so viele Motorboote zwischen 50 und 70 Meter Länge. Es sind Yachten, die an Kreuzfahrtschiffe erinnern, die Helikopterlandeplätze, Schwimmbäder sowie Sportstudios an Bord haben. In ihren Unterdecks befinden sich geräumige Garagen für Beiboote und sonstiges Wassersportgerät. www.benettiyachts.it

Feadship, Holland: Die traditionsreiche Werft ist seit 1920 aktiv und hat über 200 Yachten auf die Weltmeere entsandt, etwa Roman Abramowitschs 86-Meter-Yacht «Ecstasea». Jedes Jahr werden im Schnitt fünf Megayachten getauft, damit zählt Feadship zu den wichtigsten Werften weltweit. www.feadship.nl

Lürssen, Deutschland: Die 1875 gegründete, traditionsreiche Werft in Bremen-Vegesack ist vor allem bekannt für den Bau militärischer Schnellboote und ziviler Grossyachten. Zu den Kunden der Werft gehören unter anderem Microsoft-Mitbegründer Paul Allen, der dort die Megayacht «Octopus» bauen liess, und Oracle-Chef Larry Ellison, der bei Lürssen seine «Rising Sun» in Auftrag gab. www.luerssen.de

Oceanfast, Australien: Im westaustralischen Henderson können seit 1984 Luxusyachten von bis zu 120 Meter Länge bestellt werden. Oceanfast bietet ihren Kunden aufregendes Design und persönliche Ausstattung – für beides wurde die Werft mehrfach ausgezeichnet. So werden hier sowohl Yachten für transatlantische Kreuzfahrten als auch auf Speed ausgerichtete Schiffe, die Geschwindigkeiten bis zu 40 Knoten erreichen, gebaut. www.oceanfast.com.au