Spätestens mit dem Swissair-Desaster begann das Berater-Bashing zum normalen Ton zu gehören. Der grenzenlosen Euphorie war der böse Absturz gefolgt. Nach einer Verdoppelung des Umsatzes innerhalb von sieben Jahren mussten die Schweizer Berater 2002 im Schnitt einen Rückgang von gut 17 Prozent hinnehmen. Und im Jahr darauf ging das einst so lukrative Geschäft mit dem guten Rat dann sogar nochmals kräftig zurück. Stellenabbau, Lohnkürzungen und Entlassungen trafen auch die gut ausgebildeten und gut bezahlten Consultants.

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Nun scheinen die trüben Beraterzeiten vorbei zu sein. Vier von fünf Consultingfirmen vermeldeten fürs vergangene Geschäftsjahr ein Umsatzplus, 90 Prozent rechnen für 2005 mit mehr Aufträgen. Dies zeigt eine Umfrage des Branchenverbandes. «Es sind deutlich mehr Anfragen zum Thema Wachstum im Markt, die Firmen haben genug von blossen Kostensenkungen», sagt Peter Nägeli, Präsident der Association of Management Consultants Switzerland (Asco). «Wir merken, dass die Firmen sich auf das Wachstum konzentrieren, und erhalten sehr viele Projekte», heisst es bei McKinsey.

Genaue Umsatzzahlen gibt es bei der Nummer eins der klassischen Managementberatung nur für den deutschen Markt, und dort hat McKinsey im letzten Jahr mehr als acht Prozent verloren. Und in der Schweiz? «Bei uns gab es ein leichtes Plus», lässt sich der Kommunikationsverantwortliche von McKinsey Schweiz, Charles Whitehouse, dazu nur entlocken.

So viel ist klar: McKinsey wird als Branchenprimus bedrängt – in Deutschland von Roland Berger Consulting, in der Schweiz speziell von der Boston Consulting Group (BCG). Beim «Original», wie sich BCG selbstbewusst nennt, legt das Schweizer Geschäft im laufenden Jahr um gut 15 Prozent zu. «Und in den nächsten drei Jahren soll das im gleichen Tempo weitergehen», sagt Victor Aerni, Partner bei BCG.

Nach eigenen Angaben «jedes Jahr ein zweistelliges Wachstum» erwirtschaftete auch Bain & Company. «Alle haben gejammert, wir haben investiert», so Josef Ming, Chef von Bain & Company Switzerland. Die Firma beschäftigt 45 Consultants und sucht nochmals 20 Talente. BCG möchte weitere 40 Leute einstellen, gleich viele, wie im Verlauf des Jahres 2005 angeheuert worden sind. «Die personellen Kapazitäten könnten zum Engpass werden, wir sind verzweifelt daran, Leute zu suchen», heisst es in der Zürcher BCG-Zentrale.

Der Kampf um gute Consultants sei eine echte Herausforderung, sagt Aerni, die Grösse seines Unternehmens und die Marke Boston Consulting Group hälfen bei der Rekrutierung. Doch die Konkurrenz ist gross, denn auch Banken und viele Industriekonzerne sind wieder an den hoch qualifizierten Hochschulabsolventen interessiert. Alle haben ihre Rekrutierungsspezialisten aktiviert. Mit einer Vielzahl von Wettbewerben, Studien und persönlichen Präsentationen versuchen sie die Talente möglichst früh an sich zu binden.

Erschwerend im Kampf um Talente wirkt sich aus, dass die gesamte Beraterbranche deutlich an Ansehen verloren hat. Dies trifft neben den klassischen Management-Consultants auch auf die Informatikberatung zu. Vor allem bei den Grossfirmen werden Strategie und IT immer komplexer, und klassische Computerfirmen werden immer mehr zu einer Art Beratern.

Das gilt speziell für IBM, die vor drei Jahren die Beratungssparte von PricewaterhouseCoopers (PwC) übernommen hat und sich selber als «grössten Unternehmensberater der Welt» bezeichnet. In der Schweiz arbeiten derzeit mehr als 500 Berater für IBM Business Consulting, allerdings haben offenbar viele frühere PwC-Leute die IBM wieder verlassen und sind dem angekündigten Stellenabbau zuvorgekommen.

Von diesen Problemen profitiert die kleinere Konkurrenz, insbesondere Accenture. Aber auch für Accenture-Schweiz-Chef Thomas Meyer ist klar, dass der Ruf der Branche noch nicht wiederhergestellt ist. Die Image-Skandale und der grosse Stellenabbau wirkten bei den jungen Leuten immer noch nach. Das Sicherheitsbedürfnis sei bei den Jungen deutlich gestiegen, so Meyer. Und dies sei für das Land nicht unbedingt ein gutes Zeichen.

«Wieso soll ein junges Talent heute noch Berater werden?», fragt Stephan Dyckerhoff, Chef von Capgemini Schweiz, rhetorisch. Schliesslich sei es nicht einfach, ständig unterwegs und mobil zu sein und gleichzeitig ein normales privates Umfeld zu pflegen. «Berater zu sein, war mal hip. Das ist es sicher nicht mehr, und der Beruf muss wieder attraktiver werden, sonst wird es noch schwieriger, qualifizierte Leute zu finden», hofft Dyckerhoff.

Der französische Konzern Capgemini sucht derzeit rund 40 Consultants; ungefähr gleich viele Berater sind ständig aus dem nahen Ausland in Schweizer Projekte involviert. Es gebe kaum noch rein nationale Teams, beobachtet der gebürtige Deutsche. Gefragt seien in erster Linie die Fähigkeiten und weniger die Nationalitäten. Doch hat Capgemini ein spezielles Problem: Der Konzern versenkte in den letzten drei Jahren nicht weniger als eine Milliarde Euro. Allein 2004 betrug der Nettoverlust mehr als 350 Millionen – dies vor allem wegen des schlechten US-Geschäfts. Demgegenüber sei die Beratung in der Schweiz und Deutschland «sehr profitabel».

Beim US-Konzern Accenture trägt der Consulting-Anteil weltweit mehr als 60 Prozent zu den Gesamteinnahmen von 15,5 Milliarden Dollar bei. Und im Gegensatz zu den Franzosen verdient Accenture gutes Geld. Mit 600 von weltweit über 123 000 Mitarbeitern nimmt sich die Schweiz in der Accenture-Welt zwar winzig klein aus, dennoch kommt man mit dem Rekrutieren von Spezialisten nicht mehr nach. Für diverse Projekte sind gemäss Meyer rund 240 Leute aus dem Ausland für Accenture Schweiz tätig. Laut Meyer sei die gegenwärtige Auslastung mit über 90 Prozent «zu hoch», die Leute arbeiteten zu viel und hätten unter anderem zu wenig Zeit für Schulungen. Umso mehr wolle er den Effort der Rekrutierung nochmals erhöhen: Studenten sollen direkt angesprochen werden. Bei der Nachwuchswerbung setzt Accenture in der Schweiz vor allem auf Teamgeist.