Nun steht er also vor meiner Tür, der Phaeton, nach der griechischen Saga der Sohn des Sonnengottes. So viel wurde bereits über ihn geschrieben. Und so viel wurde er bereits gelobt. Eine Vielzahl von CEO in Deutschland und in der Schweiz durften ihn bereits testen oder wurden in die gläserne Manufaktur nach Dresden eingeflogen. Alle rühmen ihn. Sein Problem: Man hätte gern ein Exemplar, mag aber keines kaufen.

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Die Ingenieure in Wolfsburg hören nicht auf zu versuchen, diese üppige Oberklassenlimousine unter die Menschen zu bringen. Mit immer neuen Motoren. Der jüngste Versuch ist dabei besonders beachtenswert: ein Sechs-Zylinder-Dreiliter-Turbodiesel mit ausreichenden 225 PS. Mit einem Grundpreis von 87 720 Franken und einigen aufpreispflichtigen, aber sinnvollen Optionen schafft er es, die 100 000-Franken-Grenze zu knacken. Mit einem moderaten Dieselverbrauch von 8,5 bis 9,5 Litern ist die Ausgangslage in Sachen Wirtschaftlichkeit dennoch viel versprechend.

Der Fahrkomfort ist ausserordentlich. Man kann noch so viele Vorbehalte gegenüber einem «Volkswagen» haben – spätestens nach zehn Minuten Fahrt sind diese allesamt verflogen. Beeindruckend, wie scheinbar mühelos die fast 2,5 Tonnen schwere Limousine loslegt. Wer braucht eigentlich mehr als 225 PS? Niemand. Es kommt nie das Gefühl auf, untermotorisiert zu sein. Die 450 Newtonmeter Drehmoment sind bereits bei tiefen Tourenzahlen zu spüren. Der Phaeton liefert Kraft und noch mehr Luxus.

Der Limousine fehlt es an nichts, was den Aufenthalt im Passagierraum angenehm macht. Sitze mit Heizung und Belüftung und Massagefunktion. Die Klimaanlage arbeitet praktisch zugfrei. Die Luftausströmer sind unter edlem Holz versteckt und schauen lediglich bei Bedarf hervor. Viel Platz nach allen Seiten. Imposante, gut konturierte Sitze mit 12- oder sogar 18fachen Verstellmöglichkeiten. Ein reichhaltiges, aber funktionelles Instrumentarium. Und natürlich sehr edle Materialien: Das Leder in Sonnenbeige ist zum Reinbeissen weich. Aus der Stereoanlage ertönt Sandrine Piau mit «Arianna in Creta» von Georg Friedrich Händel. Wundervoll. Für den Vielfahrer schlicht der ideale Wegbegleiter. Der üppigen Masse zum Trotz lässt sich der VW Phaeton erstaunlich leicht steuern.

Und doch will ihn keiner. Woran liegt es ? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, lohnt sich ein Blick ins Einmaleins des Marketings. Ist es eine Luxusmarke? Nein, denn eine Luxusmarke zieht ihren Status allein aus der Vergangenheit oder aus einem starken Marketing und Imagebuilding, was sich meistens auch im Preis ausdrückt. Ein Beispiel dafür ist Bentley. Gehört er zu den Premiummarken ? Nicht wirklich. Eine Premiummarke wird durch Innovationen und Innovationsfähigkeit definiert, die klar durch Werbung und Firmenauftritt kommuniziert werden und den Kunden eine Prämie wert sind. Beispiele dafür sind Audi oder BMW. Der Phaeton ist zwar teuer und technisch ausgegoren, aber er ist kein Quantensprung, keine wirkliche Innovation. Seine Qualitäten und Stärken liegen erstens im sensationell tiefen Treibstoffverbrauch dank dem Spardiesel und zweitens vorwiegend darin, dass er noch mehr luxuriöses Understatement vermittelt als der Audi A8. Der VW Phaeton hat deshalb aus marketingstrategischer Sicht ein klassisches Positionierungs- beziehungsweise Preisproblem. Unter der Marke VW müsste der Preis wohl 30 000 Franken tiefer angesetzt sein. Hätte man ihn hingegen als Einsteiger-Bentley unter der britischen Luxusmarke auf den Markt gebracht mit einem Preis für dasselbe Modell, der 30 000 Franken über dem heutigen Listenpreis gelegen hätte, wäre der Phaeton vermutlich ein Knüller geworden.

Die Wirtschaftlichkeit steht und fällt in diesem Falle mit dem Restwert. Den Marktwert des Phaeton offenbaren die Gebrauchtwagen. Es gibt Occasionen in allen Ausstattungen mit zum Teil wenigen tausend Kilometern bereits ab 50 000 Franken. Schlecht für die Leasingfirmen, die mit jedem einzelnen Phaeton eine potenzielle Tragödie ins Portefeuille aufnehmen. Gut für die Schnäppchenjäger: So viel Auto für so wenig Geld ist zurzeit sonst nirgends zu haben.

Fazit: Der Phaeton ist ein grossartiges Auto und auch ein der Konkurrenz (zum Beispiel Audi A8, S-Klasse, 7er-BMW, Jaguar XJ) ebenbürtiges Fahrzeug. Er lässt sich jedoch leider trotz tatkräftiger Unterstützung von der Noch-Regierungscrew um Gerhard Schröder unter der Marke VW so kaum verkaufen. Als Bentley für 160 000 Franken hätte es wohl funktioniert. Wer sich aber über all dies hinwegsetzt und sich auf dem Gebrauchtwagenmarkt mit etwas Geduld umschaut, wird mit einem veritablen Abkömmling des Sonnengottes zum Spartarif belohnt.

VW Phaeton 3.0 V6 TDI

Antrieb: Vierrad
Motor: 3,0 Liter, V6 TDI mit Turboaufladung
Leistung: 225 PS / 165 kW
Drehmoment (1): 450 Nm bei 1400 U/min
Energieeffizienz (2): B
Tankinhalt: 90 Liter

(1) Der Drehmomentverlauf in Abhängigkeit von der Drehzahl ist massgebend für die Motorelastizität (Durchzugskraft) sowie für das Beschleunigungs- und das Steigvermögen eines Autos.

(2) Neu ist seit 2003 die Angabe der Energieeffizienz für Personenwagen, eingeteilt in die Kategorien A bis G, wobei A für energieeffizient und G für energieineffizient steht. Die Kategorie wird ermittelt, indem der Treibstoff-Normverbrauch und das Leergewicht in ein Verhältnis zueinander gesetzt werden.

Beat Imwinkelried (38) ist Delegierter des Verwaltungsrates und Geschäftsführer der Auto-Interleasing AG in Basel, VR-Delegierter der EFL Autoleasing in Winterthur sowie Gründungspartner der AIL Structured Finance in Zürich.